CDU-Mann fordert: "Müssen bezahlbare Stromversorgung sicherstellen, entgegen jeder Ideologie"

Dresden/Berlin - Sepp Müller (33) ist einer der führenden Köpfe der Union im Deutschen Bundestag. Im Interview mit TAG24 machte der "Grüne bei den Schwarzen" jetzt sehr deutlich, was er von der aktuellen Debatte um die verbliebenen deutschen Atomkraftwerke hält.

Der Wittenberger Sepp Müller (33) ist Fraktionsvize von CDU/CSU im Deutschen Bundestag.
Der Wittenberger Sepp Müller (33) ist Fraktionsvize von CDU/CSU im Deutschen Bundestag.  © Kay Nietfeld/dpa

TAG24: Herr Müller, Sie bezeichnen sich selbst als den "Grünen bei den Schwarzen". Was meinen Sie damit?

Sepp Müller: So was wird mir nachgesagt! (schmunzelt) Wahrscheinlich, weil ich unter anderem mit dem Bus oder mit der Bahn anreise, oft mit dem Fahrrad unterwegs bin, Bäume pflanze und offen für erneuerbare Energien bin. Und da meint der ein oder andere, es sei ja gar kein CDU-Thema.

TAG24: Ist es aber doch?

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Müller: Die Bewahrung der Schöpfung ist ureigenes Unionsthema und wenn wir die Kipppunkte erreichen sollten, dann wird es für unsere Generation und die Nachfolgende sehr viel düsterer aussehen.

Wir verdursten hier und in anderen Teilen der Welt stehen gerade 30 Millionen Menschen im Wasser, weil so viel Regen gefallen ist. Wer mir erklären will, es gebe keinen Klimawandel, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Vielleicht bin ich der grünste Schwarze, ja, aber stets schwarz im Herzen.

TAG24: Hat die Union aber nicht das Umweltthema zu lange links liegen lassen?

Müller: Wir hatten die erste Umweltministerin mit Angela Merkel (68), die als Bundeskanzlerin die Pariser Klimaschutzziele unterschrieben hat. Sie sehen ja jetzt, in welchen Zwängen man in der Regierung ist.

Wer hätte vor einem dreiviertel Jahr gedacht, dass Robert Habeck (53) und Annalena Baerbock (41) im Kabinett zustimmen, dass Braun- und Steinkohlekraftwerke aus der Reserve zurückgeholt werden? Und in zwei Monaten stelle ich Ihnen die Frage, wer wohl gedacht hätte, dass die Atomkraftwerke weiterbetrieben werden.

"Wir müssen die bezahlbare Stromversorgung sicherstellen, entgegen jeder Ideologie"

Die Zukunft der verbliebenen deutschen AKWs wird aktuell hitzig diskutiert.
Die Zukunft der verbliebenen deutschen AKWs wird aktuell hitzig diskutiert.  © Armin Weigel/dpa

TAG24: Also wird's bei den AKWs auf Reserve nicht bleiben?

Müller: Sie sehen den jetzigen Wandel von Bündnis 90/Die Grünen, weil es erforderlich ist. Dass das AKW in Niedersachsen nicht weiterlaufen soll, ist der Landtagswahl in diesem Bundesland geschuldet.

Auch die Notreserve ist eine politische Fehlentscheidung, weil es technisch nicht funktioniert. Das haben die Betreiber bereits verdeutlicht. Deshalb ist ein Weiterlaufen der drei AKWs nötig. Wir müssen die bezahlbare Stromversorgung sicherstellen, entgegen jeder Ideologie.

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TAG24: Zurück zur Frage mit der Umweltthematik…

Müller: Sie sind in der Politik in Zwängen. Wir als Union haben viel auf den Weg gebracht, viel mehr noch als man uns zugetraut hat. Man kann immer mehr machen, das stimmt schon. Ich bin aber vor allem zufrieden mit dem, was wir geschafft haben. Wenn uns eine internationale Delegation in Berlin vor Corona besucht hat, war die Frage immer "Wie habt ihr das gemacht? Wie habt ihr den Weg bestritten?"

Bei Themen wie Preisstabilität vs. Soziale Verwerfungen, wenn zum Beispiel Windkraftanlagen nahe an der Bevölkerung gebaut werden. Man kann mehr machen, es gibt aber nun mal diese Zwänge und die Grünen sind innerhalb des halben Jahres in dieser Realität angekommen.

Müller: "Wir wissen, dass wir dem Klimawandel begegnen müssen"

Mit aller Macht stemmte sich Sachsen in diesem Sommer gegen Waldbrände in der Sächsischen Schweiz.
Mit aller Macht stemmte sich Sachsen in diesem Sommer gegen Waldbrände in der Sächsischen Schweiz.  © Robert Michael/dpa

TAG24: Sie sind mit gerade mal 24 Jahren Vater geworden. Hat es ihr Sohn mal besser als wir?

Müller: Ja.

TAG24: Warum?

Müller: Weil der Mensch immer danach strebt, dass es der nächsten Generation mal besser gehen wird. Ich sehe in der Mehrheit der Verantwortungsträger - Gewerkschaften, Politik, Journalisten - dass die danach streben, dass es besser wird.

Wenn ich beispielsweise in Städten wie Dresden unterwegs bin und Standorte wie Bosch hier sehe, dann weiß ich, dass es uns zukünftig besser gehen wird, weil die dazu beiträgt, dass es gut bezahlte Arbeitsplätze in Dresden gibt.

TAG24: Aber wenn man in Dresden nicht mehr leben kann, weil der Rauch der brennenden Sächsischen Schweiz die Atemluft vergiftet, dann ist das doch auch eine steile These…

Müller: Wir wissen, dass wir dem Klimawandel begegnen müssen. Ich hatte ja schon ausgeführt, was wir alles getan haben und ja, wir müssen noch mehr tun. Da geht es ans Eingemachte.

Planungsbeschleunigungen beim Verlegen von Hochspannungsleitungen beispielsweise. Weil da sind diejenigen, die sagen: "Wir brauchen erneuerbare Energien". Da sind aber auch diejenigen, die dann auf der Straße stehen und demonstrieren, dass aber bitte hier nicht die Hochspannungsleitung langgehen soll.

TAG24: Das Thema Klimawandel ist also endlich in der Breite der deutschen Politik angekommen?

Müller: Bis auf eine Partei ist es bei allen anderen angekommen, dass der Klimawandel die größte internationale Herausforderung unserer Zeit und damit unsere Aufgabe als Industrienation ist, die anderen davon zu überzeugen, den Wandel hin zu einer grünen, CO₂-freien Industrienation zu bringen. Dadurch dürfen wir uns aber nicht ins Knie schießen. Es bedarf einer ordentlichen Führung und einer ordentlichen Kommunikation, um die Spekulation aus dem Markt rauszunehmen und diese Transformation auf den Weg zu bringen.

Titelfoto: Fotomontage: Kay Nietfeld/dpa & Armin Weigel/dpa

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