Solarboom im Norden: Immer mehr Balkonkraftwerke
Hamburg - Solaranlagen sind spätestens seit dem rasanten Anstieg der Strompreise im vergangenen Jahr extrem gefragt. Vor allem sogenannte Balkonkraftwerke erfreuen sich auch in Norddeutschland großer Beliebtheit.
Wer eine Steckersolaranlage betreibt, muss sie beim Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur anmelden. Die dort gespeicherten Daten hat TAG24 ausgewertet.
Spitzenreiter bei Balkonkraftwerken im Norden ist ganz klar das Flächenland Niedersachsen. Hier kamen im ersten Halbjahr 2023 19.482 Anlagen mit einer Nettonennleistung von 14,5 Megawatt hinzu. Damit hat sich der Bestand auf insgesamt 28.386 Steckersolaranlagen (19,9 Megawatt) mehr als verdreifacht.
Im nördlichsten Bundesland ist der Zuwachs ebenfalls enorm. In Schleswig-Holstein kamen von Januar bis Ende Juni 7952 neue Anlagen mit 6,1 Megawatt Leistung hinzu. Dort sind insgesamt 10.887 Balkonkraftwerke mit 7,9 Megawatt in Betrieb.
An dritter Stelle kommt Mecklenburg-Vorpommern. Der Bestand wuchs um 5208 Anlagen auf insgesamt 7601. 3,2 Megawatt wurden zugebaut, sodass insgesamt maximal 4,6 Megawatt erreicht werden.
Hamburg und Bremen bei Mini-Solaranlagen weit hinten
Im Stadtstaat Hamburg kamen zwischen 1. Januar und 30. Juni 981 Mini-PV-Anlagen dazu. Sie bringen es auf knapp 0,6 Megawatt Nennleistung. Insgesamt sind in der Hansestadt 1694 Plug and Play Solarmodule registriert, die es auf fast 1 Megawatt bringen. In Bremen gibt es 861 angemeldete Balkonkraftwerke, 558 mehr als noch im Vorjahr. Scheint die Sonne, können maximal 0,5 Megawatt klimaneutraler Strom erzeugt werden.
Zu den angemeldeten Anlagen dürfte eine Vielzahl nicht registrierter kommen.
Der Zuwachs fällt in eine Zeit hoher Strompreise. Inzwischen sinken die Anlagenpreise wieder, die Lieferprobleme durch den gestörten Welthandel gehören der Vergangenheit an und die Mehrwertsteuer für Solaranlagen wurde zum 1. Januar 2023 auf null Prozent gesenkt. Selbst in vielen Discountern werden Balkonkraftwerke inzwischen angeboten.
In Schleswig-Holstein wird die Anschaffung mit 200 Euro aus dem Klimaschutz-Förderprogramm bezuschusst. In Mecklenburg-Vorpommern gab es sogar bis zu 500 Euro, inzwischen kann der Zuschuss nur von Mietern beantragt werden.
Wie sich diese Entwicklungen auf den Bestand auswirken, wird das zweite Halbjahr 2023 zeigen. Angesichts des großen Angebots und Interesses dürfte sich der Boom fortsetzen.
Was ist ein Balkonkraftwerk?
Ein Balkonkraftwerk besteht laut Verbraucherzentrale meist aus ein oder zwei Solarmodulen und einem Wechselrichter. Dazu kommt ein Kabel für den Anschluss ans Stromnetz und Halterungen oder Befestigungsmaterial. Die Mini-Solaranlagen können von Privatpersonen selbst angebracht, angeschlossen und direkt genutzt werden.
Die Module können beispielsweise an eine Balkonbrüstung gehängt, auf ein Schuppendach oder eine Hauswand montiert oder im Garten aufgestellt werden. Maximal darf eine Steckersolaranlage 600 Watt erzeugen und ins Hausnetz einspeisen. Dort wird er meist sofort verbraucht, überschüssiger Strom geht einfach ins Netz, ohne dass es dafür eine Vergütung gibt.
Die Anlage muss beim Netzbetreiber und beim Marktstammregister angemeldet werden. Mieter müssen ihren Vermieter um Erlaubnis fragen. Derzeit ist eine Gesetzesänderung in Planung, die die Grenze auf 800 Watt anheben und die Anmeldung vereinfachen soll.
Günstige Komplettpakete gibt es für knapp 250 Euro, aber Steckersolaranlagen können auch locker mehr als 1000 Euro kosten. Stimmen Ausrichtung, Sonnenscheindauer, Eigenverbrauch und Strompreis, rentiert sich die Anlage schnell. Die Verbraucherzentrale geht von bis zu 200 Euro aus, die sich jährlich sparen lassen. Die Anlagen können in der Regel 20 Jahre und länger genutzt werden.
Titelfoto: Stefan Sauer/dpa