Jürgen Trittin schaltet sich in Ampel-Krach ein
Hamburg - Jürgen Trittin (70, Die Grünen) schaltet sich mit deutlichen Worten in den Krach der Ampelkoalition ein.
Der in Bremen geborene und aufgewachsene Politiker saß am Sonntagabend auf dem Roten Sofa bei "DAS!" im NDR Fernsehen. Moderatorin Inka Schneider (57) wollte von ihrem Gast wissen, was er seiner Partei angesichts sinkender Umfragewerte raten würde.
"Die Grünen leiden am wenigsten, worunter alle Koalitionspartner leiden. Ich sage, das ist Bad Governance, schlechte Regierungsführung", so Trittin.
Der 70-Jährige führte weiter aus: "Klar, wenn ich mit jemandem wie Christian Lindner koaliere, muss der was geben und er muss auch was kriegen. Das nennt man Kompromiss. Aber man kann nicht jeden gefundenen Kompromiss, in dem Moment, wo er beschlossen worden ist, wieder aufdröseln."
Trittin war von 1998 bis 2005 Bundesumweltminister in der ersten und zweiten rot-grünen Koalition mit Kanzler Gerhard Schröder (80, SPD). Damals habe man sich natürlich auch gestritten. Es habe aber einen großen Unterschied gegeben.
"Wenn wir was verabredet hatten, dann galt das. Dann wurde das gemacht. Dann wurde darüber nicht mehr diskutiert."
Jürgen Trittin über Christian Lindners Wirtschaftspapier: Massive Schulden
Der derzeitigen Regierung aus SPD, Grünen und FDP bescheinigte er eine bessere Leistungsbilanz als ihr Image. Dazu kommt der immer lautere Streit untereinander.
Einen neuen Höhepunkt markierte vor wenigen Tagen das Grundsatzpapier zur Wirtschafts- und Finanzpolitik von Lindner (45, FDP).
Moderatorin Schneider wollte von Trittin wissen, was er dazu denkt. Hält die Ampel bis zur Bundestagswahl 2025 oder zerbricht die Koalition?
Die verfassungsrechtlichen Hürden für Neuwahlen seien "sehr, sehr hoch". "Ich glaube insofern, dass dieses Papier in die Kategorie der Papiere gehört, man macht das mal und weiß, dass sowieso nichts bei rumkommt."
Zudem führe es zu massiven Mindereinnahmen des Staates, die nicht gegenfinanziert seien. "Christian Lindners Papier treibt die Staatsschuld hoch", so Trittin. Er tue das, was er sonst sage, dass er nicht will. Dafür gebe es im Bundestag keine Mehrheit. "Warum schreibe ich dann solche Papiere? Außer wenn ich will, dass sie durchgestochen werden." Also eine absichtliche Provokation?
"Zurzeit deutet alles darauf hin, dass die Nerven blank liegen." Trittin weiter: "Wir wissen nicht, ob eine der Koalitionsparteien die Nerven verliert. Ich würde allen dreien empfehlen, sich zu mäßigen."
Die Partner sollen lieber gucken, wie sie Deutschland - auch angesichts der schwierigen US-Wahl - "eine ordentliche Zukunft" geben. Trotz unterschiedlicher Vorstellungen gebe es doch Gemeinsamkeiten.
Titelfoto: Britta Pedersen/dpa