Bei Streitgespräch mit Ministerpräsident Kretschmer: Tellkamp verharmlost "Reichsbürger"
Von Heiko Nemitz, Gerd Roth
Berlin/Dresden - Der Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp (54) provozierte zuletzt mit extremen Äußerungen. In der Sächsischen Vertretung in Berlin legte er nun nach. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (47, CDU), Gastgeber der Diskussionsrunde, hielt dagegen.
Tellkamp hat Zweifel an Umsturzplänen in der "Reichsbürger"-Szene geäußert. "Woher wissen Sie, dass das so ist?", fragte er am Donnerstag nach einer Lesung aus seinem Roman "Der Schlaf in den Uhren".
Er bezog sich auf die Festnahme von 25 Menschen nach einer Razzia am Mittwoch, denen vorgeworfen wird, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollen.
Tellkamp dazu: "Sofort sind alle sich einig: Das kann nur finster sein. Der Abgrund des Terrors. Und alle Härte des Rechtsstaats."
Der Autor zog einen Vergleich zu Klimaaktivisten, "die öffentlich die Abschaffung des Staatssystems fordern". Die würden nicht in vergleichbarer Weise angegangen, sondern würden "gehätschelt" und in Talkshows eingeladen.
Es gebe ein Wohlwollen vieler Medien dieser Bewegung gegenüber. "Und das ist eine Wahrnehmung, die viele Menschen teilen, wo sie sich fragen: Gibt es hier zweierlei Maß im Rechtsstaat?"
Uwe Tellkamp teilte auch gegen die Corona-Politik, Medien und Wissenschaft aus
Kretschmer widersprach Tellkamp. "Rechtsextremismus ist die größte Gefahr, da müssen wir vor allen Dingen dranbleiben", sagte der Regierungs-Chef etwa.
"Das bedeutet nicht, dass man bei den anderen Themen des Extremismus, Linksextremismus oder religiöser Extremismus schweigen darf oder sich nicht darum kümmern muss. Aber man muss natürlich das Ganze auch in ein gewisses Verhältnis setzen."
Tellkamp teilte zudem gegen Corona-Politik, "unausgewogene" Wissenschaft und Medien aus.
Wer in Dresden wissen wolle, was los sei, frage etwa Rettungssanitäter, Polizisten, Kriminalisten. "In den Kreisen, in denen ich verkehre", informiere man sich nicht über Zeitungen. "Und das sind Dinge, die in der DDR schon vorkamen."
Kretschmers Entgegnung: Zwar könnten Medien unausgewogen, menschengemacht und defizitär sein, wären aber mit ihrer Qualitätskultur "um ein Vielfaches besser als soziale Netzwerke".
Titelfoto: Jörg Carstensen/dpa