Noch vor der SED und DDR: Vor 75 Jahren entstand die FDJ
Berlin - In nahezu jedem Kleiderschrank von Jugendlichen hing zu DDR-Zeiten ein blaues Dederon-Hemd mit der aufgehenden Sonne auf dem linken Ärmel. Wer nicht in der Freien Deutschen Jugend war, musste Repressalien erdulden oder zumindest spitze Fragen und Kommentare über sich ergehen lassen.
Dabei war die Massenorganisation nicht von Anfang an als "Kampfreserve der Partei" konzipiert. Ursprünglich sollte sie überparteilich, pazifistisch und allen Weltanschauungen gegenüber offen sein.
Am heutigen Sonntag vor 75 Jahren – noch vor der SED und weit vor der DDR – wurde die FDJ gegründet.
Direkt nach der Machtübernahme verbot die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) in der Ostzone sämtliche Jugendorganisationen – die waren ohnehin in der Hitlerjugend (HJ) gleichgeschaltet.
Sämtliche Versuche von Sozialdemokraten, Katholiken oder Kommunisten, der Jugend einen Verband zu geben, scheiterten zunächst am Njet aus Moskau.
Am 6. März 1946 aber erfuhr Wilhelm Pieck, damals einer der führenden Kommunisten, dass vonseiten der Sowjets nun nichts mehr im Wege stünde.
Am 7. März machte er das öffentlich – der Tag gilt seither als offizieller Gründungstermin der Freien Deutschen Jugend.
7. März als Gründungsdatum
Drei Tage später wurden hunderte Jugendliche ins Staatstheater Schwerin zu einer Gründungs-Versammlung und einem Festakt eingeladen.
Für die junge Generation war dies ein Hoffnungsschimmer inmitten der Trümmerberge und des Nachkriegs-Chaos.
Zu den im Mitgliedsbuch formulierten Zielen gehörte die Erhaltung der Einheit Deutschlands, Gewinnung der Jugend für Freiheit, Humanismus und Völkerfrieden, der Wiederaufbau des Vaterlandes und eine gute Berufsausbildung – ungeachtet der Herkunft, des Vermögens und des Glaubens.
Diese junge Generation hatte den Krieg satt, war entschieden pazifistisch und lehnte alles Militärische wie Uniformen ab. Sicher war man antifaschistisch, aber überparteilich und demokratisch gesinnt. Glaubten die meisten zumindest.
Hinter den Kulissen zog man wohl unsichtbare Fäden.
KPDler in Führungspositionen der FDJ
So wurden nur KPDler in Führungspositionen gewählt: Erich Honecker zum Vorsitzenden und Edith Baumann, seine spätere erste Frau, zur Generalsekretärin.
Auch Finanzen und Öffentlichkeitsarbeit blieben in kommunistischer Hand. Vertreter etwa der CDU wurden mit dem Ressort Kultur oder der "Abteilung für Mädelfragen" abgespeist.
Vom Blauhemd war in den ersten Tagen noch nichts zu sehen.
Die Jungs kamen in (meist viel zu großen) Anzügen, die Mädchen farbenfroh gekleidet – das satte Rot vieler Kleider erinnerte zumindest an den Stoff von im Vorjahr ausrangierten Fahnen.
Doch bereits beim II. FDJ-Parlament 1947 in Meißen wurde die Uniformierung beschlossen, später kamen auch Fahnenappell, Fackelzüge und weitere Elemente des militärischen Drills und der Indoktrinierung dazu.
Zu diesem Zeitpunkt traten bereits viele Vertreter der späteren Blockparteien aus der FDJ zurück, einige von ihnen sollten später nach politischen Prozessen im Zuchthaus landen.
FDJ war ab 1957 die "sozialistische Jugendorganisation der DDR"
Weitere Jugendorganisationen zu gründen wurde allerdings von der SMAD untersagt. Ab 1957 war die FDJ höchst offiziell die "sozialistische Jugendorganisation der DDR" und beschwor ihre Rolle als "Kampfreserve der SED". Die Parlamente wurden zu reinen Propaganda-Veranstaltungen.
Bei der Enttarnung oder Denunzierung Andersdenkender ging die Jugendorganisation nicht gerade zimperlich vor.
Zum Beispiel bei der "Aktion Ochsenkopf" - benannt nach einer grenznahen Sendestation in Franken.
Die Blauhemden stiegen auf die Dächer und sägten nach Westen gerichtete Antennen ab, um das Sehen und Hören von „Feindsendern“ zu unterbinden.
Man wurde ermuntert, seinen Mitschüler oder gar die Eltern zu verpetzen, wenn sie etwas von der "Tagesschau" oder von den "Schlagern der Woche" im "RIAS" erzählten.
An vieles erinnert man sich gern
Wie bei so vielem aus der DDR-Geschichte gibt es auch bei der FDJ die "Es-war-nicht-alles-schlecht"-Seite der Medaille. Denn wer sich als artiger Jungbürger in die Gegebenheiten brav einfügte, verdankte den Veranstaltungen der Organisation auch viele schöne Stunden seines Lebens – man erinnert sich gern.
Immer wurde etwas auf die Beine gestellt. Anfangs waren es "Deutschlandtreffen" mit hunderttausenden Teilnehmern oder 1973 die legendären Weltfestspiele, später gab es Pfingsttreffen.
Poetenseminare wurden einberufen, die Singeklubs gegründet, die "Messe der Meister von Morgen" organisiert oder die Ermittlung des "Stärksten Lehrlings".
Ab den 1970er-Jahren gab es auch in zahlreichen FDJ-Klubs Disko – mit mindestens 60 Prozent Ostmusik.
Und einen Urlaub der FDJ-Firma "Jugendtourist" konnte man sich auch beim Arbeitseinsatz in der Ernte, bei der Bahnelektrifizierung oder an der Drushba-Trasse verdienen.
Viele DDR-Bürger fanden bei einer FDJ-Veranstaltung den Partner fürs Leben.
Titelfoto: picture alliance/dpa-Zentralbild