Für Dresden in Berlin: So war Merle Spellerbergs erstes Jahr im Bundestag

Berlin - "So jung und schon im Bundestag" lautete im Frühjahr der Titel einer kleinen TAG24-Serie, in der wir Euch Politiker vorstellten, die es schon in jungen Jahren in Deutschlands höchstes Parlament geschafft haben. Inzwischen ist die Bundestagswahl ein Jahr her. Zeit, einmal nachzufragen, wie es unseren Jung-Politikern so ergangen ist, was sie überrascht und enttäuscht hat. Heute: Merle Spellerberg, 25 Jahre, Grünen-Abgeordnete aus dem Wahlkreis Dresden II – Bautzen II.

Mit 25 Jahren kann Merle Spellerberg (Grüne) schon auf ein Jahr Bundestag zurückblicken.
Mit 25 Jahren kann Merle Spellerberg (Grüne) schon auf ein Jahr Bundestag zurückblicken.  © Holm Helis

TAG24: Schon ein Jahr im Deutschen Bundestag, die Zeit ging ganz schön schnell um, oder?

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Merle Spellerberg: Absolut. Und doch ist gleichzeitig so unfassbar viel passiert, ich habe mein Team aufgebaut, mich in meine Berichterstattungen tiefer eingearbeitet und mich generell gut eingelebt.

TAG24: Welcher Moment der vergangenen 12 Monate ist Dir besonders in Erinnerung geblieben?

Spellerberg: Da brauche ich nicht lange überlegen. Das war eine Reise mit der Außenministerin Annalena Baerbock nach Mali und Niger. Während dieser Reise hat uns alle die Mandatsverlängerung der Bundeswehreinsätze in Mali beschäftigt.

Gleichzeitig konnte ich viele beeindruckende Frauen kennenlernen, die ihre Arbeit den Friedensprozessen oder den Frauenrechten gewidmet haben. Diese Treffen ermöglichten mir, mehr über die verschiedenen Perspektiven aus Malis zu erfahren. Außerdem ist so eine erste große Auslandsreise als Außenpolitikerin natürlich auch persönlich bereichernd.

TAG24: Was war bislang die größte Enttäuschung für Dich?

Spellerberg: Dass sich die 100 Milliarden Sondervermögen ausschließlich auf das Militär beziehen, anstatt auch Cybersicherheit, Zivil- und Katastrophenschutz miteinzubeziehen. Wie nötig das wäre, zeigen nicht nur die Angriffe auf die Nord-Stream-Pipelines, sondern beispielsweise auch die Waldbrände hier bei uns. Militär ist nur ein Teil unserer Sicherheit.

Grünen-Abgeordnete: "Die Zeit, die ich mir für meine Freund:innen und meine Familie nehme, schätze ich umso mehr"

Schon vor rund einem halben Jahr verabredeten sich TAG24-Reporter Erik Töpfer (22, M.) und Politikredakteur Paul Hoffmann (30) mit der damals frisch gewählten Spellerberg zu einem Gespräch.
Schon vor rund einem halben Jahr verabredeten sich TAG24-Reporter Erik Töpfer (22, M.) und Politikredakteur Paul Hoffmann (30) mit der damals frisch gewählten Spellerberg zu einem Gespräch.  © Holm Helis

TAG24: Wie hat die Zeit im Bundestag Dein Privatleben vereinbart?

Spellerberg: Wenn an einigen Tagen in der Sitzungswochen die Termine um 7 Uhr starten und bis nach Mitternacht gehen und noch Wochenendtermine dazukommen, bleibt wenig Zeit für Privatleben. Umso wichtiger ist es mir, bewusst Freiräume zu nehmen, auch um weiterhin gut arbeiten zu können. Die Zeit, die ich mir für meine Freund:innen und meine Familie nehme, schätze ich umso mehr.

TAG24: Gibt es die alten Freunde in der Heimat noch und sind im vergangenen Jahr neue Freundschaften dazugekommen? Kann man im Bundestag eigentlich Freundschaften schließen, auch zu Abgeordneten anderer Parteien?

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Spellerberg: Gerade mit der wenigen freien Zeit weiß ich meine langjährigen Freundschaften aus Schule und Studium sehr zu schätzen, gerade auch im Gegensatz zur Berliner Politikblase. Aber auch im Bundestag habe ich enge Verbündete finden können. Dafür bin ich sehr dankbar.

TAG24: Verbunden mit der Tätigkeit im Bundestag ist auch eine durchaus stattliche Bezahlung. Wie hat sich das Leben mit Blick aufs Monetäre verändert?

Spellerberg: Das stimmt, unsere Bezahlung ist gut. Sich um seine Finanzen nicht sorgen müssen, das ist ein großes Privileg. Für mich war es zum Beispiel verhältnismäßig einfach, eine Wohnung in Berlin zu finden, das wäre für mich ohne diese Bezahlung kaum möglich gewesen. Dennoch verliere ich die Perspektive der Menschen, die dieses Privileg nicht genießen können, nicht aus dem Blick, denn progressive Politik ist kein Selbstzweck.

Eine feministische Außenpolitik gehört zu den Kernthemen Spellerbergs

Neben Merle sitzt auch Kassem Taher Saleh (29) für die Dresdner Grünen seit einem Jahr im Deutschen Bundestag.
Neben Merle sitzt auch Kassem Taher Saleh (29) für die Dresdner Grünen seit einem Jahr im Deutschen Bundestag.  © Amac Grabe

TAG24: Erfährst Du viel Neid, was das Monetäre angeht?

Spellerberg: Bisher habe ich diesbezüglich noch keine schlechten Erfahrungen gemacht.

TAG24: Der Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Energiekrise machen einen normalen Parlamentsalltag nahezu unmöglich. Kannst Du Deine Projekte überhaupt noch anbringen oder gehen die alle unter?

Spellerberg: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die damit verbundene Energiekrise sind allgegenwärtig im Parlamentsalltag. Ich bin sehr froh, daneben auch viele meiner Projekte anbringen zu können, dazu gehört eine feministische Außenpolitik genauso wie die Nationale Sicherheitsstrategie oder Aspekte der Fürsorge für Soldat:innen.

Darüber hinaus bin ich sehr froh, mich im Kontext von Abrüstung und Rüstungskontrolle etwa bei der Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenvertrages im Sommer und nun der Unterzeichnung der Erklärung des Abkommens zu Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten einbringen zu können.

TAG24: Welches Thema würdest Du sofort angehen, wenn Du könntest?

Spellerberg: Mehr als eins! Über meine außenpolitischen Herzensanliegen hinaus sind das insbesondere Fragen von Gerechtigkeit und Demokratieförderung. So braucht es gerade mit Blick auf die Energiekrise endlich die Umsetzung der Übergewinnsteuer für Unternehmen, die ohne eigene Leistung gerade von der Krise profitieren. In Bezug auf den Strukturwandel ist es überfällig, alle gesellschaftlichen Gruppen ernsthaft mit in die politischen Prozesse einzubeziehen, gerade auch Frauen vor Ort und die Zivilgesellschaft. Hier machen die Gleichstellungsbeauftragten der Region schon jetzt richtig gute Arbeit, aber brauchen noch mehr politische Unterstützung. Darüber hinaus müssen wir unsere Demokratie endlich besser schützen, hier sind wir mit dem Demokratiefördergesetz auf einem guten Weg, aber gerade mit Blick auf rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten braucht es eine Kehrtwende unserer Sicherheitspolitik im Inneren.

TAG24: Ist Berlin für Dich ausschließlich ein Ort zum Arbeiten oder gibt es Plätze, an denen Du Dich inzwischen "zu Hause" fühlst?

Spellerberg: Ich bin sehr froh, mittlerweile auch in Berlin Orte zum Abschalten gefunden zu haben, um auch in Sitzungswochen mal innehalten zu können. Aber mein "richtiges" Zuhause bleibt auf jeden Fall weiterhin Dresden, alleine schon wegen der Elbe.

Was Merle Spellerberg im ersten Interview mit TAG24 gesagt hat, könnt Ihr noch einmal ganz entspannt hier nachlesen.

Titelfoto: Holm Helis

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