Strom oder Wasserstoff: Wie sieht die grüne Zukunft des Fernverkehrs aus?
München - Noch weiß niemand, wie 40 Tonnen schwere Sattelzüge künftig klimaneutral durch Deutschland fahren sollen. Aber eines steht heute schon fest: "Am Ende zahlt der Verbraucher und Steuerzahler. Das wird umgelegt auf die Preise, vom Joghurt bis zur Schokolade, so wie bei der Maut", sagt Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL).
Fürs Klima - allein aus diesem Blickwinkel betrachtet - wären Oberleitungs-Lastwagen ideal, sagt Daniel Rieger, Leiter der Verkehrspolitik beim Naturschutzbund (NABU). Die direkte Stromnutzung sei einfach am effizientesten.
Auch die Batterie sei gut. Dagegen gebe es bei der Wasserstoff-Brennstoffzelle "erhebliche Umwandlungsverluste, die wertvollen Grünstrom vernichten". Und bei synthetisch hergestellten Kraftstoffen, den sogenannten eFuels, sei es noch wesentlich schlimmer. "Hier benötigen Sie im Vergleich zur direkten Stromnutzung etwa die siebenfache Menge", sagt Rieger.
Also Europas Straßen mit einem Netz von Oberleitungen für Lastwagen überziehen? Die Bundesregierung testet das auf drei Strecken, in Holstein, Hessen und Baden. Der BGL ist mit dabei.
Im Pendelverkehr - etwa von einem Containerhafen zu einer Umschlagstation - möge das sinnvoll sein, sagt Engelhardt. Aber ein flächendeckendes Netz auf Autobahnen und Landstraßen in der gesamten EU? Das erscheint ihm utopisch.
Und dass ein Sattelzug für Strecken abseits der Oberleitung noch eine schwere Batterie mitschleppt oder einen Verbrennermotor, "das ist nicht mehr praktikabel".
Der großflächige Aufbau neuer Infrastrukturen ist auf jeden Fall sehr teuer. Das seien Entscheidungen von "erheblicher Tragweite", heißt es beim Bundesverkehrsministerium.
Welcher Antrieb für schwere Nutzfahrzeuge geeignet sei, darüber lägen derzeit jedoch noch keine ausreichenden Erfahrungen und Erkenntnisse vor.
Lkw-Bauer und Transportbranche sind da schon etwas weiter als die Politik und haben schon konkretere Pläne. Im Verteilerverkehr bis maximal 450 Kilometer seien Batterie-Lastwagen geeignet, sagt Andre Kranke, Technikchef der Spedition Dachser. "Bei größeren Entfernungen verringern die Batteriegrößen die Nutzlast so sehr, dass der Betrieb nicht wirtschaftlich ist." Dazu kommen noch die Stromladezeiten.
Ein Sattelschlepper dürfte die 1140 Kilometer von Mailand nach Hamburg also auch 2030 noch mit einem Dieselmotor fahren. Erst danach kommt der Wandel in den Fernverkehrsflotten, "wenn Serienfahrzeuge mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieben auf dem Markt sind". Die Gesamtkosten eines solchen Lastwagens dürften sich dann denen eines Diesel-Lkw angenähert haben.
Ein Sattelzug fährt im Durchschnitt 10.000 Kilometer im Monat und hat eine Lebensdauer von nur sechs Jahren - da könnte neue Technik also rasch eingeführt werden. Nur muss sie sich auch wirtschaftlich rechnen.
Um das zu erreichen, arbeitet etwa Daimler bei Entwicklung von Wasserstoff-Lastwagen mit Volvo zusammen und hat am Dienstag auch den Lkw-Bauer Iveco und die Tankstellenbetreiber Shell und OMV mit an Bord geholt, um "dem Wasserstoff-Lkw gemeinsam zum Durchbruch zu verhelfen".
Sie "sind sich einig, dass wasserstoffangetriebene Lkw der Schlüssel für einen CO2-neutralen Transport der Zukunft sind", sagte Daimlers Truck-Chef Martin Daum. Staatliche Fördergelder für die Branche und die Infrastruktur sollen helfen, ebenso eine Lkw-Maut, die klimafreundliche Fahrzeuge belohnt. Die Oberleitung sollte man sich sparen, sagte Daum - das sei eine "teure Sackgasse".
MAN arbeitet beim Wasserstoff-Lkw mit der Toyota-Tochter Hino zusammen, hält sich aber auch noch den Sattelzug mit Batterie offen. Für Engelhardt ist die Sache aber ausgemacht, die Branche sei sich einig: "Es wird Richtung Wasserstoff gehen."
Die von Klimaschützern kritisch gesehenen eFuels sehen der BGL-Vorstandssprecher wie die Lkw-Hersteller als Ergänzung.
Die Spedition Kühne + Nagel erwartet sogar, "dass alternative Kraftstoffe in allen Transportmodi eine wichtige Rolle spielen werden". Mit grünem Strom könnten auch etwa in Marokko eFuels hergestellt und als flüssige Kraftstoffe nach Deutschland gebracht werden, schlug der Geschäftsführer der Daimler Truck Fuel Cell, Christian Mohrdieck, bei einem "Handelsblatt"-Forum vor.
Ohne alternative Kraftstoffe seien die EU-Klimaziele 2030 nicht zu schaffen. Um mindestens 30 Prozent muss der CO2-Ausstoß der Nutzfahrzeuge bis dahin senken. Sonst drohen immense Strafen: Erreicht ein Lkw-Bauer nur 29 Prozent, wird schon rund eine halbe Milliarde Euro Strafe fällig.
Titelfoto: Frank Rumpenhorst/dpa