Berlin - Die Ampel ist gescheitert - und zwar unter dramatischen Umständen. Bundeskanzler Olaf Scholz (66, SPD) hat Finanzminister Christian Lindner (45, FDP) hinausgeworfen. Was sind die direkten Folgen und wie geht es weiter?
Die zerstrittene Ampel ist am Ende. Hintergrund ist ein von allen Seiten erbittert geführter Streit um die Wirtschafts- und Haushaltspolitik. Im März soll es demnach zu vorgezogenen Neuwahlen kommen.
Wie geht es nach dem Ampel-Aus jetzt weiter?
Scholz will wichtige Gesetze, die keinen Aufschub duldeten, noch bis Jahresende zur Abstimmung im Bundestag stelle. Er nannte etwa den Abbau der sogenannten kalten Progression, damit die Bürger mehr Netto vom Brutto hätten, die Stabilisierung der Rente und Sofortmaßnahmen für die Industrie.
Er werde das Gespräch mit CDU-Chef Friedrich Merz (68) suchen. Am 15. Januar will Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage stellen - in der Erwartung, dass das Parlament ihm gerade nicht das Vertrauen ausspricht, er also keine Mehrheit bekommt.
In diesem Fall kann der Kanzler den Bundespräsidenten darum bitten, den Bundestag aufzulösen. Scholz sagte, der Bundestag könne den Weg für vorgezogene Neuwahlen freimachen. Diese könnten spätestens Ende März stattfinden.
Ampel-Aus: Was wird aus dem Bundeshaushalt 2025?
Die große Frage ist nun, was aus dem Bundeshaushalt 2025 wird. Dafür gibt es keine Ampel-Mehrheit mehr.
Es gilt entsprechend als unwahrscheinlich, dass die Union von CDU und CSU jetzt für eine Mehrheit sorgt. Wird kein Haushalt beschlossen, würde ab Januar eine sogenannte vorläufige Haushaltsführung gelten. Dann sind vorerst nur Ausgaben möglich, die nötig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. Ein klarer Einschnitt.
In der Praxis kann das Finanzministerium den Ministerien allerdings bewilligen, pro Monat einen Prozentsatz der Mittel des noch nicht verabschiedeten Haushaltsentwurfs zu nutzen. Dies gilt als wahrscheinliche Vorgehensweise.
Was sind die Gründe für das Ampel-Aus?
Lindner schlug in einem Papier zu einer "Wirtschaftswende" eine zum Teil völlige Neuausrichtung der Wirtschafts- und Klimapolitik vor. In dem Papier wird etwa als Sofortmaßnahme die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener gefordert, ein sofortiger Stopp aller neuen Regulierungen sowie ein Kurswechsel in der Klimapolitik. Nationale Klimaziele sollten durch europäische ersetzt werden. Das stieß auf zum Teil erheblichen Widerstand bei SPD und Grünen.
Scholz sagte, Lindner habe ultimativ und öffentlich eine grundlegend andere Politik gefordert - eine milliardenschwere Steuersenkung für wenige Spitzenverdiener und zugleich Rentenkürzungen für alle Rentnerinnen und Rentner.
"Das ist nicht anständig", sagte der Kanzler.
Umstritten war ebenso, wie Milliardenlücken im Haushalt 2025 geschlossen werden sollen. Scholz schlug mit Blick auch auf die Folgen des Ukraine-Kriegs eine Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse vor. Die FDP lehnte das ab.
Warum gab es immer wieder Streit in der Ampel?
Wiederholt hatte es scharfe und in der Öffentlichkeit ausgetragene Streitigkeiten des 2021 als "Fortschrittskoalition" angetretenen Regierungsbündnisses gegeben. Beispiele: das lange Ringen um das Heizungsgesetz, die Kindergrundsicherung, die Migrationspolitik, das Rentenpaket und der Haushalt. Dabei hat die Ampel durchaus Erfolge vorzuweisen.
So wurde die tiefe Energiepreiskrise nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine überwunden, die Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro unterstützt, der Ausbau der erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne nahm spürbar Fahrt auf.
Doch zunehmend traten teilweise massive Spannungen auf, erst recht seit dem Haushaltsurteil des Verfassungsgerichts vor rund einem Jahr, das die derzeitige Regierung in arge Geldnot brachte. Vor allem in der Wirtschaftspolitik prallten angesichts der Konjunkturflaute die unterschiedlichen ideologischen Auffassungen der Ampel-Partner entsprechend voll aufeinander.
SPD und Grüne wollten für mehr Investitionen eine Reform der Schuldenbremse, das lehnte die FDP ab.
Was bedeutet das Ampel-Aus für Deutschlands Rolle in der Welt?
Der Wahlsieg von Donald Trump (78) bei den US-Präsidentschaftswahlen bedeutet enorme Herausforderungen für Deutschland und Europa - zum Beispiel in Fragen der Sicherheitspolitik, der Handelspolitik und der Klimapolitik. Dramatisch könnte es bei der westlichen Unterstützung der Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Angriffskrieg werden.
Gerade in dieser wichtigen Phase fällt Deutschland als "Stabilitätsanker" aus. Auch vor dem Hintergrund der weltpolitischen Krisen hatte Robert Habeck (55, Grüne) gewarnt: "Dies ist die schlechteste Zeit, dass die Regierung scheitert."
Der Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, schrieb auf der Plattform X vom vielleicht schwierigsten Moment in der Geschichte der Bundesrepublik. "Zur inneren Strukturkrise kommen nun massive außenwirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen, auf die wir nicht vorbereitet sind." Deutschland müsse kurzfristig massiv in europäische Verteidigungskapazitäten investieren und mit Frankreich und anderen willigen Partnern vorangehen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (64, SPD) hat bereits mehr Geld für die Bundeswehr gefordert und verweist auf die schnelle Aufrüstung Russlands unter Wladimir Putin. "Die russische Industrie produziert in drei Monaten mehr Waffen und Munition als die gesamte Europäische Union in einem Jahr. Und wir müssen damit rechnen, dass Putin willens und bereit ist, seine Streitkräfte auch zu nutzen", sagte Pistorius gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Was bedeutet das Ampel-Aus für die Wirtschaft?
Das Ampel-Aus ist auch ein Rückschlag für die deutsche Wirtschaft. Für 2024 wird das zweite Rezessionsjahr in Folge erwartet. Deutschland hinkt anderen großen Wirtschaftsnationen hinterher. Bei Unternehmen und auch privaten Haushalten herrscht Unsicherheit. Firmen halten sich mit Investitionen zurück, Bürgerinnen und Bürger legen ihr Geld auf die hohe Kante.
Das dürfte sich nun erst einmal nicht ändern.
Wirtschaftsverbände hatten die Ampel zu umfassenden Reformen aufgefordert - und zwar schnell. Die wichtigsten Punkte: die im internationalen Vergleich hohen Energiepreise müssten sinken, Bürokratie abgebaut und die teils marode Infrastruktur auf Vordermann gebracht werden. Nach dem heftigen Scheitern der Ampel droht eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Auch im kommenden Jahr könnte die Konjunktur nicht in Fahrt kommen.