Grünen-Chefin Ricarda Lang gesteht: "Ich saß vor meinem Handy und habe geweint"
Berlin - Die scheidende Grünen-Chefin Ricarda Lang (30) hat ihr Rücktritt als Parteivorsitzende erst mit Verzögerung stark mitgenommen.
Anfangs habe sie sich zwar traurig, aber "in Teilen auch befreit" gefühlt, sagte Lang in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit".
Erst der Rücktritt von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (35) eine Woche nach ihr habe sie dann auch emotional umgehauen. "Ich saß vor meinem Handy und habe geweint", sagte Lang.
In diesem Moment habe es sich ein bisschen so angefühlt, als wäre ihr erst dann ein Teil ihres eigenen Rücktritts bewusst geworden.
Die 30-Jährige verwies darauf, dass sie und Kühnert sich bei einer Demonstration kennengelernt hätten, "als wir noch politische Babys waren". Beide seien "gestartet mit dem Anspruch, ganz viel zu verändern in diesem politischen Betrieb".
Ricarda Lang fühlt sich in einem Punkt als Parteivorsitzende gescheitert
Als Parteivorsitzende fühle sie sich bei dem Versuch gescheitert, bei den Grünen für mehr Sensibilität für die Belange von ärmeren Menschen zu sorgen. "Ich habe es nicht hinbekommen", räumte Lang ein. Die Grünen würden heute stark als "Elitenprojekt" wahrgenommen.
Lang wies allerdings zurück, dass es Rücktritts-Druck auf sie gegeben habe. Es sei eine "selbstbestimmte Entscheidung" gewesen. Die Partei habe in einer Krise gesteckt, brauchte eine neue Strategie. "Um ehrlich zu sein, nervt mich diese Frage: Wer war der Mann hinter Ricarda Langs Rücktritt? Frauen können so etwas schon selbst entscheiden, glauben Sie mir", so die 30-Jährige.
Vorurteile gegen sich zu widerlegen, hätte jedoch viel Zeit und Kraft gekostet. "Ich habe versucht, so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Heute glaube ich, dass man sich dadurch klein macht", sagte Lang. Im Rückblick frage sie sich auch, warum sie als Spitzenpolitikerin nicht freier und klarer gesprochen habe.
Lang führte die Grünen seit Anfang 2022 gemeinsam mit Omid Nouripour (49). Sie war die jüngste Vorsitzende in der Geschichte ihrer Partei.
Titelfoto: Bildmontage: Hendrik Schmidt/dpa