Berlin - Ricarda Lang (31) bereut ihren Rücktritt als Parteivorsitzende der Grünen nicht. In einem Interview gab die Politikerin nun Einblicke, wie viel Stress der Beruf tatsächlich mit sich bringt.
"Ich bin sehr im Reinen mit mir", erklärte Ricarda Lang im Gespräch mit Radio-Legende Wolfgang Heim (70), der mit "Heimspiel" die Sonntagsausgabe des erfolgreichen News-Podcasts "Apokalypse und Filterkaffee" moderiert.
Während andere Politiker einen solchen Schritt gut planen, um nicht in ein Loch zu fallen, hatte Lang diese Möglichkeit nicht.
"Ich hatte relativ wenig an Strategien vorbereitet, weil es bei mir ja sehr überraschend kam. Es war kein langer Prozess, bei dem schon vorher klar war, dass meine Amtszeit endet", berichtete sie.
"Hätten Sie mich drei Wochen vor meinem Rücktritt gefragt, ob das eine Option ist, hätte ich gesagt: Nein, auf keinen Fall", fuhr die 31-Jährige fort. Daher habe sie in den ersten Tagen große Angst gehabt, plötzlich überhaupt keine Rolle mehr zu spielen.
Dann aber sei sie von sich selbst überrascht gewesen. "Es gibt ja so ein Bonmot, dass Politik eine Droge ist", so Ricarda Lang. "Das stimmt auch. Aber was ich festgestellt habe, ist, dass ich weniger abhängig war, als ich gedacht hätte."
Plötzlich fielen der Schwäbin all die Dinge in ihrem Alltag auf, "die schön sind und mich ausfüllen", für die es zuvor aber nur wenig Raum in ihrem Berufspolitikerinnen-Leben gab. Denn in der Zeit als Grünen-Vorsitzende sei ihre normale Arbeitszeit von morgens 7.30 Uhr bis zum späten Abend 22 Uhr gewesen - "und zwar jeden Tag", verriet Lang.
Grünen-Politikerin Ricarda Lang fühlt sich wohl in ihrer Haut
Bis zu 30 Termine standen demnach täglich in ihrem Kalender. Teilweise habe sie am Abend nicht mehr gewusst, mit wem sie am Morgen gesprochen hatte, gab die Bundestagsabgeordnete zu.
"Viele sagen zu mir, dass ich freier wirke. Ich glaube, dass ein großer Teil dieser Freiheit wirklich zeitliche Freiheit ist. Ich komme endlich auch mal zum Nachdenken."
Am Ende sollte sich der Rücktritt vom Parteivorsitz als goldrichtig erweisen. Denn aktuell läuft es offenbar bestens bei Ricarda Lang: Bei der vergangenen Wahl wurde sie zum zweiten Mal in den Bundestag gewählt, die Beliebtheit der Schwäbin scheint eher gestiegen zu sein.
Anders als zunächst befürchtet ist die Politikerin also nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Ob in Talkshows oder in ihrer Rolle als gewitzte Politik-Kommentatorin auf Social Media - Langs Meinung ist gefragt. "Ich habe gemerkt, dass wir als Grüne wehrhafter sein müssen. Aber nicht mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger - also warum nicht mal mit Humor", so die 31-Jährige.
Nicht zuletzt hat Ricarda Lang geheiratet und die neu gewonnene Zeit genutzt, um ihre Ernährung umzustellen und sich mehr zu bewegen. In einem Interview mit dem "Zeit"-Magazin Ende Januar sprach die Bundestagsabgeordnete ausführlich über ihren Abnehmerfolg. "Die Welt ist ein bisschen freundlicher geworden", sagte sie.