Erst 27 Jahre und schon im Bundestag: Hattest du überhaupt mal einen Job, Philipp Hartewig?

Berlin - Runde drei unserer Reihe der jüngsten Abgeordneten im Bundestag widmet sich Philipp Hartewig. Nach Fabian Funke (24) von der SPD & der Linken-Abgeordneten Heidi Reichinnek (34) erzählt uns auch der FDP'ler von seinem neuen Alltag in Berlin und wie er - zumindest auf dem Fußballfeld - die deutsche Spitzenpolitik in die Schranken weist.

Der Chemnitzer ist mit 27 einer der Jüngsten seiner Art.
Der Chemnitzer ist mit 27 einer der Jüngsten seiner Art.  © Eric Münch

TAG24: Flüchtlingsströme, Pandemien, Kriege … jetzt auch noch in Europa. Warum will man heute noch Politiker werden?

Philipp Hartewig: Gut, die jetzige Situation gab es vor einem Jahr noch nicht. Aber es ist wichtig, dass man jetzt auch Rahmenbedingungen für die Zukunft schafft, und da ist es auch wichtig, sich selbst einzubringen und mitzugestalten. Deswegen ist die Motivation trotz der ganzen Probleme nicht geringer.

TAG24: Also könnte man trotz der fürchterlichen Situation in Europa auch sagen: jetzt erst recht?

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Hartewig: Man ist ja nicht Politiker als Beruf, sondern es ist eine Berufung, ein Mandat auf Zeit. Es lohnt sich also auf jeden Fall, wenn man auch mitgestalten kann.

"Politik war immer ein schönes Hobby"

Politikredakteur Paul Hoffmann (29, l.) und TAG24-Reporter Erik Töpfer (22, r.) trafen den FDP-Sprössling im Paul-Löbe-Haus des Bundestags.
Politikredakteur Paul Hoffmann (29, l.) und TAG24-Reporter Erik Töpfer (22, r.) trafen den FDP-Sprössling im Paul-Löbe-Haus des Bundestags.  © Eric Münch

TAG24: Du bist gerade einmal 27 Jahre alt: Hattest Du je andere Träume, als Karriere zu machen?

Hartewig: (lacht) Träume gibt es immer viele … Ich war schon immer in verschiedenen Bereichen engagiert, bin ursprünglich über die Schülervertretung zur Politik gekommen. Ich war bei mir in der Schule Schülersprecher, im Kreisschülerrat, im Landesschülerrat aktiv.

In Schulen habe ich auch Seminare gehalten über Schülermitsprachewirkung, Schulrecht, wie man da auch gestalten kann. Politik habe ich dann immer als schönes Hobby neben meinem Jurastudium gemacht und dann hatte ich die Möglichkeit, für den Bundestag zu kandidieren. Ich habe Glück und habe ein paar Stimmen bekommen. (lacht wieder)

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TAG24: Du kommst also direkt aus dem Studium und hattest vorher nicht noch einen „richtigen Job“?

Hartewig: Das Studium ist ja theoretisch mit dem ersten Staatsexamen abgeschlossen und ich bin jetzt schon fertig mit dem Referendariat. Ich bin aber relativ direkt von da dann in den Bundestag.

TAG24: Wie kann man sich das vorstellen: Hast Du schon in der Grundschule, als alle anderen Polizisten oder Tierärzte werden wollten, gesagt, dass Du Politiker werden willst?

Hartewig: Nee, überhaupt nicht. Das ist, glaube ich, auch schwierig, wenn man das als Ziel hat. Aber es hat sich auch gewandelt von klein auf. Als kleiner Junge wollte ich mal Bauer werden, weil wir immer Urlaub auf dem Bauernhof gemacht haben, und dann hat sich das durch die Schule auch verändert. Zwischendurch hatte ich noch überlegt, ob es nun Lehramt oder Jura wird, aber man ist halt mit Jura auch extrem flexibel und es ist auch spannend.

Das würde ich jedes Mal wieder studieren. Jetzt habe ich auch die Chance, diese Fähigkeiten einzubringen, und das hilft ja auch, wenn man ein besseres Verständnis für die Wechselwirkungen zwischen Gesetzen und dem, wie es dann in der Realität aussieht, mitbringt.

TAG24: Was würdest Du machen, wenn es in vier Jahren nicht mit der Wiederwahl klappt?

Hartewig: Dann würde ich als Jurist arbeiten. Seit Wochen habe ich die Anmeldung für die Rechtsanwaltschaft fertig und muss sie eigentlich nur noch abschicken. Ich mache mir da auch wenig Sorgen.

Wie fühlt sich so ein Jung-Chef?

Auf dem Instagram-Kanal TAG24 findet Ihr dank Social-Media-Redakteur Paul Schönlebe (20, l.) weitere Inhalte mit Philipp Hartewig.
Auf dem Instagram-Kanal TAG24 findet Ihr dank Social-Media-Redakteur Paul Schönlebe (20, l.) weitere Inhalte mit Philipp Hartewig.  © Paul Hoffmann

TAG24: Wie setzt man sich als so junger Mensch gegen die fest eingefahrenen Urgesteine der FDP durch, um hierhin zu kommen?

Hartewig: Ich glaube, mein Vorteil war, dass ich schon relativ lange dabei bin. Als Schüler bin ich mit 15 Jahren den Jungen Liberalen beigetreten, mit 16 Jahren war ich dann schon im Landesvorstand vom Jugendverband und war auch drei Jahre Landesvorsitzender.

Es hat natürlich auch geholfen, dass wir als Verband sehr aktiv waren und natürlich auch nutzen konnten, dass die FDP zwischenzeitlich außerparlamentarisch unterwegs war. Da kann man als Jugendverband noch mal teilweise stärker wirken, weil die Partei halt nicht so präsent ist.

Seit 2019 war ich dann auch stellvertretender Landesvorsitzender der FDP und hatte, neben der Kandidatur in meinem Wahlkreis Mittelsachsen, dann auch als Vertreter der jungen Generation eine gute Aussicht auf einen vorderen Listenplatz.

TAG24: Wie erklärst Du Dir eigentlich das Phänomen, dass die FDP bei der letzten Bundestagswahl bei jungen Leuten genauso viele Wähler wie die Grünen begeistern konnte?

Hartewig: Ich glaube, das ist das Selbstbild, welches die FDP vermittelt. Wir trauen den Leuten zu, eigenverantwortlich zu handeln. Gerade im Zuge der Pandemie, die auch stark die Bundestagswahl geprägt hat, haben wir Freien Demokraten ein gutes Mittelmaß aus Freiheit des Einzelnen und Eigenverantwortung gefunden. Auf der anderen Seite haben wir aber auch die Notwendigkeit besonderer Maßnahmen zum Infektionsschutz anerkannt.

Wir haben ein Gleichgewicht hergestellt, immer abgewogen und im Zweifel auch mal für die Freiheit und mehr Eigenverantwortung argumentiert. Ich glaube, das ist recht attraktiv. Genauso wie die Themen Liberalismus und Freiheiten im Ganzen. Ob Wirtschafts- und Gesellschaftsfragen oder Digitalpolitik.

TAG24: Bevor Du Abgeordneter geworden bist, hast Du studiert. Jetzt hast Du plötzlich Angestellte, die für Dich arbeiten, ein Wahlkampfbüro, das die „Marke Philipp Hartewig“ pflegt, usw. Wie kommst Du mit dem jungen Chef-Sein klar?

Hartewig: Eigentlich ganz gut. In anderen Ehrenämtern habe ich auch schon Personalverantwortung gehabt oder habe ich. Sowohl als stellvertretender Landesvorsitzender als auch als Vize-Vorsitzender des Kreissportbundes und Vorsitzender der Kreissportjugend. Ganz, ganz neu ist also nicht, aber es ist natürlich was Anderes, wenn man ein Team hat, das nur für einen selbst arbeitet.

Aber es macht Spaß, weil ich auch ein cooles Team habe! Zumal: Wenn man ein Team neu aufbaut und nicht in feste Strukturen kommt, von den Gepflogenheiten bis zu den Hierarchien usw., sind die Gestaltungsmöglichkeiten ganz andere.

Kicken mit Scholz und Laschet?

Der "FC Bundestag" hat sogar sein eigenes Stickerheft.
Der "FC Bundestag" hat sogar sein eigenes Stickerheft.  © picture alliance/dpa/FC Bundestag

TAG24: Was machst Du eigentlich für Sport?

Hartewig: Im Freizeitbereich gehe ich so zweimal die Woche ins Fitnessstudio und zweimal die Woche laufen. Ich bin auch im Schachverein, da mache ich aber nur so ein- bis zweimal die Saison bei einem Punktspiel mit. Diese Woche habe ich auch zum ersten Mal beim Training des FC Bundestag, der Parlaments-Fußballmannschaft, mitgemacht.

Da ist dann nächste Woche gleich das erste Länderspiel gegen den Fahrdienst. Das ist tatsächlich echt spannend, weil es überfraktionell ist und der Spaß im Vordergrund steht. Dann gibt’s auch eine Parlamentarier-WM gegen andere Länder…

TAG24: Und wie kann man sich das vorstellen: Ist dann Olaf Scholz der große Sturmstar oder Armin Laschet in der Verteidigung?

Hartewig: (lacht) Nee, die beiden habe ich da nicht gesehen, aber ich war auch erst einmal da.

TAG24: Tapetenwechsel Bundestag: Nimmt man Dich hier überhaupt ernst?

Hartewig: Ja, mein Alter spielt tatsächlich kaum eine Rolle. Sowohl in der Fraktion als auch im Bundestag hatte ich bisher nicht das Gefühl, auf mein Alter reduziert zu werden.

TAG24: Muss man sich hier gegen die Alteingesessenen stark durchsetzen?

Hartewig: Also, bei uns in der Fraktion überhaupt nicht. Also es gibt sehr wenige Hierarchien und es ist allgemein auch eine relativ junge Fraktion. Es hat auch von Beginn an Spaß gemacht und es war alles auch richtig gut vorbereitet. Von Boot-Camps mit Seminaren von früh bis abends bis hin zu einem Patenschaftsprogramm, wo man mit einem Alteingesessenen erst mal jemanden hat, wo man am Schreibtisch einen Tisch hatte. Bei mir ist das Torsten Herbst aus Dresden. Und auch so ist die Stimmung in der Fraktion ziemlich gut.

"Ich brauche erst mal einen Überblick"

Professionell gucken kann er - dank Boot Camp und Patenschaft.
Professionell gucken kann er - dank Boot Camp und Patenschaft.  © Eric Münch

TAG24: Dein Lebenslauf zeigt geradeaus auf den Bundestag. Aber hier ist doch nicht Schluss, oder? Wirst Du der nächste Christian Lindner?

Hartewig: (lacht) Das glaube ich nicht und so weit würde ich auch erst mal noch nicht denken! Jetzt geht es darum, sich wirklich einzuarbeiten und die eigenen Themen in der Legislatur gut voranzubringen. Aber natürlich weiß man auch, dass man einige Monate braucht, um Routine zu haben. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, noch einmal zu kandidieren, aber ich glaube, das macht noch keinen Sinn, da weiter zu schauen.

TAG24: Bist Du nach Berlin gezogen?

Hartewig: Jein. Ich habe weiterhin meine Wohnung in Sachsen, aber seit kurzer Zeit auch eine Einraumwohnung in Berlin, wo ich gerade dabei bin, diese einzurichten.

TAG24: Und wo wohnt ein junger Bundestagsabgeordneter in Berlin?

Hartewig: Es gibt die sogenannte Schlange, die als Abgeordnetenwohnheim konzipiert ist. Das wurde nach dem Umzug von Bonn nach Berlin gebaut. Da hat man als Abgeordneter oder Bundesbeamter eher ein Zugriffsrecht, wenn was frei wird.

TAG24: Sozusagen Klassentreffen nach Feierabend…

Hartewig: So ungefähr!

TAG24: Wie verliert man als Bundestagsabgeordneter – bei all den Sachen, die scheinbar alle gleichzeitig weltweit passieren – nicht den Kontakt zu "seinen Leuten", seinem Wahlkreis?

Hartewig: Ich bin bisher relativ viel im Wahlkreis unterwegs gewesen und habe eine Bürgermeistertour gemacht. In Mittelsachsen gibt es 53 Kommunen, 40 Bürgermeister habe ich schon besucht. Als Erstes gilt es erst mal die ganzen Themen aufzugreifen. Wo werden Fördergelder benötigt? Was sind Projekte, Herausforderungen? Wo gibt es noch keine Lösung? Wo hakt es bei einzelnen Sachen?

Ich will mir einfach erst mal einen Überblick verschaffen, was so die großen Projekte sind, die man vielleicht anbringen kann. Natürlich versuche ich auch so viele Nachrichten wie möglich zu beantworten und bei einigen digitalen Formaten habe ich auch Zeit verbracht. Aber man hat schon ein Zeitproblem.

In der Terminplanung für den Wahlkreis bin ich jetzt schon drei Monate voraus und da hat man ja noch nicht mal die Zeit, wo man mal alles durchdenkt, E-Mails schreibt oder Sachen durcharbeitet. Also, es ist schon herausfordernd, aber ich versuche da einen Spagat hinzubekommen.

Titelfoto: Holm Helis & Eric Münch

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