Bundeswehr-Kommandeur sieht gute Gründe, Gewehr in die Hand zu nehmen: "Krieg geht alle an"
Von Nico Pointner
Stuttgart - Die Gesellschaft muss sich aus Sicht des neuen Chefs des Landeskommandos Baden-Württemberg mental auf den Kriegsfall einstellen.

"Es gibt noch wahnsinnig viele Bevölkerungsteile, die völlig in der Friedensdividende verhaftet geblieben sind", kritisierte der Kapitän zur See, Michael Giss (60), gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. "Ich sage immer: Krieg geht alle an."
Viele Menschen würden nichts anderes kennen als eine "friedliche, von Freunden umzingelte Welt", ohne Grenzen, so Giss. "Ich werfe es den Leuten nicht vor. Sie kennen nichts anderes. Aber jetzt ist die Zeit, wo wir ein bisschen über den Tellerrand hinausschauen müssen."
Giss zitierte Umfragen, wonach auch im vierten Kriegsjahr der Ukraine nur ein Drittel der Menschen in Deutschland bereit wäre, ihr Land zu verteidigen. "Die anderen zwei Drittel müssen von ihrer Vollkasko-Denke wegkommen und sagen: 'Wo kann ich mich engagieren? Was würde ich denn tun, wenn es so weit kommt?'", so Giss.
Die Deutschen hätten aufgrund der Geschichte ein spezielles Verhältnis zu Militär und Krieg. "Umso mehr muss man jetzt den Leuten klarmachen, dass es gute Gründe gibt, ein Gewehr in die Hand zu nehmen, wenn es sein muss - um unseren Rechtsstaat, unser liberales Leben zu verteidigen", so der Kommandeur.
Michael Giss spricht sich für erneute Einsetzung der Wehrpflicht aus

Auch den Schulen kommt laut Giss eine zentrale Rolle zu. "Wofür kämpft man eigentlich? Lohnt es sich, für etwas ein Gewehr in die Hand zu nehmen? Da ist die Schule das Spiel-Feld, wo man solche Fragen bei den jungen Menschen platzieren kann, wo man diese Debatten führen kann", sagte er.
"Wenn in den Schulen nicht rüberkommt, dass man einen liberalen Rechtsstaat zur Not auch verteidigt, weil es sich lohnt und weil es gut ist, so zu leben, wie wir es tun - wo soll es denn sonst gelingen?"
In dem Zusammenhang sprach sich Giss auch für eine erneute Einsetzung der Wehrpflicht aus. "Wir können noch so viel Milliarden-Pakete bekommen, wenn wir das Personal für diese Gerätschaft nicht haben, die wir dann kaufen könnten, dann ist das zu kurz gesprungen."
Titelfoto: Bildmontage: Marijan Murat/dpa, Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa