Nach Corona-Talk: Palmer kritisiert Nguyen-Kim und stellt sich vor Liefers
Tübingen - Die #allesdichtmachen-Aktion war jüngst auch Thema bei ZDF-Talkerin Maybrit Illner (56). Mit dabei neben Schauspieler Jan-Josef Liefers (56) waren etwa auch die Moderatorin Mai Thi Nguyen-Kim (33) sowie Tübingens OB Boris Palmer (48, Grüne). Der übte nun Kritik an Nguyen-Kim.
Die Illner-Sendung trug den Titel "Freiheit, Solidarität, Widerspruch - spaltet Corona das Land?".
Deutschlands wohl bekanntester Rathaus-Chef schrieb nach der Sendung seine Gedanken auf Facebook nieder.
Es ging vor allem um Äußerungen Nguyen-Kims, die seit Jahren für öffentlich-rechtliche Funk-Formate tätig ist ("Auf Klo", "MaiLab").
"Allesdichtmachen" sei destruktiv und spalte die Gesellschaft, sagte Nguyen-Kim, wie Palmer schrieb. "Diese These setzt Einigkeit voraus, die erst durch das Auftreten des Kritikers zerstört wird."
Das sei in den Augen des Grünen-Politikers ein grundlegender Irrtum, denn die Gesellschaft sei in der Frage der Grundrechtseinschränkungen zur Pandemie-Bekämpfung alles andere als einig.
Böhmermann und das "Erdogan-Ziegenficker-Gedicht"
"Liefers und Co. haben also nicht gespalten, sondern lediglich einen Nerv getroffen", attestiert der 48-Jährige. Und weiter: "Der Vorwurf der Spaltung wird eben meist benutzt, um unerwünschte Kritik auszublenden oder zu diskreditieren. Das erspart die Auseinandersetzung in der Sache."
Jan Josef Liefers habe nur einen Scheinkonsens zerstört und werde gerade deswegen um so heftiger angegriffen.
"Was konstruktiv oder destruktiv ist, was spaltet oder nicht, das hängt offenbar sehr vom eigenen Standpunkt ab", moniert Palmer.
Und er fragt: "Hat man je gehört, Jan Böhmermann spalte die Gesellschaft mit Ziegenfickergedichten? Warum sollte dafür die Kunstfreiheit gelten, aber nicht für ein Video, in dem wie bei Liefers eine hegemoniale Lockdown-Befürwortungshaltung der Medienlandschaft ironisch aufs Korn genommen wird?"
Ob Erdogan ein "Ziegenficker" sei oder die Medien einseitig informierten, sei dabei für den Grünen-Politiker völlig egal: "Kunst- und Meinungsfreiheit sind garantiert und werden nicht durch ein Bedürfnis nach Widerspruchsfreiheit, Meinungsführerschaft oder einen Scheinkonsens begrenzt."
In der offenen Gesellschaft dürfe man den Bürgern die eigene Urteilskraft nicht absprechen. "Ob man Liefers‘ Kritik zustimmt oder nicht, ob man die Form der Intervention gut findet oder nicht, ob man den Lockdown für angemessen oder unverhältnismäßig hält, all das können die Menschen selbst beurteilen. Sie müssen nicht vor irritierenden Gedanken geschützt werden."
Wer gute Argumente habe, könne auf deren Kraft vertrauen und Widerspruch entkräften. "Nur wer schwache Argumente hat, ist darauf angewiesen, dass diese nicht von Prominenten in Frage gestellt, von Satire ins Lächerliche gezogen oder als umstritten sichtbar werden."
Ein echter Liberaler und Demokrat werde daher niemals behaupten, Kritik sei spaltend. Im Gegenteil: "Streit schweißt die Demokratie zusammen. Oder wie Helmut Schmidt es sagte: 'Eine Demokratie ohne Streit ist keine.'"
Titelfoto: Montage: Henning Kaiser/dpa, Marijan Murat/dpa