Wem gehört die Straße? Konflikte auf dem Weg zur Verkehrswende

Leipzig - Kurzer Radweg, große Diskussion: Seit Wochen wird in Leipzig um einen grünen Fahrstreifen vor dem Hauptbahnhof gestritten. Radfahrer haben dort im April einen neuen Weg bekommen - auf Kosten von Autospuren.

Der grüne Streifen vor dem Leipziger Hauptbahnhof wurde im April angelegt. Er ist für Radfahrer reserviert. Autofahrer mussten dafür Raum abgeben.
Der grüne Streifen vor dem Leipziger Hauptbahnhof wurde im April angelegt. Er ist für Radfahrer reserviert. Autofahrer mussten dafür Raum abgeben.  © Hendrik Schmidt/dpa

Die Maßnahme war Teil eines Konzepts, mit dem die Stadt unter anderem die Sicherheit erhöhen wollte. Doch das Projekt stieß auf Widerstand. Wirtschaftsverbände protestierten, eine Petition wurden gestartet. Bislang hält die Stadt am Radweg fest.

Die Debatte um den Radweg kochte vor einem für Leipzig wichtigen Termin hoch - der Weltradverkehrskonferenz "Velo-City". Von Dienstag bis Freitag treffen sich auf der Leipziger Messe mehr als 1500 Teilnehmer aus über 50 Ländern. Das Motto lautet "Leading the transition". Es geht um Stadtentwicklung, nachhaltige Mobilität und bessere Infrastruktur für Fahrräder.

"Das Fahrrad ist eine einfache Lösung für die kompliziertesten Probleme der Welt", heißt es auf der Internetseite der Konferenz. Klingt vielversprechend. Doch in der Praxis - das zeigt nicht nur der Streit um den Radweg vor dem Leipziger Hauptbahnhof - kommt es oft zu Konflikten.

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Manchmal müssen Gerichte über die Fälle entscheiden. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) nennt mehrere Beispiele aus den vergangenen Jahren. Demnach wies etwa das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Klage eines Politikers gegen provisorische Radfahrstreifen zurück.

In Düsseldorf hingegen musste die Stadt laut ADFC ein Projekt rückgängig machen, weil für einen Radweg Lkw-Parkplätze weggefallen waren und die Stadt die Notwendigkeit ihrer Maßnahme nicht mit Unfallzahlen belegen konnte.

Deutschland - eine Fahrradnation?

Deutschland will mehr für Radfahrer tun. Doch wenn Autofahrer Raum abgeben sollen, kommt es oft zu Konflikten.
Deutschland will mehr für Radfahrer tun. Doch wenn Autofahrer Raum abgeben sollen, kommt es oft zu Konflikten.  © Daniel Bockwoldt/dpa

Zu solchen Problemen kommt es, obwohl in Deutschland mehr oder weniger Konsens darüber herrscht, dass eine Verkehrswende notwendig ist, um den Ausstoß von CO2 zu reduzieren.

So wurde bereits 2021 der Nationale Radverkehrsplan beschlossen, mit dem Deutschland bis 2030 zum "Fahrradland" werden soll. Der Plan sah unter anderem mehr Radschnellverbindungen vor, außerdem mehr Rücksicht auf Lastenräder und einen Ausbau von Fahrradparkplätzen.

Zwar hat der Radverkehr nach Angaben des ADFC in den vergangenen Jahren zugenommen. Doch zugleich sind in Deutschland so viele Autos wie noch nie zugelassen. Laut dem Statistischen Bundesamt waren Anfang des vergangenen Jahres 48,5 Millionen Pkw registriert.

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Der Kfz-Verkehr sei stärker geworden, sagt ein ADFC-Sprecher. Und: "Der häufigste Unfallgegner von Radfahrenden ist der Pkw."

Auch der Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur habe mit dem steigenden Radverkehr nicht Schritt gehalten. Beim Fahrradklima-Test 2022, einer Umfrage des ADFC, hat Deutschland die Schulnote 4 erhalten.

80 Prozent der Teilnehmer klagten über zu schmale Radwege, 70 Prozent fühlten sich beim Radfahren nicht sicher.

Auch die Autolobby sieht Nachholbedarf beim Radverkehr

Im mehreren deutschen Städten wurden in der Corona-Pandemie Pop-Up-Radwege angelegt.
Im mehreren deutschen Städten wurden in der Corona-Pandemie Pop-Up-Radwege angelegt.  © Paul Zinken/dpa-Zentralbild/dpa

Selbst beim ADAC, dem Lobbyverband der Autofahrer, ist man der Ansicht, dass mehr für Radfahrer getan werden sollte. Zwar hätten Umfragen gezeigt, dass nur jeder dritte Autofahrer die Umwandlung von Verkehrsflächen unterstützt.

Aber: "Grundsätzlich denke ich, dass es notwendig ist, an der einen oder anderen Stelle Raum abzugeben", sagt Ronald Winkler, Fachreferent für Stadtverkehr.

Der Umbau sollte demnach fair ablaufen, also nicht von heute auf morgen passieren, wie bei den sogenannten Pop-Up-Radwegen, die in der Corona-Pandemie etwa in Berlin angelegt wurden. Es sei wichtig, die Interessen aller Verkehrsteilnehmer mit einzubeziehen. Wo es möglich ist, sollten Rad- und Autoverkehr räumlich getrennt werden, zum Beispiel durch Fahrradstraßen.

Die Entwicklung einer besseren Fahrradinfrastruktur werde allerdings Zeit in Anspruch nehmen, sagt Winkler. Auch Fahrradhochburgen wie Münster hätten Jahrzehnte gebraucht, um ein hochwertiges Netz aufzubauen.

Dieser Prozess, davon ist man beim ADFC überzeugt, wird weitere Konflikte mit sich bringen. "Wir hören aber aus Städten aus dem Ausland, die teilweise viel radikalere Einschränkungen des Autoverkehrs vornehmen, dass die Änderungen nach kurzer Zeit akzeptiert werden", sagt ein Sprecher.

Titelfoto: Hendrik Schmidt/dpa

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