Comeback der Brustbehaarung - Männlichkeitssymbol oder No-Go?
Berlin - "Echte Kerle" sind behaart und zeigen das auch. So war es zumindest früher in Film und Fernsehen. Und heute? Da wimmelt es auf Instagram von blanken Waschbrettbäuchen. Andererseits muss wohl auch wieder archaische Männlichkeit demonstriert werden. Ist 2022 eine Rückkehr der breiten, wilden Männerbrust angesagt?
"Nicht nur die behaarte Männerbrust, sondern auch die glattrasierte als Teil eines durchtrainierten Körpers ist eine Stilisierung von Männlichkeit", sagt der Männlichkeitsforscher Toni Tholen von der Uni Hildesheim. Der Umgang von Männern mit ihrem Brusthaar unterliege - wie vieles andere auch - einem ständigen, konsumorientierten Wechsel.
Der Literaturwissenschaftler Tholen hält es für möglich, dass "vor dem Hintergrund einer gesellschaftlich und politisch induzierten Remaskulinisierung" die Behaarung wieder mehr als "Dominanzmarker" eingesetzt werden könnte. Jedenfalls sei die Männerbrust traditionell eine zentrale Körperregion für die Modellierung von Männlichkeit.
"Im Vergleich zu früheren Jahrzehnten wird der Männerkörper zunehmend ästhetisiert", sagt auch die Psychologin Ada Borkenhagen. In den 70ern zum Beispiel habe kaum ein Mann daran gedacht, seinen Haarwuchs auf Brust, Bauch oder gar Rücken zu bändigen, sagt Borkenhagen. "Männer durften so bleiben, wie sie sind."
Das sei heutzutage ganz anders, sagt die Professorin von der Magdeburger Universitätsklinik. Zeitgleich gebe es einen Trend zur sogenannten Body Positivity, die unrealistische und diskriminierende Schönheitsideale überwinden wolle.
Bei Männern gehe es da zum Beispiel um Stolz auf runde Formen, rotes Haar oder üppige Behaarung.
Deutsche stehen nicht auf Brustbehaarung
Gerade die Körperbehaarung ist bei Männern stets ein Thema. In Deutschland ist sie recht unbeliebt. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hervor.
Lediglich jeder zwanzigste findet Brusthaar "sehr schön" - sowohl bei Frauen als auch Männern sind es nur 5 Prozent. "Gar nicht schön" finden sie 17 Prozent. Der Rest gibt sich recht unentschieden: So finden 21 Prozent eine behaarte Brust "eher nicht schön", 11 Prozent "eher schön" und 39 Prozent "teils/teils". Der Rest machte keine Angabe.
Ein bisschen über dem Schnitt, was das Schönfinden von Brustbehaarung angeht, sind Frauen zwischen 35 und 44 Jahren sowie junge Männer von 18 bis Mitte 30. Die größte Ablehnung erfährt das Brusthaar bei Mittvierzigern bis Mittfünfzigern.
Das sind theoretisch die Leute, die während ihrer Kindheit oder Jugend in den 80ern mit dem haarigen Hawaii-Privatdetektiv und Krimihelden "Magnum" konfrontiert waren. Ein Zusammenhang mit TV-Größen aus dieser Zeit ist aber völlig unklar.
Psychologin Borkenhagen sieht im Wellenmodus der Mode eine Chance für ein Comeback des Brusthaars. Die Brustbehaarung - allerdings nicht mehr als wilde Matte wie früher - könnte demnach die Bärte als neues ausgestelltes Männlichkeitszeichen ersetzen oder mindestens ergänzen.
Titelfoto: DPA/Annette Riedl