Hunderttausende Jobs! Wirtschaftsboom dank Fleischersatz-Industrie?
Berlin - Auch wenn vegetarische und vegane Ernährung seit Jahren boomen, werden Fleisch- und Milchalternativen von vielen Menschen immer noch strikt abgelehnt, das Thema wird in Deutschland heiß diskutiert. Doch laut einer neuen Studie haben die Fleischverzichter nun ein weiteres Argument auf ihrer Seite - die Wirtschaft!

Als vegane Ernährung in den 2000er-Jahren immer populärer wurde, waren es vor allem moralische Gründe, die viele Menschen von einem Verzicht auf Fleisch und Co. überzeugten. Im Laufe der Jahre und Zeiten der Klimakrise kamen ökologische Standpunkte hinzu.
Nun könnten ökonomische folgen: Eine neue Studie des Beratungsunternehmens SYSTEMIQ im Auftrag der Organisation Good Food Institute (GFI) zeigt, dass Fleisch-, Fisch-, Ei- und Milchalternativen in verschiedenen Branchen hierzulande bis 2045 für 250.000 neue Arbeitsplätze sorgen könnten.
Die Forscher gehen in ihrer Untersuchung mit dem Titel "A Taste of Tomorrow" ("Ein Vorgeschmack auf morgen") davon aus, dass der Beitrag zur Wirtschaftsleistung in Deutschland bei bis zu 65 Milliarden Euro liegen dürfte. Zum Teil durch den eigenen Markt, aber vor allem durch Exporte, zum Beispiel von Produktionsanlagen.
"Der Inlandsmarkt für Lebensmittel auf Pflanzen-, Fermentations- und Anbaubasis könnte rund 10 Prozent der heutigen Lebensmittel- und Getränkeindustrie erreichen", schreiben die Autoren. Schon jetzt ist Deutschland Europas größter Markt für pflanzenbasierte Lebensmittel.
Die Berechnungen gehen allerdings von einem sogenannten "High-Ambition-Szenario" aus. Das heißt, sie werden nur erfüllt, wenn Deutschland sich "durch erhebliche regulatorische Unterstützung und hohe Investitionstätigkeit als weltweit führend in der Proteindiversifizierung" positioniert.

"High-Ambition-Szenario" führt zu Job-Boom: Doch was ist, wenn es nicht so gut läuft?
35.000 Arbeitsplätze würden dabei in der unmittelbaren "Herstellung alternativer Proteine" entstehen. Weitere 70.000 bei der "Herstellung von Maschinen für die Lebensmittelverarbeitung", also unter anderem in der Maschinenbaubranche. Auf die "Herstellung von Standardrohstoffen", unter anderem aus landwirtschaftlicher Erzeugung, könnten rund 40.000 Jobs entfallen.
Die ökologischen Vorteile werden in der Studie ebenfalls betont: Der Wasserbedarf würde zurückgehen und Treibhausgasemissionen könnten um bis zu 4,8 Millionen Tonnen sinken. Auch der Flächenbedarf für die Lebensmittelherstellung ginge um bis zu 1,2 Millionen Hektar zurück.
Die Forscher zeigten allerdings auch, was in einem Business-as-usual-Szenario, "bei dem diese Herausforderungen nicht angegangen werden", passieren würde: Selbst dann dürfte der heimische Markt bis 2045 eine Größe von rund acht Milliarden Euro erreichen, die Produktion von veganen und vegetarischen Nahrungsalternativen rund 100.000 neue Arbeitsplätze schaffen.
Titelfoto: dpa/AFP | Mehdi Fedouach