Pilotprojekt: Marine testet Vier-Tage-Woche
Kiel - Moderne Arbeitswelt trifft Bundeswehr: Die Marine will mit zwei bundesweit einmaligen Pilotprojekten die Einsatzbereitschaft der Schiffsbesatzungen erhöhen und gleichzeitig der Dienst an Bord attraktiver machen.
Bis Ende März gehen die Soldaten des 3. Minensuchgeschwaders während Liegezeiten im Heimathafen Kiel einer Vier-Tage-Woche nach und dürfen zudem in dieser Zeit auch die Nächte wieder an Bord verbringen.
"Durch Seefahrten, Lehrgänge, andere Dienstleistungen erwirtschaften die Soldaten an Bord relativ viele Überstunden, die sie regelmäßig abfeiern müssen", sagte der Kommandeur der Einsatzflottille 1, Flottillenadmiral Sascha Helge Rackwitz (51). Die beiden Pilotprojekte laufen seit Anfang Oktober. Die Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg soll sie wissenschaftlich begleiten.
"Das Interesse der Soldaten ist da", sagte der Kommandeur des 3. Minensuchgeschwaders, Fregattenkapitän Carsten Schlüter (47). Besatzungsmitglieder hätten bereits in insgesamt 100 Fällen die Nacht an Bord ihres Schiffs verbracht.
In der Vergangenheit hätten Soldaten in Einzelfällen an Freitagen Überstunden abgebummelt.
Freitags haben die Marinesoldaten frei
"Wir versprechen uns davon, nicht nur attraktiver zu werden, sondern auch motiviertere und entspanntere Soldaten zu haben, ohne dass wir de facto wirklich viel verlieren oder dafür ausgeben müssten", sagte Rackwitz. Die Gefechtsbereitschaft der Marine werde dadurch zudem erhöht.
Die Soldaten des Geschwaders in Schleswig-Holstein können bis Ende März in den Wochen, die sie nicht auf See oder auf Werftzeiten verbringen, verlässlich mit einem freien Freitag planen. Das erleichtere die Kinderbetreuung oder die Arbeit in einem Ehrenamt, sagte Rackwitz.
Etwa die Hälfte des Jahres seien die Besatzungen jedoch nicht im Heimathafen, sagte Kommandeur Schlüter. Während Einsätzen sind Sieben-Tage-Wochen die Regel. Ein Teil davon wird ausbezahlt. "Realistisch sind ungefähr 180 Abwesenheitstage im Jahr", sagte Schlüter. Zwölf Boote mit jeweils 45 Besatzungsmitgliedern umfasst sein Geschwader.
Knapp 100 der 500 Dienstposten an Bord sind derzeit aber nicht besetzt.
Marine muss Brandschutz sicherstellen
Seit 2016 dürfen Besatzungen ihre Freizeit nicht mehr an Bord verbringen und müssen nach Dienstschluss im Heimathafen das Schiff verlassen. Grund war die Umsetzung einer Arbeitszeitverordnung für Soldaten. Das hatte auch mit dem Brandschutz und dem Vorhalten von Brandwachen zu tun.
Mittlerweile verfügen die Boote des Geschwaders aber alle über fest installierte Brandmeldeanlagen mit automatischer Fernalarmierung. Zudem verfügt der Stützpunkt über eine eigene Feuerwehr.
Die Marine verspricht sich durch die Rückkehr der Besatzungen an Bord und die Vier-Tage-Woche mehr Attraktivität. Rackwitz rechnet mit positiven Effekten für die Soldaten.
"Die Bordgemeinschaft kann auch ein Ventil sein." Junge Soldaten könnten Erfahrungen austauschen. "Diese Bordgemeinschaft ist für die Marine nun mal ganz stilprägend, identitätsstiftend."
Bislang müsse die Marine den Soldaten sagen: "Geht bitte in die Landunterkunft. Wenn ihr keine habt, fahrt ihr nach Hause." Für Soldaten, die teils monatelang Zeit auf See verbrächten, sei eine eigene Wohnung aber oftmals eine teure Angelegenheit.
Titelfoto: Axel Heimken/dpa