CDU-Chef Merz im Interview: Was passiert mit der CDU, wenn die AfD im Osten gewinnt?
Meerane - Knapp sechs Wochen vor den drei Landtagswahlen im Osten steigt die CDU in die heiße Wahlkampfphase ein. Parteichef Friedrich Merz (68) springt Michael Kretschmer (49), Mario Voigt (47) und Co. zur Seite. TAG24 traf den 68-Jährigen am Rande eines Wahlkampftermins zum Gespräch.
TAG24: Herr Merz, als Angela Merkel 2018 als CDU-Vorsitzende zurücktrat, hatte sie den Rückhalt im Osten verloren. AKK stolperte über die Thüringen-Wahl, Armin Laschet verlor am deutlichsten hierzulande. Wie wollen Sie nicht über "uns Ossis" stolpern?
Friedrich Merz: Ich bin seit 2018 der erste Parteivorsitzende der CDU, der wiedergewählt wurde. Insofern sehen Sie jetzt eine neue Kontinuität in der CDU. Es gibt einen neuen Zusammenhalt in der CDU, und der wird sich auszahlen.
TAG24: Nach der Europawahl beschlossen Sie kurzerhand selbst, die CDU arbeite nicht mit dem BSW zusammen, nur um hinterher zurückzurudern. Ist das BSW hier gut genug für den Machterhalt der CDU?
Merz: Dieses sogenannte Bündnis Sahra Wagenknecht trägt politische Positionen vor, die bundespolitisch für uns völlig inakzeptabel sind. Auf der landespolitischen Ebene müssen individuelle Entscheidungen getroffen werden, und das habe ich nie anders gesagt.
TAG24: Auf Landesebene ist also die russlandfreundliche Politik von Frau Wagenknecht oder die sozialistischen Politiker in ihrem Schatten okay?
Merz: Auf der Landesebene wird nicht über Russland oder die NATO entschieden. Hier geht es um pragmatische und landespolitische Entscheidungen. Das müssen die Spitzenkandidaten dann am Ende des Wahlkampfes mit ihren Landesparteien entscheiden.
Merz: "Was, wenn die AfD einmal, im schlimmsten Fall dreimal gewinnt?"
TAG24: In Ihrem Sommerinterview sagten Sie, die Kanzlerfrage werde mit Blick auf die Landtagswahlen entschieden …
Merz: Entschieden wird die Frage mit Blick auf die Gesamtlage und auf unsere besten Aussichten für die Wahl 2025. An diese Vereinbarung halten wir uns.
TAG24: Was, wenn die AfD einmal, im schlimmsten Fall dreimal gewinnt?
Merz: Wir haben in allen drei Ländern die Chance, stärkste Kraft zu werden und genau dafür kämpfen wir. Alle "was wäre, wenn?"-Fragen spielen für uns heute keine Rolle. Die AfD redet unser Land schlecht, wir sagen stattdessen, was wir anders und besser machen wollen.
Friedrich Merz: Müssen Technologien offen begegnen!
TAG24: Sie sprechen oft davon, nicht mehr aus-, sondern wieder in Dinge einsteigen zu wollen. Wo steigen wir denn mit Kanzler Merz als Erstes ein?
Merz: Zunächst einmal steigen wir ein in ein anderes Mindset, in ein anderes Denken. Wir müssen offener für Veränderungen werden – zum Guten! Wir müssen neuen Technologien offen begegnen.
Ein Beispiel: Das Aus für Autos mit Verbrennermotor ist vom Tisch – richtig so! Das war ein Ausstieg am falschen Objekt. Ja, wir wollen CO₂-neutral werden, wir wollen CO₂-neutrale Autos haben, aber die müssen nicht zwingend elektrisch fahren. Es gibt zum Beispiel auch moderne klimaschonende Kraftstoffe.
TAG24: Tritt man jetzt vom Verbrenner-Aus zurück, weil man merkt, dass Deutschland das Rennen um E-Autos verliert?
Merz: Nein. Das war einfach eine einseitige Festlegung auf eine Technologie. Eine solche Festlegung sollte die Politik nie treffen. Wir sind nicht diejenigen, die besser wissen, was technologisch möglich ist. Wir müssen Ziele vorgeben. Aber wie wir die Ziele erreichen, welche Wege wir beschreiten, das ist nicht unsere Aufgabe zu entscheiden.
CDU-Chef im Interview: "Das ist nicht unser Weg"
TAG24: Woher kommt die Kultur des Vorschreibens in Deutschland?
Merz: Fragen Sie nicht mich, das ist nicht meine Kultur. Und es ist auch nicht meine Überzeugung. Es ist eine gewisse Haltung, die man insbesondere bei den Grünen, aber auch bei großen Teilen der Sozialdemokraten findet.
Die Ampel maßt sich an, den Menschen und den Unternehmen alles und jedes bis ins Kleinste hinein vorzuschreiben. Das ist nicht unser Weg.
TAG24: Viele Teile der (ländlichen) Gesellschaft hat ein Mindset der Frustration, fühlt sich abgehängt von der sich immer schneller entwickelnden Welt. Ein umzudrehendes "Mindset" ist ja auch eine Vorgabe. Wie soll das klappen?
Merz: Indem man zum Beispiel den Menschen auch einmal sagt: Die Probleme unserer Zeit sind lösbar! Indem man der jungen Generation sagt, dass es sich lohnt, in unserem Land zu leben, zu arbeiten und auch für eine gute Zukunft zu kämpfen. Ich vermisse bei uns Deutschen manchmal die Bereitschaft zu einem gewissen Grundoptimismus.
Merz: Nicht immer gleich an die Apokalypse denken!
TAG24: In einem Interview sagten Sie: "Die Welt wird morgen nicht untergehen." Fängt Problemlösung nicht da an, Probleme zu erkennen und zu benennen?
Merz: Klar! Aber deswegen muss man das Ganze doch nicht gleich mit der Apokalypse verbinden. Die Welt wird morgen nicht untergehen und übermorgen auch nicht!
Ich halte es mit dem Philosophen Karl Popper, der mal gesagt hat: "Optimismus ist Pflicht." Wenn ich nicht Optimist und zuversichtlich wäre, dann würde ich keine Politik mehr machen, sondern allenfalls noch den eigenen Untergang vorbereiten.
TAG24: Sind Optimismus und die Erkenntnis, dass das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr erreichbar ist und das massivste Auswirkungen auf unser Leben hat, nicht zwei Paar Schuhe?
Merz: Ja, sicher. Aber wird deswegen die Welt untergehen?
TAG24: Das nicht! Aber die für uns bewohnbare Welt ...
Merz: ... wird schwieriger! Aber die geht nicht unter. Diese Welt wird fortbestehen, und wir werden auf dieser Welt versuchen, aus den Umständen das Beste zu machen. Das ist Optimismus. Wir als CDU möchten eine positive Zukunftsvision anbieten, auch beim Thema Klimaschutz.
TAG24: Was sagen Sie Menschen, die meinen, in diese Welt möchte ich kein Kind mehr setzen?
Merz: Das höre ich leider auch häufig. Gott sei Dank haben meine Eltern darüber anders gedacht - sonst säße ich nicht hier! -, und meine Kinder denken darüber auch anders. Deshalb die Gegenfrage: Was hätten denn unsere Großeltern während des Zweiten Weltkrieges sagen sollen? Ich finde diese Haltung unfair, auch den früheren Generationen gegenüber, und sie ist in jedem Fall zu kurz gedacht.
Titelfoto: Kristin Schmidt