Neuwahlen in Deutschland: Was kommt jetzt?

Politische Krise in Deutschland und Vertrauensfrage: Scholz steht unter Druck, das Vertrauen in die Bundesregierung sinkt weiter. Kommt es jetzt zu Neuwahlen?

Weitere wichtige Informationen zur Ampel-Krise findest Du außerdem unter: Politik Deutschland.

Wann kommt es zu Neuwahlen in Deutschland?

Die Ampel ist gescheitert. Aber wie wahrscheinlich sind Neuwahlen?
Die Ampel ist gescheitert. Aber wie wahrscheinlich sind Neuwahlen?  © IMAGO / Wolfgang Maria Weber

In der Ampel-Koalition, bestehend aus SPD, Grünen und FDP, kriselte es. Nun ist sie gescheitert - am Tag des Wahlsieges von Donald Trump in Amerika. Neuwahlen in Deutschland drohen.

Olaf Scholz (SPD) hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Abend des 6. November 2024 aufgrund fehlenden Vertrauens entlassen. Als Reaktion darauf haben sich alle FDP-Minister aus der Ampel-Regierung zurückgezogen. Der einzige, der blieb, ist Verkehrsminister Volker Wissing. Er trat aus der FDP aus und führt sein Amt fort.

Das hat zur Folge, dass die FDP nicht mehr Teil der Regierung ist.

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Scholz möchte demnach am 15. Januar 2025 die Vertrauensfrage stellen, welche folglich mit Neuwahlen einhergehen sollte.

Die Neuwahlen sind in diesem Zusammenhang ein zentrales Mittel, um sicherzustellen, dass die Regierungsstabilität erhalten bleibt und dennoch der Wille der Wähler sowie eine legitimierte Regierungsführung im Sinne der Verfassung aufrechterhalten werden.

Wie kommt es zu Neuwahlen?

Auch wenn Neuwahlen in Deutschland sehr selten zustande kommen, so sind die Voraussetzungen und der Ablauf dafür doch ganz genau geregelt.

Die Bundestagsabgeordneten und auch der Bundeskanzler selbst können keine direkten Neuwahlen anordnen. Beim Vorliegen besonderer Gründe - so wie die aktuelle Lage einer ist - kann der Bundespräsident Neuwahlen anordnen.

Das hängt jedoch vor allem mit der Vertrauensfrage zusammen, die in Artikel 68 des Grundgesetzes festgesetzt ist und vorher geklärt werden muss.

Wer stellt die Vertrauensfrage?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will die Vertrauensfrage im Januar stellen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will die Vertrauensfrage im Januar stellen.  © Kay Nietfeld/dpa

Allein der Bundeskanzler kann die Vertrauensfrage stellen. Dafür gibt es Gründe, allerdings auch Konsequenzen, die das Stellen der Vertrauensfrage mit sich bringen.

Wann wurde die letzte Vertrauensfrage gestellt?

Seit 1949, also mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland, wurde bisher fünfmal die Vertrauensfrage unter drei Bundeskanzlern gestellt. Drei davon sind gescheitert.

Die jüngste gescheiterte Vertrauensfrage stellte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) 2005 im Bundestag. Damals wollte er sie gezielt verlieren, um Neuwahlen anzustreben. Er stand deswegen in großer Kritik. Durch die Hartz-IV-Reformen gab es vor allem in der Bevölkerung viele Proteste und damit Unstimmigkeiten in der Regierung.

Schröder sorgte zwar für Neuwahlen, verlor diese jedoch knapp gegen Angela Merkel (CDU), welche seine Position dann als neue Bundeskanzlerin einnahm.

Warum stellt der Bundeskanzler die Vertrauensfrage?

Mit der Vertrauensfrage nach Artikel 68 des Grundgesetzes hat der Bundeskanzler ein politisches Instrument, um zu überprüfen, ob seine Regierung noch die mehrheitliche Unterstützung im Parlament hat.

Vor allem soll sie dazu dienen, Regierungskrisen schnell zu überwinden.

Welche Bedeutung hat die Vertrauensfrage für das politische System?

Die Vertrauensfrage hat vor allem auch eine tragende Rolle in der Sicherung des politischen Systems. Insbesondere zur Überprüfung der Handlungsfähigkeit, also einer Mehrheit der Regierung im Parlament, ist sie von großer Bedeutung.

Die Vertrauensfrage stärkt die demokratische Legitimation und bietet bei einem Scheitern alternative Wege. Sie wirkt folglich wie ein Mechanismus, um politische Blockaden zu verhindern.

Was passiert nach der Vertrauensfrage?

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie das Stellen der Vertrauensfrage ausgehen kann.

Gewinnt der Bundeskanzler die Vertrauensfrage, hat er die Mehrheit der Regierung des Parlaments auf seiner Seite und sie kann im Amt bleiben.

Scheitert die Vertrauensfrage, kann der Bundeskanzler beim Bundespräsidenten um eine Auflösung des Parlaments bitten. Der Bundespräsident kann den Bundestag dann binnen 21 Tagen auflösen und Neuwahlen anordnen.

Was bedeutet das Misstrauensvotum?

Auch das Misstrauensvotum spielt eine essenzielle, politische Rolle in Deutschland. Im Gegensatz zur Vertrauensfrage kann der Bundestag ein Misstrauensvotum beantragen und damit dem amtierenden Bundeskanzler das Vertrauen entziehen. Das ist außerdem in Artikel 67 des Grundgesetzes verankert.

Beim Misstrauensvotum wird zuerst ein Misstrauensantrag gestellt. Voraussetzung dafür ist, dass eine bestimmte Anzahl diesem zugestimmt hat. Dann erfolgt eine anonyme Abstimmung über das Misstrauensvotum. Zwischen dem Antrag und der Wahl müssen 48 Stunden liegen.

Artikel 67 schreibt vor, dass in Deutschland ausschließlich das konstruktive Misstrauensvotum in der Verfassung verankert ist, um die politische Stabilität Deutschlands sicherzustellen.

Konstruktives Misstrauensvotum

Ein konstruktives Misstrauensvotum erfolgt, wenn dem Bundeskanzler das Vertrauen entzogen wird. Das allein reicht allerdings nicht aus. Denn infolgedessen muss sich das Parlament für die Erfüllung eines konstruktiven Misstrauensvotums auch auf einen neuen Bundeskanzler einigen. Diesem Vorschlag müssen mindestens 50 Prozent zustimmen, damit das Misstrauensvotum in Kraft tritt.

Darin zeigt sich zudem ein weiterer wesentlicher Unterschied zur Vertrauensfrage. Denn hier bestimmt das Parlament den nachfolgenden Regierungschef und es kommt nicht zu Neuwahlen.

Wann war das letzte Misstrauensvotum?

Nach einem konstruktiven Misstrauensvotum wurde Helmut Kohl (CDU, l.) im Jahr 1982 neuer Bundeskanzler.
Nach einem konstruktiven Misstrauensvotum wurde Helmut Kohl (CDU, l.) im Jahr 1982 neuer Bundeskanzler.  © Martin Athenstädt/dpa

In der deutschen Geschichte gab es bisher erst einen Kanzlerwechsel durch ein konstruktives Misstrauensvotum. Am 1. Oktober 1982 entzog der Bundestag Helmut Schmidt (†96, SPD) das Vertrauen. Neuer Regierungschef wurde Helmut Kohl (†49, CDU), der sieben Stimmen mehr erhielt als für die absolute Mehrheit der 249 Abgeordneten nötig waren.

Der Grund für das Misstrauensvotum war eine bestehende Krise der Koalition aus SPD und FDP vor allem hinsichtlich der Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie Rüstungsfragen.

Was passiert nach einem Misstrauensvotum?

Hat sich das Parlament mehrheitlich für ein erfolgreiches Misstrauensvotum entschieden, so nimmt der vorgeschlagene Bundeskanzler mit seinem Kabinett nach seiner Ernennung durch den Bundespräsidenten und Eidesleistung sofort das Amt des bisherigen Regierungschefs ein.

Scheitert das Misstrauensvotum, bleibt der aktuelle Bundeskanzler im Amt.

Ablauf von Neuwahlen: Was passiert in der Übergangszeit?

Wird der Bundestag aufgelöst, bleibt die aktuelle Regierung trotzdem vorerst bestehen, bis ein Nachfolger ernannt wurde.

Laut Artikel 39 Grundgesetz muss eine Neuwahl dann innerhalb von 60 Tagen nach der Auflösung des Bundestags erfolgen.

Auch wenn die Minister der FDP auf ihre Ämter verzichten, wird dafür gesorgt, dass andere Ressortchefs die anstehenden Aufgaben mit übernehmen. Alternativ kann der Bundeskanzler auch Vertreter vorschlagen. Diese würde der Bundespräsident dann ernennen.

Diese sogenannte geschäftsführende Regierung darf jedoch nur noch Entscheidungen treffen, die keine grundlegenden, wichtigen politischen oder wirtschaftlichen Veränderungen mit sich bringen.

Hauptsächlich soll sie bis zu der Aufstellung einer neuen Regierung für Stabilität sorgen. In dieser Zeit haben die Parteien einen kurzen Zeitraum für einen Wahlkampf und das Land bereitet sich auf Neuwahlen vor. Wahlbehörden werden einberufen und organisatorische Vorbereitungen der Wahlkommissionen und staatlichen Stellen durchgeführt.

Allerdings gibt es diese Übergangsphase auch regulär nach Bundestagswahlen, wenn die Regierung noch nicht steht. Es handelt sich also hierbei um ein bewährtes Verfahren.

Wird es jetzt Neuwahlen geben?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) spielt eine tragende Rolle bei der Auflösung des Bundestages.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) spielt eine tragende Rolle bei der Auflösung des Bundestages.  © Kay Nietfeld/dpa

Wie Bundeskanzler Scholz ankündigte, möchte er am 15. Januar 2025 die Vertrauensfrage stellen. Er ist zum aktuellen Zeitpunkt Teil einer Minderheitsregierung und benötigt für die Umsetzung seiner Ziele oppositionelle Hilfe der Union.

Scheitert die Vertrauensfrage, kann er den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (SPD) bitten, den Bundestag aufzulösen. Das müsste dann innerhalb von 21 Tagen, also bis zum 5. Februar 2025 erfolgen. Nach spätestens 60 Tagen, also Ende März 2025, würden Neuwahlen stattfinden.

Scholz hätte allerdings auch die Option, eine neue Koalition zu bilden, um wieder die Mehrheit zu erlangen. Für Friedrich Merz (CDU) als Fraktionsführer der Unionsparteien kommt eine Koalition mit SPD und Grünen jedoch nicht infrage.

Kann sich der Bundestag hingegen auf einen neuen Kanzler einigen, so wäre auch das konstruktive Misstrauensvotum eine Option für eine Neuaufstellung der Regierung.

Die Vertrauensfrage mit anschließenden Neuwahlen ist jedoch im Zusammenhang mit den aktuellen Geschehnissen der wahrscheinlichste Verlauf für die Zukunft der deutschen Regierung.

Titelfoto: IMAGO / Wolfgang Maria Weber

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