Aiwanger verwundert über weitere Vorwürfe: "Wer lässt sich solchen Unsinn einfallen!?"
München - In der Affäre um ein altes antisemitisches Flugblatt lässt der Druck auf Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger (52) nicht nach. Unklar ist, wann der Freie-Wähler-Chef die schriftlichen Antworten auf 25 Fragen übermittelt, die Ministerpräsident Markus Söder (56, CSU) zeitnah gefordert hatte. Zuletzt setzte Aiwanger sich öffentlich zur Wehr, nachdem weitere Vorwürfe zu seiner Schulzeit laut geworden waren.
Auf Aiwangers offiziellem Account im Online-Netzwerk X (ehemals Twitter) wurde am späten Mittwochabend folgende Nachricht veröffentlicht: "Es wird immer absurder. Eine andere Person behauptet, ich hätte Mein Kampf in der Schultasche gehabt. Wer lässt sich solchen Unsinn einfallen!?"
In aller Regel verfasst der Freie-Wähler-Chef sämtliche Posts selbst. Ob das auch diesmal der Fall war, dafür gab es zunächst keine Bestätigung.
Die "Süddeutsche Zeitung" hatte zuvor eine nicht namentlich genannte frühere Mitschülerin Aiwangers zitiert, dieser habe oft Adolf Hitlers "Mein Kampf" in der Schultasche mit sich geführt. Sie könne dies bestätigen, weil sie das Buch selbst in der Hand gehalten habe.
"Ich war noch nie Antisemit oder Extremist", sagte Aiwanger am Mittwochabend der Deutschen Presse-Agentur in München. "Vorwürfe gegen mich als Jugendlicher sind mir nicht erinnerlich, aber vielleicht auf Sachen zurückzuführen, die man so oder so interpretieren kann", fügte der 52-Jährige hinzu.
Aiwanger: "Kein Antisemit, kein Extremist, sondern ein Menschenfreund"
Zuvor hatte der bayerische Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident am Rande eines Termins in Donauwörth dem Sender Welt TV im Beisein auch anderer Journalisten gesagt: "Es ist auf alle Fälle so, dass vielleicht in der Jugendzeit das eine oder andere so oder so interpretiert werden kann, was als 15-Jähriger hier mir vorgeworfen wird."
Er betonte allerdings: "Aber auf alle Fälle, ich sag' seit dem Erwachsenenalter, die letzten Jahrzehnte: kein Antisemit, kein Extremist, sondern ein Menschenfreund." Er könne "für die letzten Jahrzehnte alle Hände ins Feuer legen". Was aus Jugendzeiten nun diskutiert werde, wundere ihn etwas.
Hintergrund waren neue Vorhaltungen, die von einem ehemaligen Mitschüler kamen. Aiwanger soll in den 1980er Jahren beim Betreten des schon besetzten Klassenzimmers ab und zu "einen Hitlergruß gezeigt" haben, wie der Mann dem ARD-Magazin "Report München" sagte, demnach ein Mitschüler von der 7. bis 9. Klasse.
Zudem habe Aiwanger "sehr oft diese Hitler-Ansprachen nachgemacht in diesem Hitler-Slang". Auch judenfeindliche Witze seien "definitiv gefallen". Welche "starke Gesinnung" dahinter gesteckt habe, dazu sagte er: "Keine Ahnung."
Aiwanger und Freie Wähler sprechen von "Schmutzkampagne"
Gegenüber der "Bild" dementierte Aiwanger die Hitlergruß-Vorwürfe: "Mir ist nicht im Entferntesten erinnerlich, dass ich so etwas gemacht haben soll." Auf Aiwangers X-Profil hieß es am Mittwochvormittag: "#Schmutzkampagnen gehen am Ende nach hinten los. #Aiwanger".
Aiwanger hatte am Samstag schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien "ein oder wenige Exemplare" in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf gestand Aiwangers älterer Bruder ein, das Pamphlet geschrieben zu haben.
In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Nach allen jüngsten Umfragen können CSU und Freie Wähler auch danach weiter gemeinsam regieren. Söder hatte am Dienstag gesagt, er wolle die Koalition fortsetzen. Koalitionen hingen aber "nicht an einer einzigen Person". Die Freien Wähler in Bayern stellten sich geschlossen hinter Aiwanger und beklagten eine "Schmutzkampagne".
"Alle Fragen müssen zweifelsfrei geklärt werden. Da darf kein Verdacht übrig bleiben", sagte Söder am Mittwoch. Aiwanger habe nun die Gelegenheit, sich vernünftig, fair und umfassend zu äußern. "Dazu sollen wir eine zeitnahe und maximal transparente Antwort auch erhalten, sodass wir dann auch eine glaubwürdige Diskussion darüber führen können, wie wir das bewerten."
Titelfoto: Tobias C. Köhler/dpa