Stippvisite in Sachsen: "Minischder" Özdemir spürt Kraft des ländlichen Raumes nach
Leipzig/Thallwitz - Wie gehen nachhaltige Landwirtschaft und ökologische Wasserwirtschaft zusammen? Eine Stippvisite von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (56, Grüne) im Leipziger Umland. Dort findet der gebürtige Schwabe nach eigener Aussage "beschde Ausgangsbeddingungen" vor.
Die Jahreszahl "1696" steht über dem Portal am imposanten Hauptgebäude des Hofguts Röcknitz, rund 35 Kilometer nordöstlich von Leipzig. Drinnen geht's um die Zukunft.
Özdemir will die "Kraft der ländlichen Räume" ausloten. Und er bekommt die volle Breitseite, sodass er hinterher humorvoll und mit einem Lächeln von einer "Druckbetankung" an Informationen sprechen wird.
Eines der vielen Projekte, die sich an diesem Vormittag vorstellen, ist das Renaturierungsprojekt Tauchnitzgraben, das aktuell vorbereitet und frühestens Ende nächsten Jahres umgesetzt wird.
"In der Regel", sagt der Agraringenieur und Projektleiter Frank Wagener (56), "bedeutet Renaturierung Verlust an landwirtschaftlicher Fläche."
Auf den 1,8 Kilometern des (noch) verrohrten Tauchnitzgrabens wären das 9,8 Hektar. Durch den Anbau von Pappeln - das Holz wird später zu Holzhackschnitzeln - entlang des neu entstehenden Ufers reduziert sich der Verlust auf 2,4 Hektar.
Das Projekt ist auch für die Einhaltung der EU-Wasserrahmenrichtlinie wichtig, sagt der Lossaer Bürgermeister Uwe Weigelt (59, SPD). "Ansonsten müsste allein Sachsen ab 2027 täglich 900.000 Euro Strafe an die EU zahlen."
Technische Finesse: "Farmdroid" sät und jätet automatisch
Wie Stadt und Land Hand in Hand arbeiten, erläutert die Geschäftsführerin der Leipziger Wasserwerke, Kerstin Schultheiß (55).
Nicht nur, dass die Umlandgemeinden prozentual am Unternehmen beteiligt sind, viele CO2-Ausgleichsmaßnahmen für Projekte in Leipzig werden im Wurzener Land realisiert. "Das ist besser, als CO2-Zertifikate zu kaufen", so Schultheiß.
Und dann ist da noch das Wassergut Canitz, eine hundertprozentige Tochter der Wasserwerke. Es wirtschaftet auf einem Areal größer als 1000 Fußballplätze rein ökologisch, seit diesem Jahr sogar mit einem "Farmdroid", der mit Solarpaneelen ausgestattet automatisch sät und hackt.
Auch das spart CO2. "Mein Lieblingslandwirtschaftsgerät", sagt Schultheiß über den Roboter.
Özdemir tut nicht so, er ist beeindruckt. "Das Wurzener Land hat in der Vergangenheit andere Schlagzeilen gemacht", sagt er und erinnert an das alte Problem mit dem Rechtsextremismus.
Jetzt bescheinigt der gebürtige Schwabe dem Landstrich "beschde Ausgangsbeddingungen".
Titelfoto: Bildmontage: Susann Friedrich