Taurus-Abhöraffäre aufgeklärt: So konnten die Russen bei der Bundeswehr mithören!

Berlin - Vier Tage nach Bekanntwerden ist die Bundeswehr-Abhöraffäre im Kern aufgeklärt. Die Ursache: Unachtsamkeit eines Teilnehmers. Personelle Konsequenzen? Eher nicht - weil Putin keine Trophäe davontragen soll.

Verteidigungsminister Boris Pistorius gab am Dienstag das Zwischenergebnis der Untersuchungen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) bekannt.
Verteidigungsminister Boris Pistorius gab am Dienstag das Zwischenergebnis der Untersuchungen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) bekannt.  © Michael Kappeler/dpa

Das Verteidigungsministerium macht die Unachtsamkeit eines Bundeswehr-Generals in Singapur dafür verantwortlich, dass ein vertrauliches Gespräch über den Marschflugkörper Taurus von Russland abgehört wurde.

Minister Boris Pistorius (63, SPD) sprach am Dienstag bei der Vorstellung der ersten Ermittlungsergebnisse von einem "individuellen Anwendungsfehler", der zu einem "Zufallstreffer" bei einer breit angelegten Abhöraktion der Russen während der Singapore Airshow geführt habe.

Personelle Konsequenzen will Pistorius vorerst nicht ziehen. Wenn nicht noch etwas Schlimmeres herauskomme, "werde ich niemanden meiner besten Offiziere Putins Spielen opfern", betonte er.

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Am Freitag hatte Russland eine mitgeschnittene Schaltkonferenz von vier hohen Offizieren, darunter Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz (58), veröffentlicht. Darin erörterten diese Einsatzszenarien für die Taurus-Raketen für den Fall, dass sie doch noch an die Ukraine geliefert werden sollten.

Kanzler Olaf Scholz (65, SPD) hat das zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen und sein Nein damit begründet, dass Deutschland dann in den Krieg hineingezogen werden könnte.

Kein Fehler im Bundeswehr-Kommunikationssystem

Taurus hat eine Reichweite von 500 Kilometern und kann damit von der Ukraine aus auch Ziele in Moskau treffen. (Archivbild)
Taurus hat eine Reichweite von 500 Kilometern und kann damit von der Ukraine aus auch Ziele in Moskau treffen. (Archivbild)  © Uncredited/south korea defense ministry/AP/dpa

Nach dem Zwischenergebnis der Untersuchungen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) ist die Ursache des Taurus-Lecks kein Fehler im Kommunikationssystem der Bundeswehr, sondern der individuellen Unachtsamkeit eines Generals geschuldet, der sich von einem Hotel in Singapur in das Gespräch eingewählt hatte.

"Unsere Kommunikationssysteme wurden nicht kompromittiert", betonte Pistorius, der den Namen des Konferenzteilnehmers in Singapur nicht nannte. Aus dem Mitschnitt geht hervor, dass es sich um Brigadegeneral Frank Gräfe handelt.

Nach Angaben des SPD-Politikers fand das Gespräch der vier Offiziere vorschriftsgemäß über die Internetplattform Webex statt, die von der Bundeswehr in unterschiedlich geschützten Versionen für solche Gespräche genutzt werde.

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Dass diese Unterredung trotzdem abgehört werden konnte, liege daran, dass sich der Teilnehmer in Singapur nicht an das sichere Einwahlverfahren gehalten habe, sagte Pistorius. Er habe sich von Singapur aus über eine "nicht sichere Datenleitung" an dem Gespräch beteiligt, also über Mobilfunk oder WLAN.

Flugshow in Singapur "gefundenes Fressen" für die Russen

An der Singapore Airshow nahmen Dutzende hochrangige europäische Militärs teil. Die perfekte Gelegenheit für den russischen Geheimdienst.
An der Singapore Airshow nahmen Dutzende hochrangige europäische Militärs teil. Die perfekte Gelegenheit für den russischen Geheimdienst.  © Roslan Rahman/AFP

In dem südostasiatischen Stadtstaat fand zur Zeit des Gesprächs die Singapore Airshow statt, an der viele hochrangige europäische Militärs teilnahmen.

"Für russische Geheimdienste nachvollziehbar ein gefundenes Fressen so eine Veranstaltung in diesem Umfeld", sagte Pistorius. In den genutzten Hotels hätten flächendeckend Abhöraktionen stattgefunden.

Der Zugriff auf die Webex-Konferenz der Bundeswehr-Offiziere sei dann ein russischer "Zufallstreffer, im Rahmen einer breit angelegten, gestreuten Vorgehensweise" gewesen.

Die von einigen Medien verbreitete Theorie, dass ein russischer Spion an dem Gespräch teilgenommen haben könnte, ohne bemerkt worden zu sein, wies Pistorius schroff zurück.

"Ich war einigermaßen erstaunt, dass eine solche Hypothese öffentlich verbreitet wird, ohne dass es dafür ernstzunehmende Hinweise zu diesem Zeitpunkt überhaupt hat geben können."

Personelle Konsequenzen: Keine Trophäe für Putin

Eine Entlassung des Offiziers würde dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (71) in die Karten spielen. Das will Pistorius vermeiden.
Eine Entlassung des Offiziers würde dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (71) in die Karten spielen. Das will Pistorius vermeiden.  © Mikhail Metzel/Poll/AFP

Der Verteidigungsminister sagte zwar, dass nun disziplinarische Vorermittlungen gegen alle vier Teilnehmer des Gesprächs eingeleitet worden seien. Er betonte aber auch, dass personelle Konsequenzen "derzeit nicht auf der Agenda" stünden.

Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Bundesregierung dem russischen Präsidenten Wladimir Putin "nicht auf den Leim gehen" will, wie es jetzt immer wieder gesagt wird. Die Trophäe eines gefeuerten Generals als Ergebnis ihres Lauschangriffs sollen die Russen nicht davontragen.

Auch an den Kommunikationssystemen sieht Pistorius keinen grundsätzlichen Änderungsbedarf. Allerdings soll gegebenenfalls an der einen oder anderen Stelle nachjustiert werden. Pistorius machte aber auch klar, dass es eine hundertprozentige Sicherheit der Systeme nicht geben könne.

"Das Vertrauen in Deutschland ist ungebrochen", betonte der Minister. Alle Amtskollegen der Verbündeten wüssten, dass es keine absolute Sicherheit vor solchen Abhörattacken gebe. "Wir werden uns durch diesen hybriden Angriff aus Russland nicht aufscheuchen und nicht auseinandertreiben lassen."

Titelfoto: Montage: Mikhail Metzel/Poll/AFP, Michael Kappeler/dpa

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