Claudia Roth eröffnet Journalismus-Haus auf Friedhof: Plötzlich knallt es laut
Berlin - Schreckmoment am Unglückstag: Mit einer feierlichen Rede hat Medienstaatsministerin Claudia Roth (69, Grüne) ein neues Begegnungs- und Arbeitszentrum für Journalisten in Berlin-Neukölln eröffnet.
Die Aufgabe: Medienvielfalt fördern, den krisengebeutelten Journalismus retten, die Nachrichtenwüste bewässern. Dass sich ausgerechnet am Freitag, den 13. die Pforten öffneten, ist hoffentlich kein schlechtes Omen. Später machte es aber kurz Rumms.
Publix nennt sich das von der Schöpflin Stiftung in Lörrach (Baden-Württemberg) finanzierte "erste Haus für Journalismus und Öffentlichkeit in Deutschland", so Intendantin Maria Exner (40).
Rund 350 Arbeitsplätzen bietet der Neubau mit offenem Campus-Charakter in der Hermannstraße 90 auf dem Grundstück eines evangelischen Friedhofs.
Im hinteren Bereich des Geländes befanden sich die Baracken für Zwangsarbeiter während des Zweiten Weltkriegs. Auf der Straßenseite gegenüber der Hausnummer 90 reihen sich ein Handyshop, Späti, Sportwetten-Café, Döner-Bude, Goldankauf und Waschsalon aneinander.
Zu den ersten Mietern gehören unter anderem Reporter ohne Grenzen, Correctiv und das Netzwerk Recherche. Es war auch David Schraven (54), Gründer des Recherche-Büros "Correctiv", der im Oktober 2016 nach zwei Jahren an Unternehmer und Stifter Hans Schöpflin mit der Idee eines "Hauses für gemeinnützigen Journalismus" herantrat.
Ziel sei es, ein "Biotop ergänzender Energien und Talenten zu schaffen", erklärte Schöpflin in einer Rede und sagte an anderer Stelle: "Man muss leider sagen, dass wir in Deutschland Trump beinahe links wiederholen." Aufgabe aller Stiftungen sei es, "nicht schlapp zu machen, sondern Flagge zu zeigen".
Claudia Roth: "Freie, unabhängige Presse ist der Sauerstoff der Demokratie"
Noch scherzte er, dass die Eröffnung heute ausgerechnet Freitag, den 13. sei. Kurze Zeit später ging ein lauter Knall durch Mark und Bein, der Saal zuckte zusammen, geriet in Aufruhr. Was war passiert? Ein Anschlag?
Exner konnte Entwarnung geben: "Unsere Eingangstür fiel ab." Und die gebürtige Dresdnerin und früher Chefredakteurin des "ZEITmagazin" richtete sich kurz an den Stifter: "Herr Schöpflin, vielleicht haben sie recht, wir hätten nicht am Freitag, den 13. aufmachen sollen."
In ihrer feierlichen Rede sagte Roth: "Die Lage für Reporter verschlechtert sich Jahr für Jahr." Populistische Hetze und Drohungen gegen Journalisten nähmen zu, manche neigten aus Angst sogar zu Selbstzensur. Daher sei es wichtig, dass es einen Ort wie Publix für journalistische Vielfalt gebe.
"Freie, unabhängige Presse ist der Sauerstoff der Demokratie". Darüber hinaus hob die Grünen-Politikerin hervor: "Es versteht sich von selbst, dass es hier nicht um die Förderung bestimmter journalistischer Inhalte einzelner Medien und Medienschaffenden geht. Das verbietet das Gebot der Staatsferne."
Publix in Neukölln: Kantine und großer Garten für alle
Die Arbeitsstätte mit Coworking-Spaces, Konferenz- und Veranstaltungsräumen, Ton- und Videostudios für Journalisten unterschiedlicher Medienmarken versteht sich als "Innovationszentrum zur Stärkung von Medienvielfalt und Demokratie".
Exner betonte, man wolle keine Konkurrenz zu klassischen Medienhäusern sein.
Die Kantine und der große Garten können auch Anwohner nutzen. Dazu kommt, dass ein Lehrer, eine Sozialarbeiterin und eine freischaffende Künstlerin aus der Nachbarschaft nach ihren Wünschen von journalistischer Arbeit befragt wurden.
"Jeder soll hier freien Zugang haben, nur die Damokles-Schwerter lassen wir draußen", verkündete die Staatsministerin für Kultur und Medien abschließend.
Titelfoto: Denis Zielke/TAG24