Habeck lässt sich in Sachsen die Leviten lesen: Viel Kritik und ein unerwartetes Lob
Dresden/Nünchritz - Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck (53, Grüne), besuchte am heutigen Dienstag Sachsen. Dem Vizekanzler blies rauer Wind entgegen. Allen Erwartungen konnte er nicht gerecht werden.
Der Tag begann für den Spitzenmann der Grünen 9 Uhr mit einem Unternehmertreffen in der Dresdner Staatskanzlei. Gut zwei Dutzend Chefs sächsischer Firmen erzählten Habeck, wo ihnen akut der Schuh drückt. Im Fokus: Energiepreise und Liefergarantien.
"Die Stromversorger haben Unternehmen die Lieferverträge zum 31.12. gekündigt. Neue Verträge ab 1.1. gibt es noch nicht. Das ist ein riesengroßes Problem. So können wir weder planen noch Angebote kalkulieren", sagt Matteo Böhme (40).
Der Dresdner ist Inhaber der Matteo-Eventagentur. Aktuell muss er als Veranstalter von Weihnachtsmärkten zittern, denn viele Fragen rund um die Stromversorgung sind dort noch offen.
Jörg Dittrich, der Präsident der Handwerkskammer Dresden, mahnte Habeck zur Eile beim Gaspreisdeckel.
Der Dachdecker: "Für das Handwerk muss der Deckel so schnell wie möglich greifen und nicht erst ab März 2023. Andernfalls müssen Unternehmer für den Zeitraum von Januar bis März eine alternative Entschädigung erhalten."
Matteo Böhmes Fazit nach der Veranstaltung: "Gut, dass der MP uns Unternehmer eingeladen hatte. Enttäuscht bin ich, dass der Bundeswirtschaftsminister keine Antworten für uns hatte."
MP Kretschmer lobt Habeck: "Vieles, was Sie tun, ist wichtig und gut"
Danach nahm Habeck an der Kabinettssitzung teil. Auch hier stand viel Wirtschaftspolitik auf den Plan.
Wie können Strukturwandel und Energiewende gelingen? Wie unterstützt der Bund den Wirtschaftsstandort Sachsen?
Auf der anschließenden Kabinettspressekonferenz zeigte sich der Bundesminister optimistisch, dass die energiepolitischen Maßnahmen des Bundes greifen.
MP Michael Kretschmer (47, CDU), der sonst als großer Kritiker der grünen Energiepolitik aufgetreten war, schlug versöhnliche Töne an: "Vieles, was Sie für dieses Land tun, ist wichtig und gut - ich muss ja nicht fantastisch sagen."
Nach Wacker-Besuch: Habeck kommt jetzt öfter nach Sachsen
Am Nachmittag brach Bundeswirtschaftsminister Habeck mit seinem Tross auf nach Nünchritz (Landkreis Meißen), um dort einen Standort von Wacker Chemie zu besuchen. Das Unternehmen an der Elbe bereitet sich darauf vor, in seiner Produktion grünen Wasserstoff einzusetzen.
Das Wacker-Werk ist mit rund 1500 Mitarbeitern der größte Chemiearbeitgeber in Sachsen. Es produziert chemische Stoffe auf Silicium-Basis (etwa 200 verschiedene Silicone).
Der Erdgasverbrauch am Standort konnte bereits um 15 Prozent gesenkt werden durch die Optimierung einer Wasserstoffanlage.
Habeck hörte das zufrieden. Er kündigte an, 2023 häufiger nach Sachsen kommen zu wollen: "Ich möchte vor allem die Regionen besuchen und kennenlernen, die vom Strukturwandel betroffen sind."
In den vergangenen Monaten hatte der Grünen-Politiker bereits mehrere Bundesländer besucht, Sachsen war die zehnte Station auf seiner Reise.
Titelfoto: Montage: Eric Münch (2)