Angela Merkel veröffentlicht Memoiren: Kein Platz für Fehler, Irrtümer und Reue

Berlin - Angela Merkel (70, CDU) stellte ihre Memoiren, die sie zusammen mit ihrer langjährigen Büroleiterin und Vertrauten Beate Baumann unter dem Titel "Freiheit. Erinnerungen 1954 - 2021" geschrieben hat, am heutigen Dienstagabend im Deutschen Theater in Berlin vor. Das Buch liest sich wie ein Vermächtnis. Doch es birgt auch Zündstoff.

Ex-Kanzlerin Angela Merkel (70, CDU) präsentiert ihre Erinnerungen.
Ex-Kanzlerin Angela Merkel (70, CDU) präsentiert ihre Erinnerungen.  © Michael Kappeler/dpa-pool/dpa

Anders als zu ihrer 16 Jahre langen Amtszeit lässt Merkel an einigen Stellen des Buches Blicke hinter die Kulissen der Politik zu. Große Überraschungen sind nicht zu finden, ebenso wenig wie Eingeständnisse gravierender Fehler in Bereichen, in denen ihr viel Kritik entgegengeschlagen ist.

Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte Merkel, sie halte keine ihrer Entscheidungen in den verschiedenen Krisen während ihrer Amtszeit für einen klaren Fehler.

In ihrem Buch warnte Merkel: "Die übergroße Mehrheit der Menschen hat ein untrügliches Gespür dafür, ob Politiker aus reinem Kalkül handeln, ob sie sich sogar von der AfD gleichsam am Nasenring durch die Manege führen lassen oder ob sie handeln, weil sie aufrichtig daran interessiert sind, Probleme zu lösen."

"Freiheit": Angela Merkel gibt Erinnerungen ihres Lebens in einem Buch preis
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Der Altbundeskanzlerin wird vorgehalten, die AfD durch ihre Migrationspolitik erst groß gemacht zu haben.

Angela Merkel und ihre drei berühmten Worte "Wir schaffen das"

Angela Merkel schreibt in ihrem Buch auch über die Flüchtlingskrise.
Angela Merkel schreibt in ihrem Buch auch über die Flüchtlingskrise.  © Michael Kappeler/dpa

Ein Satz und ein Foto werden für immer mit Merkels Flüchtlingspolitik verbunden sein. Bei ihrer Sommerpressekonferenz im August 2015 betonte sie mit Blick auf die anschwellenden Flüchtlingszahlen, Deutschland sei ein starkes Land.

"Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das!" Über die Wirkung dieses Satzes staunt die CDU-Politikerin bis heute.

"Hätte mir damals jemand gesagt, dass 'Wir schaffen das', diese drei banalen Worte, mir später wochenlang, monatelang, jahrelang, von einigen bis heute vorgehalten würden, hätte ich ungläubig geguckt und gefragt: Wie bitte?"

Merkel schaltet sich in Ampel-Zoff ein und kritisiert "Männer!"
Angela Merkel Merkel schaltet sich in Ampel-Zoff ein und kritisiert "Männer!"

Auch die Wirkung eines Selfies mit einem syrischen Flüchtling sah Merkel nicht voraus. "Ich hatte in dem Moment nicht die geringste Vorstellung davon, welche Wellen dieses Bild und weitere Selfies schlagen würden, die ich an dem Tag zuließ, sondern dachte: Warum nicht?"

Merkels Bilanz zur Flüchtlingspolitik enthält eine Mahnung: Europa müsse seine Außengrenzen schützen. "Zugleich jedoch sollten Deutschland und Europa nie in Versuchung geraten anzunehmen, sie könnten sich mit noch so drastischen Maßnahmen unattraktiv für Menschen aus anderen Regionen unserer Erde machen. Das wird nicht gelingen."

Angela Merkel äußert sich zur Corona-Pandemie

Die frühere CDU-Chefin legt ihre gut 700 Seiten lange Autobiografie knapp drei Jahre nach dem Ausscheiden aus der Politik vor.
Die frühere CDU-Chefin legt ihre gut 700 Seiten lange Autobiografie knapp drei Jahre nach dem Ausscheiden aus der Politik vor.  © Michael Kappeler/dpa-pool/dpa

Merkel rechtfertigt ihren Kurs mit staatlichen Kontaktbeschränkungen und Alltagsauflagen.

"Die Alternative wäre gewesen, alle Menschen in kurzer Zeit der von dem Virus verursachten Erkrankung auszusetzen und dabei zuzusehen, wie unser Gesundheitssystem kollabierte. Dabei hätten wir den Tod vieler, besonders der Alten und Vorerkrankten, riskiert, wenn nicht billigend in Kauf genommen."

Schwer erträglich habe sie es gefunden, wenn es bei Toten "scheinbar beruhigend" hieß, dass ein Mensch nicht an Corona gestorben sei, sondern mit Corona. "Es hätte noch gefehlt, dass man 'nur' voranstellte, nach dem Motto: Der Mensch war so alt oder so vorerkrankt, der wäre sowieso bald gestorben, ob mit oder ohne Corona."

Titelfoto: Michael Kappeler/dpa

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