"Kanaken" rassistisch, "Kartoffeln" okay? Boris Palmer spricht über Rassismus

Tübingen/Stuttgart - Nach den Ausschreitungen zahlreicher Jugendlicher mit Migrationshintergrund (TAG24 berichtete) geriet ein Polizist in die Schlagzeilen. Er hatte in einer Tonaufnahme über die Randalierer gesagt: "Nur Kanaken". Nun hat sich Boris Palmer (48, Grüne) des Themas angenommen.

Stuttgart in der Nacht auf den 21. Juni. Über die Randalierer sagte ein Polizist: "Nur Kanaken".
Stuttgart in der Nacht auf den 21. Juni. Über die Randalierer sagte ein Polizist: "Nur Kanaken".  © 7aktuell.de/Simon Adomat

Rückblick: In der Nacht vom 20. auf den 21. Juni randalierten Hunderte in der Stuttgarter Innenstadt, demolierten Scheiben, plünderten Geschäfte und griffen die Polizei an. 

Dabei brüllten sie etwa "Allahu Akbar" oder beschimpften die Ordnungshüter als "Hurensöhne".

Ein Beamter erlebte die Krawalle in Stuttgart mit, schilderte in der Nacht: "Das sind Krawalle wie in Amerika." 

Signale der Annäherung: Rückkehr von Boris Palmer zu den Grünen?
Boris Palmer Signale der Annäherung: Rückkehr von Boris Palmer zu den Grünen?

Der Mann appellierte: "Leute, bleibt bloß daheim." Und an anderer Stelle: "Das ist Krieg. Wir befinden uns gerade heute Nacht wirklich im Krieg."

Als er darüber sprach, wer den Einsatzkräften gegenüberstehe, sagte er: "Nur Kanaken." Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln seitdem, ob "ein strafrechtliches Vergehen vorliegt und entsprechend diszipliniert werden muss", so ein Sprecher (TAG24 berichtete).

Nun hat sich Boris Palmer auf seiner Facebook-Seite zu Wort gemeldet. "Es gibt ohne Zweifel Rassismus in der Polizei", schreibt er dort am Samstag. "Es gibt auch Racial Profiling. Die Frage ist nur, in welchem Ausmaß."

Dann kommt er auf den Fall des Stuttgarter Polizisten zu sprechen. "In der Krawallnacht von Stuttgart hat ein Polizist vermutlich auf WhatsApp ziemlich differenziert und zutreffend beschrieben, was sich dort nach Mitternacht zugetragen hat."

"Boris Palmer, Du scheiß Kartoffel!"

Boris Palmer wurde selbst schon als "scheiß Kartoffel" beschimpft. Rassismus?
Boris Palmer wurde selbst schon als "scheiß Kartoffel" beschimpft. Rassismus?  © Silas Stein/dpa

Der Beamte klinge konsterniert, frustriert, keinesfalls extremistisch. "Aber er beschreibt die Täter mit 'alles Kanaken'. Eindeutig ein Rassist?"

Dann geht Deutschlands wohl bekanntestes Stadtoberhaupt auf die Randalierer jener Nacht ein: 

"Wie wir heute wissen, ist ein großer Teil der Tatverdächtigen als Asylbewerber ins Land gekommen oder hat im Ausland geborene Eltern. Auf den Fotos und Videos sieht man vor allem Personen, die heute People of Color genannt werden."

Rückkehr zu den Grünen? Palmer sucht Gespräch mit Kretschmann
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Der Polizist habe also einen abfälligen, nicht passenden Begriff benutzt, aber sachlich korrekt beobachtet und beschrieben, so Palmer.

Sodann fragt er seine Leser: "Wenn der Begriff alleine schon ausreicht für eine Verurteilung, wie ist es dann zu bewerten, dass unter migrantischen Jugendlichen der Begriff 'Kartoffeln' für weiße Deutsche verbreitet ist?" Der Grünen-Politiker werde seit vielen Jahren damit beschimpft, es gebe Aufkleber, die in der Stadt verteilt wurden.

Zum Beweis hat er dem Posting das Foto eines Stickers beigefügt. Darauf zu lesen: "Boris Palmer, Du scheiß Kartoffel! Gegen Deutsche und ihr Mimimi."

Der 48-Jährige fragt: "Ist 'Kanake' rassistisch und 'Kartoffel' voll ok?"

Er fordert: "Statt uns gegenseitig zu beschimpfen, sollten wir lieber die Probleme beider Seiten ernst nehmen. Viele People of Color berichten von häufigen Kontrollen durch die Polizei und diskriminierenden Erfahrungen. Das darf man nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen. Das ist ein schwer wiegendes Problem."

Auf der anderen Seite berichteten Polizisten "aber auch davon, dass People of Color sich Kontrollen zu entziehen versuchen, indem sie grundlos Rassismusvorwürfe erfänden und Polizisten beleidigen und attackieren. Das ist ebenfalls ein schwer wiegendes Problem."

Palmer will Studie zu Rassismus bei Polizei und "Kartoffelrassismus"

In der öffentlichen Debatte werde meistens nur eines dieser beiden Probleme gesehen. "Die einen sehen nur Rassismus bei der Polizei. Die anderen nur Straftäter bei den Migranten."

Die Fähigkeit, sich in die Position der jeweils anderen zu versetzen, scheine völlig verloren zu gehen. Das wäre in Palmers Augen aber nötig: "Denn die Probleme bedingen sich gegenseitig. Rassismus verstärkt Gegenwehr bei People of Color und Ohnmachtserfahrungen der Polizei gegenüber Respektverlust bei Migranten verstärken Rassismus."

Daher wäre es jetzt richtig, beide Phänomene in einer Studie zu untersuchen. "Wieviel Rassismus gibt es in der Polizei und wieviel 'Kartoffelrassismus' müssen die Polizisten ertragen?", will Palmer wissen. 

Nur das gesamte Bild helfe seiner Meinung nach bei der Lösung der Probleme.

Titelfoto: Montage: 7aktuell.de/Simon Adomat, Silas Stein/dpa

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