AfD-Leaks: 40.000 interne Chat-Nachrichten mit düsterem Inhalt aufgedeckt!
Hamburg - "Wir werden Sie jagen!" Alexander Gaulands (81) Worte aus dem Jahr 2017 scheinen noch immer Realität: Dem WDR und NDR liegen über 40.000 interne Chat-Nachrichten vor, die "ein desolates Selbstbild und radikales Gedankengut der ersten AfD-Bundestagsfraktion" enthüllen - verbale Abrüstung nicht in Sicht!
Teile der Fraktion stellen sich selbst ein schlechtes Zeugnis aus, sehen sich als strategielosen "Chaosladen". Einige der Abgeordneten bezeichnen Deutschland als "Unrechtsstaat", Angela Merkel (67) als "Volksverräterin" - und sie erwarten in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände.
Die Chats, die NDR und WDR von einem Whistleblower zugespielt wurden, stammten "aus der streng vertraulichen internen Chatgruppe der ersten AfD-Bundestagsfraktion".
Hier sollen (mindestens) 76 der 92 AfD-Abgeordneten in der Gruppe bis nach der Bundestagswahl 2021 regelmäßig schreiben.
Wie zerstritten ist die AfD intern wirklich?
Aussagen wie "Uns fliegt langsam die Partei unterm Arsch weg, die gegründet wurde, um unser Land zu schützen!" oder: "Was fremdschämen angeht, bin ich durch die Partei extrem belastbar geworden." wurden beim Leak zutage gefördert.
Etwa neun Monate vor der Bundestagswahl 2021 postete Parteivorstand Joana Cotar (49), die damals gegen Alice Weidel (43) um die Spitzenkandidatur für die Wahl rang: "EINMAL in die gleiche Richtung ziehen. Das wärs. Die Wähler haben keine Ahnung, was sie erwartet, wenn sie AfD wählen..."
Ihre harte Kritik an der auch heute amtierenden Fraktionsführung unterstrich Cotar jüngst im Interview mit NDR/WDR: "Es ist generell die fehlende Führung in der Fraktion, der Mut, auch mal durchzugreifen und sich unbeliebt zu machen."
Andere greifen in der Chatgruppe die Fraktionsführung ebenso heftig an: Es handele sich um einen "Schlafwagenvorstand", der nichts hinbekomme.
Die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel wird von Fraktionskollegen auch namentlich angegriffen: "Frau Weidel kann offenbar Prioritäten setzen, aber nur, wenn es um ihren eigenen Kopf geht." Weidel war kein Mitglied der Chatgruppe.
Weidel war kein Mitglied der Chatgruppe
Die angegriffene Weidel selbst äußerte sich so: "Wenn Sie in der AfD in der ersten Reihe stehen, ist das völlig normal. Das berührt mich nicht."
Unzufriedene gebe es immer. "Da müssen die sich überlegen, ob sie sich vielleicht ein anderes Hobby suchen, anstatt ihre Zeit zu vergeuden, permanent in Chats reinzuschreiben. Da würde ich mir mehr Einsatz in der parlamentarischen Arbeit wünschen."
Die vertraulichen Posts der Bundestagsabgeordneten enthalten auch üble rassistische und verächtlich machende Äußerungen: "Die Ratte Merkel an der Spitze! Diese Volksverräterin gehört lebenslang in den Knast!"
Auch deutliche "Umsturzrhetorik" findet sich in der Gruppe: "Wir müssen wohl warten, bis das alte Regime wirtschaftlich ans Ende kommt und der Funke aus Österreich, Italien, Frankreich usw. überspringt. Das wird kommen und für die dann ebenfalls kommenden gnadenlosen Kämpfe müssen wir uns rüsten (...)."
Auf Nachfrage sagte Alice Weidel, dass solche Äußerungen für sie inakzeptabel seien. Hätte sie davon Kenntnis gehabt, wäre sie dagegen vorgegangen.
Parteiinternen Lagerkämpfe zwischen dem rechtsextremen Flügel und den Gemäßigteren sind thematisiert in der Chatgruppe. Ein Abgeordneter fragte: "Wir brauchen eine Richtungsentscheidung. Wollen wir eine national-sozialistische oder eine freiheitlich-konservative Partei sein..."
Und ein anderer: "Da müssen wir uns SELBST die Frage stellen, ob wir erwiesene Nazis in der Partei und dann auch noch in führenden Positionen haben wollen. Ich will das nicht. Die Ideologie und den Führerkult, die Höcke und Kalbitz vertreten, lehne ich zutiefst ab."
TV-Tipp: Im Podcast: "Die Jagd. Die geheimen Chats der AfD-Bundestagsfraktion" (hier Online ARD Audiothek und Spotify) - lineare Ausstrahlung gibt's bei "WDR5 Tiefenblick" ab dem heutigen Samstag, und im TV gibt es die Doku "AfD-Leaks: Die geheimen Chats der Bundestagsfraktion" vorab in der Mediathek oder im Ersten am Montag um 22.50 Uhr.
Titelfoto: Bernd von Jutrczenka/dpa