Ministerpräsident Daniel Günther sieht großen Zuwanderungsbedarf

Kiel - Eine Lücke von mehreren Hunderttausend Arbeitskräften droht dem Norden im nächsten Jahrzehnt. Dem will Ministerpräsident Daniel Günther (49, CDU) verstärkt mit Zuwanderung begegnen. Er sieht dabei auch den Bund in der Pflicht.

Daniel Günther (49) während der Konferenz der norddeutschen Bundesländer in Bremen am Donnerstag.
Daniel Günther (49) während der Konferenz der norddeutschen Bundesländer in Bremen am Donnerstag.  © Sina Schuldt/dpa

Mit weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung und einer aktiven Willkommenskultur will Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther mehr ausländische Arbeitskräfte ins Land locken. "Wir sind erheblich auf Zuwanderung angewiesen, das gilt für Deutschland insgesamt und ohne Zweifel auch für Schleswig-Holstein", sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Hier gehe es um alle Anforderungsprofile, um Experten, Fachkräfte aber auch um andere Arbeitskräfte.

"Bis 2035 reden wir von einer Lücke von 300.000 Fach- und Arbeitskräften, die wir dringend schließen müssen", sagte Günther. Eine Projektion für Schleswig-Holstein gehe davon aus, dass von dem genannten Bedarf fast ein Drittel, etwa 90.000 Menschen, mit ausländischen Fachleuten und anderen Arbeitskräften gedeckt werden müsse.

"Um sie zu gewinnen, müssen wir so attraktiv wie möglich werden. Das ist auch eine Voraussetzung, um unser ambitioniertes Ziel zu erreichen und erstes klimaneutrales Industrieland zu werden."

Daniel Günther: "Wollen Offenheit für Zuwanderung weiter fördern."

Will unter anderem zu hohe bürokratische Hürden abbauen: Daniel Günther (49, CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.
Will unter anderem zu hohe bürokratische Hürden abbauen: Daniel Günther (49, CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.  © Marcus Brandt/dpa

Eine gemeinsame Fachkräftekampagne mit der Wirtschaft solle internationale Strahlkraft haben, um den Standort Schleswig-Holstein zu bewerben, sagte Günther. "Aber es muss sich auch auf Bundesebene etwas verändern, damit Deutschland attraktiver für Fach- und Arbeitskräfte aus dem Ausland wird", sagte Günther. "Wir haben da Aufholbedarf – es haben sich einige Hemmnisse in der Welt herumgesprochen."

Als Beispiele nannte Günther zu hohe bürokratische Hürden. So müsse die Berufsanerkennung schneller werden. Daneben sollte aber auch Menschen ohne vergleichbare Qualifikation mit entsprechender Berufserfahrung der Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht werden - wenn sie zum Beispiel einen Arbeitsvertrag haben.

In diesem Sinne sei das jüngst vom Bund vorgestellte Fachkräfteinwanderungsgesetz ein Schritt in die richtige Richtung. Es bleibe aber viel mehr zu tun, sagte Günther, so bei Visaerteilung oder Digitalisierung. Auch beim Aufenthaltsrecht sei Deutschland noch nicht auf dem Niveau anderer Länder, um mit möglichst niedrigen Hürden den Aufenthalt zu ermöglichen. Zudem müssten Sprachkurse und andere Dinge in ausreichender Zahl angeboten und besser organisiert werden.

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Auch das Image Deutschlands, offen für Zuwanderung zu sein, könne noch positiver sein. "Bei uns in Schleswig-Holstein ist die Offenheit für Zuwanderung eine Stärke, die wir aber noch weiter fördern wollen."

Schwarz-Grün setzt große Erwartungen in "Welcome Center"

Gehört seit 2009 dem Kieler Landtag an und ist seit 2017 Regierungschef in Schleswig-Holstein: Ministerpräsident Daniel Günther (49, CDU).
Gehört seit 2009 dem Kieler Landtag an und ist seit 2017 Regierungschef in Schleswig-Holstein: Ministerpräsident Daniel Günther (49, CDU).  © Frank Molter/dpa

Große Erwartungen setzt die schwarz-grüne Landesregierung in ein Welcome Center, das im Laufe dieses Jahres an den Start gehen soll. Es soll als zentrale Erstberatungs-, Informations- und Servicestelle rund um das Thema Arbeitskräftezuwanderung fungieren und Themen wie Visum, Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen, Beschäftigung, Bildung, Wohnen und Familie bündeln. Das Welcome Center soll Günther zufolge auch im Ausland aktiv werden. "Wir wollen damit Kontakte aufbauen, bevor Menschen überhaupt in Europa sind."

Der Etat für 2023 beträgt 1,4 Millionen Euro. Geplant sind bis zu sechs Stellen bei der Wirtschaftsförderungs- und Technologietransfergesellschaft. Hinzu kommen zwei Stellen vom Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge und bis zu fünf Mitarbeitende der Arbeitsagentur.

Außer dem Werben um ausländische Kräfte gehe es auch darum, die Arbeitsmarktintegration für jene zu erleichtern, die schon hier sind, sagte Günther. Das gelte zum einen für diejenigen, die einen rechtmäßigen dauerhaften Aufenthalt haben. Sie müssten schnell die Möglichkeit bekommen, zu arbeiten, sagte Günther.

Zum anderen müssten auch jene Perspektiven bekommen, die eine gewisse Bleibeperspektive ohne dauerhaften Aufenthaltstitel haben. Das Chancen-Aufenthaltsrecht des Bundes brachte hier aus Günthers Sicht schon Verbesserungen.

"Wer in Deutschland arbeitet, dem sollte der Staat auch ein dauerhaftes Bleiben ermöglichen"

"Da können wir uns aber noch liberalere Regelungen vorstellen - gerade dort, wo wir erheblichen Bedarf an Arbeitskraft haben, ist es nicht ersichtlich, warum wir besonders hohe Hürden aufbauen, diese Arbeitskraft auf den Arbeitsmarkt kommen zu lassen", sagte Günther. Natürlich müssten dafür gewisse Voraussetzungen wie Integrationswille oder Straffreiheit gegeben sein.

"Aber wer in Deutschland in einer Firma arbeitet und damit seinen eigenen Lebensunterhalt bestreiten kann, dem sollte der Staat auch ein dauerhaftes Bleiben ermöglichen."

Titelfoto: Frank Molter/dpa

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