"3nach9": So geht es Ex-SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nach Rücktritt

Bremen - Er ist zurück! Rund sieben Monate nach seinem überraschenden Rücktritt trat der ehemalige SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (35) am Freitagabend in der Radio-Bremen-Talkshow "3nach9" erstmals wieder vor die Kameras.

Der ehemalige SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (35) hielt im Februar seine letzte Rede im Deutschen Bundestag.
Der ehemalige SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (35) hielt im Februar seine letzte Rede im Deutschen Bundestag.  © Kay Nietfeld/dpa

Kühnert war im Oktober aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurückgetreten, daher stellte Moderator Giovanni di Lorenzo (65) die wichtigste Frage gleich zu Beginn des Gespräches: "Wie geht es Ihnen?"

Mit einem leichten Zögern antwortete Kühnert: "Mir geht es gut."

Er betonte allerdings, dass die Frage für ihn eine neue Bedeutung gewonnen habe. "Ich werde 100-mal am Tag gefragt, aber wenn man einmal der Öffentlichkeit mitgeteilt hat, dass es einem nicht gut geht, dann wird einem ab dem ersten Mal danach bewusst, jetzt kann ich nicht mehr lügen und muss eine ehrliche Antwort geben."

Erhabenheit und Grinse-Selfie bei Papst-Trauer: Söder "an Pietätlosigkeit nicht zu überbieten"
Markus Söder Erhabenheit und Grinse-Selfie bei Papst-Trauer: Söder "an Pietätlosigkeit nicht zu überbieten"

Einen genauen Grund für seinen Rücktritt nannte er trotz Nachfrage allerdings nicht. "Ganz präzise kann ich das nicht beantworten", erklärte der 35-Jährige und machte um die Worte "Burnout" und "Depression" einen großen Bogen.

"Nicht einmal im Ansatz. Weil ich bis drei Wochen vor meinem Rücktritt auf meinem völlig normalen Leistungsniveau gewesen bin", erklärte Kühnert. Er habe allerdings gemerkt, dass er sich nicht mehr politisch professionell mit den Problemen der Gesellschaft auseinandersetzen kann. Vielmehr sei er davon "bedrückt" gewesen, wie er es nannte.

"3nach9": Kevin Kühnert spricht über seinen Rücktritt als SPD-Generalsekretär

Im Oktober 2024 hatte der 35-Jährige seinen Rücktritt als SPD-Generalsekretär erklärt.
Im Oktober 2024 hatte der 35-Jährige seinen Rücktritt als SPD-Generalsekretär erklärt.  © Sina Schuldt/dpa

Es habe auch keinen Schlüsselmoment gegeben, vieles habe sich stattdessen angesammelt. Eine banale Besprechungssituation in der Parteizentrale habe schließlich dazu geführt, dass der Entschluss des Rücktritts in die Tat umgesetzt wurde.

"Das war eine Besprechung, die bei mir ganz große Denkprozesse über die Fragen von Weltwirksamkeit im politischen Betrieb ausgelöst hat. Es war die Frage, ob ich hier richtig bin, ob ich dem Ganzen irgendeinen Schubs in die richtige Richtung geben kann", blickte Kühnert darauf zurück.

Seine Antwort lautete: "Ich habe bei mir gemerkt, dass ich eine tiefe innere Unzufriedenheit mit der Beantwortung der Frage habe, was mein Fußabdruck ist, den ich nach so vielen Jahren Volleinsatz bilanzieren kann."

Neue Bundesregierung: Übernimmt Haseloff nun Ministerposten?
Reiner Haseloff Neue Bundesregierung: Übernimmt Haseloff nun Ministerposten?

Also trat er zurück. In der Folge habe er sich mit vielen Menschen ausgetauscht, bis heute bereue er seine Entscheidung nicht. Dennoch, so betonte er, gab es Momente, die ihn darin bestärkt hatten: "Anfeindungen, körperliche Anfeindungen." Schließlich hatten 84 Prozent der Bevölkerung bei der vorherigen Bundestagswahl nicht die SPD gewählt, entsprechend seien Begegnungen konfliktbehaftet gewesen.

Kevin Kühnert sieht Radikalisierung der Gesellschaft

Kühnert begrüßte im Bundestag Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz (66).
Kühnert begrüßte im Bundestag Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz (66).  © Michael Kappeler/dpa

So wurden unter anderem Gewaltfantasien öffentlich ausgelebt. "Kopf-ab-Gesten, laute Gespräche in öffentlichen Verkehrsmitteln darüber, was man mit einem gerne machen würde", erklärte er. Auf einer Veranstaltung sei er von einer älteren Frau mit einem Ei beworfen worden. "Das hätte auch etwas anderes sein können."

Die Gesellschaft habe sich aus seiner Sicht stark verändert. Nicht nur im Umgang mit Politikern, sondern im Umgang damit, wie wir Konflikte nicht mehr aushalten im Alltag, mit Andersdenkenden nicht mehr reden können.

"Wir leben in einer Welt, die immer ungesitteter wird", kritisierte Kühnert und sprach von einer Radikalisierung. Daher wünsche er sich wieder einen respektvollen Umgang miteinander.

Wie es für ihn weitergeht, ist noch unklar. Er will zumindest seine Erfahrungen weitergeben. Wie genau, ließ er noch offen. Und ein Musikinstrument lernen: das Hackbrett!

Titelfoto: Kay Nietfeld/dpa

Mehr zum Thema Kevin Kühnert: