Aiwanger dementiert Hitlergruß-Vorwürfe, Freie Wähler Bayern zeigen klare Kante
München - Hat der wegen der Flugblatt-Affäre ins Straucheln geratene Vize-Ministerpräsident von Bayern, Hubert Aiwanger (52), zu Schulzeiten öfter mal den Hitlergruß beim Betreten des Klassenzimmers gezeigt?
Wie bei der antisemitischen Hetzschrift wollte sich der Bundesvorsitzende der Freien Wähler auch zu diesem Vorwurf erst einmal nicht äußern.
Wenig später dann aber doch die Reaktion. Und auch hier weist er alle Anschuldigungen zurück.
Gegenüber der "Bild" sagte Aiwanger, er könne sich "nicht im Entferntesten" daran erinnern, jemals mit erhobenem rechten Arm in die Klasse gegangen zu sein oder Judenwitze erzählt zu haben.
In der ARD-Sendung "Report München" behauptet jedoch ein ehemaliger Mitschüler das Gegenteil. Der Hitlergruß sei nicht immer gewesen, aber hin und wieder. Außerdem bestätigte der Ex-Klassenkamerad weitere Anschuldigungen: "Er hat halt sehr oft auch diese Hitler-Ansprachen nachgemacht. In diesem 'Hitler-Slang'." Auch die judenfeindlichen Witze seien "definitiv gefallen. Hundert Prozent."
Damit habe der heutige Chef der Freien Wähler auffallen wollen. Viele hätten Aiwanger als "Spinner" gesehen. Wie viel Gesinnung jedoch tatsächlich hinter solchen Aktionen war, konnte der Mitschüler nicht klar sagen.
Fakt ist: Die ganze Sache bringt sogar einen Markus Söder (56, CSU) unter Zugzwang. Er möchte eine saubere Aufarbeitung der Situation und las nach einer eigens dafür angesetzten Sitzung vor der Presse - entgegen seinen sonstigen Auftritten - sein Statement komplett vom Blatt ab und ließ auch keine Nachfragen zu.
Söder will weiterhin Koalition - Aiwanger kein Muss
Knapp vor den Landtagswahlen geht es dem Wunsch-Koalitionspartner offenbar vor allem um Schadensbegrenzung. Daher distanzierte sich Aiwanger auch mit Nachdruck von Vorwürfen und betonte, er sei "aus tiefstem Herzen Demokrat und Menschenfreund".
Allerdings hatte er selbst bei seiner Rede in Erding vor wenigen Wochen gefordert, die "schweigende Mehrheit" müsse sich die "Demokratie zurückholen". Von wem zurückholen und welche Staatsform denn sonst gerade herrsche, wenn nicht die Demokratie, sagte er nicht. Kurz vor den demokratischen Wahlen in Bayern.
Auch wenn einzelne Politiker und Verbände der Freien Wähler die Person Aiwanger zunehmend kritisch zu sehen scheinen, so setzt die Partei in Bayern nun ein deutliches Zeichen: "Wir stehen als Freie Wähler hundertprozentig hinter Hubert Aiwanger. Und das werden wir auch weiter tun", sagte am Mittwoch Generalsekretärin Susann Enders nach gemeinsamen Beratungen in München.
Aber selbst Markus Söder - der schon wenige Tage zuvor in einem Bierzelt gegen Aiwanger schoss, ohne ihn direkt zu benennen - scheint den schützenden Mantel um seinen Vize langsam wieder abzunehmen.
Zwar unterstrich er, dass er auch nach der Wahl im Oktober auf eine CSU-FW-Koalition bauen wolle. Diese würde aber "nicht an einer einzigen Person" hängen. "Es geht mit oder ohne eine Person im Staatsamt ganz genauso."
Es scheint, als würde Aiwanger, der sonst gerne gegen andere austeilt, gerade extrem einstecken müssen. Und auch wenn es offenbar zahlreiche Zeugen für die Anschuldigungen gibt: klare Beweise fehlen bisher. Die Causa bleibt spannend.
Titelfoto: Peter Kneffel / POOL / AFP