Sonja Jacobsen im TAG24-Interview: "Eine Liberale war ich schon immer"
Hamburg - Die Journalistin Sonja Jacobsen (51) wurde am Sonnabend zur neuen Landesvorsitzenden der FDP Hamburg gewählt. Erst vor wenigen Jahren trat die Mutter von zwei Kindern in die Partei ein, führte vor der Wahl den FDP-Kreisverband in Bergedorf. Im Interview mit TAG24 sprach die 51-Jährige über ihre Definition liberaler Politik für Hamburg.
TAG24: Frau Jacobsen, 2017 sind Sie in die FDP. Am Samstag, 1. April, sind Sie zur neuen Landesvorsitzenden in Hamburg gewählt worden. Was treibt sie an - und was in die FDP?
Sonja Jacobsen: Eine Liberale war ich schon immer, auch wenn ich erst seit wenigen Jahren im organisierten Liberalismus aktiv bin. Das hat vielleicht auch ein bisschen was mit dem Wesen des Liberalismus zu tun, dass eine feste Organisation eigentlich schon eine Einschränkung der persönlichen Freiheit darstellt. Nachdem ich der Partei beigetreten bin, hat das eine Eigendynamik entfaltet, der ich mich nicht entziehen konnte. Ich bin ein Sekt- oder Selters-Typ, ich mache Sachen gar nicht - oder richtig.
TAG24: Sie haben gerade gesagt, dass es eigentlich dem liberalen Wesen widersprechen würde, sich in Strukturen zu binden. Gerade in den letzten Jahren ist nicht nur ein erhöhter Politikverdruss in der Bevölkerung festzustellen, sondern auch eine offenbare Unzufriedenheit mit dem Parteiensystem. Damit einhergehend ist ein verstärktes außerparteiliches politisches Engagement zu beobachten, in dessen Rahmen Bürger für Bürger Politik machen. Sie gingen trotzdem in die Partei, warum?
Sonja Jacobsen: Senat passt sich in vorauseilendem Gehorsam Bürgerinitiativen an
Jacobsen: Ich glaube ganz fest an die parlamentarische Demokratie. Was wir zurzeit in Hamburg sehen, das ist ein rot-grüner Senat, der ganz viele Initiativen aus dem eher linken Spektrum vorauseilend in Regierungshandeln umsetzt. Ich nenne hier nur die Initiative "Keine Profite mit Boden und Miete" als Beispiel.
Und die CDU hängt sich an die Volksinitiative gegen das Gendern, hängt sich an die Initiative gegen Oberbillwerder - mein Verständnis von Politik ist das nicht. Ich glaube, dass wir als Gesellschaft ein Problem bekommen werden, wenn wir uns ausschließlich in Interessengruppen vertreten. Und deswegen glaube ich, an die repräsentative Demokratie. Dafür kämpfe ich. Und deswegen stand es für mich nicht zur Wahl, in eine Bürgerinitiative einzutreten.
TAG24: Ist die hier und in vorherigen Interviews geäußerte Kritik an der CDU schon eine Absage an eine mögliche Koalition nach der Bürgerschaftswahl 2025?
Jacobsen: Ich glaube, um erfolgreich zu sein ist es wichtig unsere Eigenständigkeit zu betonen und unser liberales Profil zu stärken. Dafür müssen wir uns von allen Mitbewerbern abgrenzen, auch von der CDU.
TAG24: Wie tun Sie das?
Jacobsen: Indem wir konkrete Lösungen anbieten. Natürlich gehört dieser klassische Dreiklang der Opposition "Zu spät, zu wenig, zu teuer" dazu. Kritik am Regierungshandeln muss man auch üben. Zu den Aufgaben der Opposition gehört für mich allerdings auch, alternatives Regierungshandeln vorzuschlagen. Das ist der Weg, den ich für sinnvoller halte.
TAG24: Wie sieht der Weg für die FDP Hamburg mit der neuen Landesvorsitzenden Sonja Jacobsen aus? Sie gelten als Vertraute von Michael Kruse (39), bedeutet das, wer Sonja Jacobsen gewählt hat wählt, bekommt ein "Weiter so"?
Jacobsen: Ich muss immer so ein wenig schmunzeln, wenn ich über die angeblichen Lager in der Partei lese. Ich bin damals nicht auf dem Ticket von Michael Kruse in den Vorstand gekommen. Dennoch ist Loyalität ein wichtiges Gut für mich. Was mit Sonja Jacobsen anders wird? Ich finde es immer schwer, mich selbst zu bewerten, weil ich mich dafür auch mit anderen vergleichen muss. Ich glaube aber, meine Stärke ist die Kommunikation. Mit mir kann jeder reden, mich kann jeder anrufen. Ich versuche, so gut es eben geht, auf möglichst viele Parteiveranstaltungen zu gehen, um mit den Leuten in Kontakt zu bleiben. Ich bin davon überzeugt, dass die menschliche Ebene die Grundlage für den Erfolg ist.
TAG24: Großstädte gelten im Allgemeinen als liberal, konservative Parteien haben es dort eher schwer. Die besten Ergebnisse, vor allem kontinuierlich gute Resultate, hat die FDP in Hamburg zwischen Ende der 1950er Jahre und Mitte der 1970er Jahre erzielt, darunter unter anderem das Rekordergebnis von 10,9 Prozent. Aktuell ist die FDP nicht einmal als Fraktion in der Bürgerschaft vertreten. Wieso tut sich die FDP in Hamburg so schwer, obwohl sie ja eine liberale Partei ist?
Jacobsen: In Hamburg haben wir es mit einer relativ liberalen SPD zu tun. Durch das Erstarken der Grünen, die ja in Teilen auch ein liberales Publikum ansprechen, haben wir eine sehr starke Polarisierung. Diese Polarisierung beobachte ich zwischen einem linken rot-grünen Senat auf der einen Seite und den Bürgern, die sich davon ausgesprochen bevormundet fühlen und das nicht möchten, dann in eine Art Widerstandshaltung gehen und aus der Heraus dann lieber direkt die CDU wählen, als die FDP.
Aber auch die FDP-Positionen, die ja oft eine "Sowohl-als-auch"-Position darstellen, spielen damit rein. Solche Positionen sind generell schwieriger zu kommunizieren.
Ich bin aber davon überzeugt, dass die FDP wiederkommen wird. Wir sind schon so oft totgesagt worden und wir sind immer noch da.
Lesen Sie hier den zweiten Teil des TAG24-Interviews mit Sonja Jacobsen: "Im Zentrum liberaler Politik steht immer der Mensch."
Titelfoto: Markus Scholz/dpa