Von Dörthe Hein
Magdeburg - In Sachsen-Anhalt suchen mehr Betroffene von Zwangsverheiratung und Menschenhandel Hilfe.
Nach mehreren Jahren mit jeweils etwa 40 bis 60 Fällen stieg die Zahl der Hilfesuchenden 2022 auf knapp 80 und im vergangenen Jahr auf 120.
"In diesem Jahr wird die Zahl ähnlich hoch, voraussichtlich sogar etwas höher", sagte die Leiterin der AWO-Beratungsstellen in Sachsen-Anhalt, Yvonne Joachim.
Die Fachstelle Vera bietet von Zwangsverheiratung, ehrbezogener Gewalt oder Menschenhandel betroffenen Mädchen und Frauen Sachsen-Anhalt-weit mehrsprachig Beratung, Begleitung und Unterstützung an.
Das Angebot reicht bis zu Schutzwohnungen. Viele Begleitungen erstrecken sich über einen längeren Zeitraum.
Dass die Fallzahlen deutlich gestiegen sind, könnte Yvonne Joachim zufolge zum einen daran liegen, dass die Informationen zu Hilfsangeboten die Betroffenen inzwischen besser erreichen.
Beratungsstellen, Frauenhäuser, die Polizei, Schulsozialarbeiter und auch Behörden vom Jugendamt bis zum Jobcenter vermittelten zur Fachstelle Vera. "Die Sensibilität ist gewachsen."
Gefahr der Eskalation mitdenken
Die Fachstelle Vera bietet Fachkräfteschulungen etwa bei der Polizei an, damit die Beamten wissen, wie sie reagieren, wenn sie etwa von einer 17-Jährigen angerufen werden, die zu Hause eingesperrt ist, weil sie am nächsten Morgen ins Ausland fliegen soll, um zwangsverheiratet zu werden.
Getrennte Befragung von der Familie, Telefondolmetschung und Betreuung durch weibliche Beamte seien unter anderem entscheidend dafür, ob die Mädchen sich öffneten, sagte Yvonne Joachim.
Es bestehe immer die Gefahr, dass die Situation der Mädchen und Frauen eskaliere.
Über ein Drittel der Hilfesuchenden im Jahr 2023 sei in der Altersgruppe elf bis 25 Jahre gewesen. Die Fachstelle unterstützte ebenso ältere Frauen mit längst erwachsenen Kindern dabei, sich aus ihrem gewalttätigen Umfeld zu lösen.
Die Klientinnen stammten aus 35 verschiedenen Herkunftsländern, am häufigsten aus Syrien, Deutschland, Afghanistan und Kamerun.