"Parteienstaat abschaffen": Aussage von AfD-Mann Fall für Verfassungsschutz
Potsdam - Der brandenburgische Verfassungsschutz hat sich wegen Äußerungen des AfD-Landtagsabgeordneten Lars Hünich (53) zum "Parteienstaat" eingeschaltet.
Hünich hatte am 18. Januar bei einer AfD-Veranstaltung in Falkensee im Havelland gesagt: "Wenn wir morgen Regierungsverantwortung haben, dann muss ein Großteil von den Leuten, die hier sind, wieder nach Hause. Wenn wir morgen in einer Regierungsverantwortung sind, dann müssen wir diesen Parteienstaat abschaffen."
Das ZDF hatte in einem "Länderspiegel"-Bericht am 27. Januar die Aussagen Hünichs ausgestrahlt.
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (64, CDU) und Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (65, SPD) verurteilten die Äußerung scharf.
Der Verfassungsschutz sprach von einem Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung. Die AfD wies den Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit zurück und sprach unter anderem von einer Hetzkampagne.
Verfassungsschutzchef Jörg Müller sagte im Innenausschuss am Mittwoch zunächst, wenn die Aussage Hünichs zutreffe, sei dies ein weiterer Baustein in der Sammlung zur Beobachtung der AfD als Verdachtsfall. Die AfD in Brandenburg wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft.
Michael Stübgen: AfD zeigt deutlich, dass sie Demokratie hasst
Brandenburgs Innenminister Stübgen sagte dann auf Anfrage am Donnerstag: "Mit dem Kampfbegriff 'Parteienstaat' wurde schon einmal die parlamentarische Demokratie abgeschafft. Das war 1933 und danach folgte eine Diktatur des Schreckens." Die AfD zeige ganz deutlich, dass sie Demokratie hasse.
Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes fordert der AfD-Abgeordnete die Abschaffung von demokratisch legitimierten Parteien, wie das Innenministerium mitteilte.
"Unser Grundgesetz schützt die Parteien in Art. 21 als Bestandteil der demokratischen Willensbildung unseres Volkes. Eine solche Forderung ist daher ein klarer Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung."
Es sei eine Strategie der AfD, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. In der Einschätzung der Behörde hieß es: "Erst wird ganz offen die Demokratie infrage gestellt, der Applaus der Anhänger mitgenommen und dann der eigene Vorstoß verharmlost und mit Nebelkerzen versehen."
AfD-Mann Lars Hünich rechtfertigt Äußerungen: Aussagen aus dem Kontext gerissen
Hünich selbst äußerte sich einem Video auf der Plattform X (ehemals Twitter). Er sagte zunächst, seine Aussagen seien aus dem Kontext gerissen, aber er wolle "diesen Parteienstaat" abschaffen. Der Begriff umschreibe, dass Parteien "sich die Institutionen, die Behörden, die Ministerien, die Zivilgesellschaft quasi unter sich aufteilen".
Hünich forderte mehr Instrumente der direkten Demokratie und kritisierte, Spitzenpositionen am Landesrechnungshof und dem Verfassungsgericht würden nach Parteibuch besetzt.
Am Donnerstag teilte er in einer schriftlichen Stellungnahme mit: "'Parteienstaat' ist ein in der Staatstheorie feststehender Begriff für eine Form der systematischen Korruption, bei der politische Parteien alle Organe des Staates durchdringen und in ihrem Sinne umfunktionieren."
Die AfD-Landesvorsitzende Birgit Bessin (46) sagte laut Mitteilung: "Die AfD will keinesfalls die Abschaffung von Parteien, sondern es wird allerhöchste Zeit, dass das gesamte Volk mehr Mitsprachemöglichkeiten im Rahmen der direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild erhält, die Hürden dafür müssen deutlich gesenkt werden."
Titelfoto: Soeren Stache/dpa