Scholz benennt Fehler nach Wende: "Mangel an Respekt hinterlässt Narben"

Leipzig - Bei den Feierlichkeiten am 35. Jahrestag der friedlichen Revolution in der DDR hat Bundeskanzler Olaf Scholz (66, SPD) eingeräumt, dass nach der Wende viele Fehler gemacht worden sind.

Bundeskanzler Olaf Scholz (66, SPD) sprach am Mittwoch im Gewandhaus Leipzig.
Bundeskanzler Olaf Scholz (66, SPD) sprach am Mittwoch im Gewandhaus Leipzig.  © Sebastian Kahnert/dpa-Pool/dpa

"Ich möchte das hier ganz klar sagen – zu den Enttäuschungen und Narben der Umbruchjahre hat auch die Selbstgewissheit der westdeutschen Republik beigetragen", sagte der SPD-Politiker bei einem Festakt im Leipziger Gewandhaus.

Ostdeutsche Bürgerinnen und Bürger hätten in den Jahren nach der Wiedervereinigung westdeutsche Ignoranz zu spüren bekommen. "Der Mangel an Respekt hinterlässt Narben, auch das gehört hierher, 35 Jahre danach", sagte Scholz. Doch diese Erkenntnis nütze nichts, wenn sie nicht Ansporn sei, es künftig besser zu machen.

"Wir sind ein Volk – trotz aller Schwierigkeiten, trotz aller Fehler, trotz aller Widerstände", sagte der Bundeskanzler.

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Scholz sprach darüber hinaus in Leipzig ein Thema an, bei dem die Meinungen in West- und Ostdeutschland oft auseinandergehen. Die ukrainischen Bürgerinnen und Bürger hätten bei ihren Protesten auf dem Maidan in Kiew 2014 dieselben Ziele gehabt wie die Bürgerinnen und Bürger der DDR 1989, sagte der Kanzler.

"Es ging darum, das eigene Schicksal in die Hände zu nehmen, es ging um das Ende der Fremdbestimmung." Heute wolle "Russland der Ukraine diese Freiheit mit brutalster Gewalt entreißen".

Mit einem Festakt und einem Lichtfest erinnerte Leipzig an die friedliche Revolution in der DDR.
Mit einem Festakt und einem Lichtfest erinnerte Leipzig an die friedliche Revolution in der DDR.  © Sebastian Kahnert/dpa-Pool/dpa

"Ukraine an vorderster Front für die Freiheit"

Scholz sagte, er pflichte allen bei, die sich für Frieden einsetzten, so wie die Demonstranten vor 35 Jahren. "Die bittere Wahrheit aber bleibt: Dieser Frieden wird erst kommen, wenn Russland dazu bereit ist", fügte er hinzu. "Heute ist es die Ukraine, die in Europa an vorderster Front die Freiheit verteidigt. Wir werden, wir müssen sie dabei unterstützen, bis endlich ein gerechter Frieden herrscht."

Umfragen zufolge ist die Zustimmung zu den Hilfen für die Ukraine in Ostdeutschland geringer als in den westlichen Bundesländern. Zugleich herrscht im Osten Deutschlands mehr Furcht, in den Krieg hineingezogen zu werden.

Leipzig erinnert jedes Jahr an den 9. Oktober 1989, als eine große Montagsdemonstration mit mindestens 70.000 Menschen zu einem Meilenstein im Wendeherbst wurde. Einen Monat später fiel die Berliner Mauer.

Titelfoto: Sebastian Kahnert/dpa-Pool/dpa

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