Als Kanzleianwalt statt Kanzler: Als Olaf Scholz für die DDR-Arbeiter kämpfte
Leipzig - Gerd Klenk darf den Bundeskanzler Olaf nennen: Der 75-Jährige war Betriebsrats-Chef der VEB "FoRa" im Süßwaren-Kombinat Delitzsch, als dieser nach der DDR zusammenbrach. Zu diesem Zeitpunkt vertrat Olaf Scholz (66, SPD) nicht die Bundesrepublik. Sondern Gewerkschaften im Osten. Vor Kurzem trafen sich die beiden zufällig, am Wochenende ganz bewusst. Ein Besuch bei Kaffee unter Freunden.
![Gerd Klenk (75) und Olaf Scholz (66, SPD) - alte Freunde.](https://media.tag24.de/951x634/l/3/l3hrupvanltyu83cjeh5u3ofgie0j17z.jpg)
Am Café Moh ratterten Straßenbahnen vorbei, als gepanzerte Limousinen mit Blaulicht vorfuhren. Der Leipziger Westen war am Samstag wohl einer der sichersten Orte Deutschlands. Denn die SPD lud den Kanzler zum Wahlkampftermin ins Westbad ein. Doch davor brauchte er zwei Kaffee Zeit. Denn im Café ums Eck wartete ein alter Weggefährte.
"Wir haben es leider nicht geschafft zur Selbstständigkeit", berichtete Klenk aus der Wendezeit. Der "Volkseigene Betrieb Forschung und Rationalisierung" (VEB FoRa) kämpfte wie alle anderen ums Überleben im neuen Kapitalismus. Schon bald war im übergeordneten Süßwaren-Kombinat kein Geld mehr da für die 270 Beschäftigten. Und so erhielten sie ihre Kündigungen kurz nach Weihnachten 1990 vom Vollstreckungsverwalter.
Doch die Industriegewerkschaft Metall engagierte einen jungen Hanseaten mit vollem Haar: Olaf Scholz, 32, Fachanwalt für Arbeitsrecht.
"Das war für mich eine der prägendsten Erfahrungen", so Scholz. Arbeit verschaffe einem Ehre. Diese wollte man den Fleißigen hier nehmen.
![Im Café Moh trafen sich die beiden Wegbegleiter.](https://media.tag24.de/951x634/u/f/ufb42hv1t2xun2q9n526ruyme3rxofpn.jpg)
Scholz: "Die Einheit heißt, dass nicht alles gleich, sondern gleichwertig sein muss"
![Klenk hatte sogar einen Zeitungsausschnitt aus der damaligen Zeit dabei.](https://media.tag24.de/951x634/p/v/pvu19qd16il7uu3gwodwvcq1w8qx5w92.jpg)
1990 machte sich der heutige Kanzler mit einer Kanzlei selbstständig. Mit dieser erkämpfte er Kündigungsschutz wie Sozialpläne für "FoRa"- oder TAKRAF-Arbeiter, die zuvor etwa die Lausitzer Tagebau-Bagger produzierten. Klenks Vollstreckungsverwalter sägte er ab. "Das war eine Genugtuung", feixten beide.
Zum 35. Jahrestag der Deutschen Einheit sprach der Kanzler im Leipziger Gewandhaus. Bürgerrechtler Klenk saß im Publikum, kam hinterher auf ihn zu. "Die Einheit heißt, dass nicht alles gleich, sondern gleichwertig sein muss", so der Kanzler.
Die Lohnungleichheit bedrücke ihn noch immer. Auch wenn das Rentenniveau inzwischen gleich sei. Doch laut Klenk gelte heute wie damals: "In einer Krise kann man es nicht allen recht machen."
Titelfoto: Kristin Schmidt