Brennende Reifen in Kuwait: Klimakämpfer und Verschwörer fallen gleichermaßen auf Video rein
Kuwait - Die zu Jahresbeginn eingeführte CO2-Steuer erhitzt auch im Netz die Gemüter. Die Abgabe von 25 Euro wird je Tonne ausgestoßenem CO2 fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht. Ein in sozialen Medien über 100.000 Mal geteilter Beitrag greift die Debatte nun auf.
Zu Bildern von brennenden Reifen und dichten Rauchwolken wird behauptet, in Deutschland müsse die Steuer bezahlt werden, während in Afrika Reifen brennen. Werden wir tatsächlich - so wie behauptet - "verar***t"?
Millionen alter Autoreifen lagern auf einer Mülldeponie in Sulaibiya, einer Kleinstadt in Kuwait (Anm. d. Redaktion, das in Arabien und nicht in Afrika liegt) nahe der Hauptstadt.
Dort hat es schon mehrfach gebrannt. Über Vorfälle in den Jahren 2012 und 2020 etwa berichtete die Tageszeitung "Gulf News" auf ihrer Homepage. Das Fernsehnetzwerk France 24 berichtet von allein drei Bränden in diesem Jahr.
Schwarzer Qualm über der Anlage ist sogar auf Satellitenfotos etwa bei Google Maps zu erkennen.
Dokumentiert wurde ein Feuer Ende April 2021 - auch mithilfe von Fotos und Videos - unter anderem von lokalen Medien (arabisch) und internationalen Medien - darunter die chinesische, staatliche Nachrichtenagentur Xinhua.
Zwei der hier gezeigten Fotos (Foto 1, Foto 2) entstanden am 29. April 2021 und werden auch in dem auf Facebook geteilten Video verwendet.
Dort sind die Rauchschwaden in Bewegung und es entsteht so fälschlicherweise der Eindruck, es würde vor Ort gefilmtes Bewegtmaterial gezeigt werden. Scheinbare Kamerafahrten und die Auswahl verschiedener Bildausschnitte verstärken den Eindruck.
Klare Manipulation der Videos erkennbar
Tatsächlich aber sind nur Fotos zu sehen, die nachträglich animiert wurden. Derartige Manipulationen lassen sich mit Apps wie "Motionleap" in wenigen Minuten auf dem Smartphone oder Tablet erstellen. Es wurden zudem virtuelle Kamerafahrten hinzugefügt.
Bei der Einstellung, die gegen Ende des Videos gezeigt wird, wurden im Vergleich zum Original zusätzlich Helligkeits- und Kontrastverhältnisse stark angepasst.
Ein direkter Vergleich mit dem jeweiligen Ausgangsmaterial von Xinhua lässt daran keinen Zweifel.
Die Animation, die ab der dritten Sekunde des Videos eingeblendet wird, wurde zudem größtenteils künstlich erzeugt. Es finden sich bei den Reifenhaufen immer wieder prägnante Muster, die sich in mehreren Teilen des Bildes wiederholen. Etwa die Leerflächen rechts unten, in denen jeweils ein einzelner Reifen in der Mitte einer Freifläche liegt.
Es ist denkbar, dass für diese Bearbeitung das "Stempel"-Werkzeug gängiger Bildbearbeitungsprogramme zum Einsatz kam, das bestehende Bildteile an anderer Stelle wiederholt - etwa um einen Bildausschnitt künstlich zu vergrößern oder einen unerwünschten Bildbereich abzudecken. Auch ein Nutzer von Facebook zeigt in den Kommentaren zum Beitrag anhand eines Screenshots die sich wiederholenden Stellen.
Die Aufnahmen sind also in Kuwait entstanden und zeigen auch kein echtes Video. Zu einem anderen Video haben die Faktenprüfer von Correctiv beim Bundesumweltministerium nachgefragt, ob Deutschland tatsächlich Reifen in Kuwait entsorgt.
Die Antwort: "Solche Exporte haben seit Inkrafttreten der Abfallverbringungsverordnung im Jahr 2007 nicht stattgefunden. Auch wurden nach unserem Kenntnisstand in den letzten Jahren keine gebrauchten Reifen exportiert."
Das manipulierte Video wurde auch von Klimaaktivisten in falschem Zusammenhang verbreitet. Im August 2021 veröffentlichte "Extinction Rebellion" das Video bei Twitter - fälschlicherweise mit der Behauptung, das Video zeige einen aktuellen Brand.
Für den Fehler hat sich die Umweltschutzbewegung inzwischen entschuldigt. In der Korrektur wird jedoch nicht auf die tatsächliche Entstehungsgeschichte des Videos hingewiesen.
Titelfoto: xinhuanet.com/Screenshot Facebook Stefan Haug