Heute ist er in Dutzenden Ländern etabliert, aber: Der Muttertag war eine echt schwere Geburt
Deutschland - Zum Geburtstag lassen die meisten Menschen vornehmlich sich selbst feiern. Dabei vollbrachte die größte Leistung die Mutter des Jubilars, die ihn unter Qualen und Schmerzen an diesem Tag zur Welt brachte.
Damit die aufopferungsvolle Liebe nicht vergessen wird, feiert man in Deutschland und 74 anderen Ländern am zweiten Sonntag im Mai - wie heute - den Muttertag. Einige Zeitgenossen meinen ja, dieser Tag sei eine Erfindung völkischer Nazis oder gieriger Blumenhändler. Doch das ist bei Weitem nicht die ganze Wahrheit.
Die Vorboten dieses Feiertages gab es bereits ein Vierteljahrhundert vor Christus. In Griechenland wurde Götter- und Menschenmutter Rhea verehrt, die für Behaglichkeit, Fruchtbarkeit und Mutterschaft stand. Die Römer setzten diese Tradition mit dem Kybelekult fort - das Fest wurde immer Ende März gefeiert.
Im 13. Jahrhundert führte Heinrich III. in England den sogenannten "Mothering Day" ein, bei dem die Christen am 4. Fastensonntag die "Mutter Kirche" verehren sollten. Doch viele Briten nutzten den Tag auch, ihrer leiblichen Mutter Aufmerksamkeiten zu schenken. Auch Napoleon hatte den Plan, einen offiziellen Muttertag einzuführen.
Der Muttertag, wie wir ihn heute kennen, hat seine Wurzeln in der Frauenrechts- und Friedensbewegung in den USA. Die Schriftstellerin Julia Ward Howe startete 1870 eine Mütter-Friedenstag-Initiative, deren Ziel es war, dass Mütter ihre Söhne nicht mehr dem Krieg opfern.
Zu den Beteiligten gehörte auch Ann Maria Jarvis, die bereits 1865 eine Bewegung für Mütter-Freundschaftstage gründete - die Aufmerksamkeit dafür hielt sich aber in Grenzen.
Anna Marie Reeves Jarvis sah sich als Begründerin des Muttertages
Erst als Jarvis starb, nahm die Idee an Fahrt auf. Ihre Tochter Anna Marie Jarvis - selbst kinderlos - hatte sich in den Kopf gesetzt, einen Muttertag zu etablieren.
Zum zweiten Todestag ihrer Mutter ließ sie 1907 in der Methodistenkirche in Grafton (West Virginia) einen Gedenkgottesdienst für alle Mütter veranstalten und ließ 500 Nelken verschenkten: rote für die Verehrung lebender Mütter, weiße für die verstorbenen.
Jarvis arbeitete nun hauptberuflich für die Durchsetzung des Muttertages und nutzte mit allem Ehrgeiz Kirchenkreise, um die Idee zu verbreiten. Bereits 1909 wurde der Tag in 45 Bundesstaaten gefeiert, 1914 erstmals als nationaler Feiertag. Jarvis arbeitete aber nicht ohne persönlichen Stolz - jedes Schreiben unterzeichnete sie mit "Begründerin des Muttertages".
Und im Ringen um die Deutungshoheit sollte sie auch scheitern. Denn nun kämpfte Jarvis verbissen gegen Spendensammlungen von Wohlfahrtsorganisationen an diesem Tag.
Und vor allem gegen die einsetzende Kommerzialisierung. Sie versuchte gar, die Feier des Muttertages gerichtlich zu verbieten und saß wegen Störung einer Feier kurzzeitig im Gefängnis. Teilweise hatte sie über 30 Klagen gleichzeitig laufen - bankrott und verbittert starb sie 1948.
Nazis erklärten den Muttertag zum öffentlichen Feiertag
Doch schon viel früher hatte sich ihre Idee auf den Weg über den Großen Teich gemacht - sie verbreitete sich zunächst im Vereinigten Königreich, in der Schweiz und in Skandinavien.
Vor hundert Jahren startete auch der Verband deutscher Blumengeschäftsinhaber mit massiver Werbung für den Muttertag.
Im Mai hängte man Plakate mit "Ehret die Mutter" ins Schaufenster und freute sich über den Umsatz.
Die nächste deutsche Umdeutung des Muttertages erfolgte zehn Jahre später. Die Nationalsozialisten erklärten ihn 1933 zum öffentlichen Feiertag. Besonders kinderreiche Mütter feierte man als Heldinnen des Volkes, weil sie ja den "arischen Nachwuchs" fördern.
In religiös anmutenden "Mütterweihen" wurde das "Ehrenkreuz der Deutschen Mutter" verliehen. Frauen wurden als Kameradinnen gewürdigt, viel mehr aber als "Gebärmaschinen".
In der DDR wurde die zweifelhafte Tradition des Muttertages zumindest nicht offiziell aufgenommen - hier bevorzugte man mit dem 8. März den Internationalen Frauentag.
In der Bundesrepublik ist der zweite Maisonntag als Muttertag nicht gesetzlich verankert. Deshalb streiten sich gelegentlich Handelsverbände um eine Verlegung, falls der Tag auf den Pfingstsonntag fällt - dann bekommen auch Blumenläden keine Ausnahmegenehmigung zur Öffnung.
Andere Länder, andere Sitten
Zu den großen Ländern, die den Muttertag am zweiten Maisonntag feiern, gehören neben den USA auch China, Japan, Brasilien, Kanada und die Türkei.
In Großbritannien findet er an einem Sonntag vor Ostern statt, in Frankreich dagegen am letzten Maisonntag. In arabischen Ländern wird die Mutter zum Frühlingsanfang (21. März) geehrt.
Blumen, Pralinen und Grußkarten sind weltweit die bedeutendsten Muttertagsgeschenke. In Griechenland wird das ganze mütterliche Haus mit Blumen geschmückt.
Japaner widmen ihrer Mutter auch eine Massage oder einen Spa-Gutschein. In Mexiko und Guatemala wird gern mal eine Mariachi-Band bestellt, getanzt und gesungen.
Von der ökonomischen Bedeutung wird der Muttertag in den Vereinigten Staaten nur noch von Weihnachten übertroffen. Nach Schätzungen des Handelsverbandes werden etwa 170 Dollar pro beschenkter Mutter ausgegeben.
Und bei der Zahl der Restaurantbesuche schlägt der Muttertag auch den Valentinstag.
Titelfoto: Evgeny Atamanenko