Die Nationalhymne wird 100 Jahre alt: Das lange Hin und Her um "das Lied der Deutschen"

Deutschland - Ein Lied feiert Geburtstag - kein gewöhnliches! Die deutsche Nationalhymne ist runde 100 Jahre alt. Dabei hatte sie es nicht leicht. Sie wurde stolz gefeiert, von den Nazis missbraucht und immer wieder viel diskutiert. Als 100-Jährige ist die Streitbare längst die unbestrittene Hymne der Deutschen, wenn auch heute in gekürzter Fassung.

Das Brandenburger Tor und die Nationalhymne: Symbole eines geeinten Deutschlands.
Das Brandenburger Tor und die Nationalhymne: Symbole eines geeinten Deutschlands.  © Christophe Gateau/dpa

Sie gehört zu einem Land wie seine Flagge: die Nationalhymne. Doch die Deutschen taten sich schwer damit, eine eigene Hymne zu finden.

Aber seit genau 100 Jahren erklingt sie nun bei Reisen von Bundespräsidenten, Vereidigungen, deutschen Olympiasiegen oder bei Spielen der Fußball-Nationalmannschaft im Stadion. Wer textsicher ist, singt mit.

Als August Heinrich Hoffmann von Fallersleben im Jahr 1841 den Text für die Hymne schrieb, war Deutschland zersplittert. An einen Zusammenschluss der 39 Einzelstaaten war nicht zu denken. Die Landesfürsten wollten lieber ihr eigenes Ding machen.

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In der Hoffnung auf eine geeinte Nation setzte Freigeist Hoffmann von Fallersleben die Textzeile "Deutschland, Deutschland über alles" deshalb gleich an den Anfang der Hymne.

Gilt als Vater unserer Nationalhymne: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874) - Porträt des Dichters im Fallersleben-Museum in Wolfsburg. Die traditionsreichen Worte "Einigkeit und Recht und Freiheit" waren einst in den Rand der 2- und 5-D-Mark-Münzen eingeprägt.
Gilt als Vater unserer Nationalhymne: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874) - Porträt des Dichters im Fallersleben-Museum in Wolfsburg. Die traditionsreichen Worte "Einigkeit und Recht und Freiheit" waren einst in den Rand der 2- und 5-D-Mark-Münzen eingeprägt.  © IMAGO/Werner Otto
Das "Lied der Deutschen" im Original: Handschrift aus dem Nachlass Hoffmanns.
Das "Lied der Deutschen" im Original: Handschrift aus dem Nachlass Hoffmanns.  © wikipedia

Bei einer Bootsfahrt nach Helgoland kam dem Dichter die Idee

Vom Lied zur Hymne brauchte es 81 Jahre. Bereits 1841 schrieb Hoffmann von Fallersleben auf der Insel Helgoland das Deutschlandlied - auf damals noch britischem Boden!
Vom Lied zur Hymne brauchte es 81 Jahre. Bereits 1841 schrieb Hoffmann von Fallersleben auf der Insel Helgoland das Deutschlandlied - auf damals noch britischem Boden!  © imago/Arkivi

Die Idee für den Text der Nationalhymne entstand bei einer Bootsfahrt. 1841 ärgerte sich August Heinrich Hoffmann von Fallersleben bei einer Überfahrt zur damals noch britischen Insel Helgoland.

Für die britischen Passagiere spielte eine Kapelle "God save the Queen", für die Franzosen die Marseillaise.

Für die Deutschen blieb die Kapelle dagegen stumm. So ersann der deutsche Hochschullehrer für Germanistik die Verse für das Deutschlandlied, das er am 26. August 1841 auf Helgoland dichtete.

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Sein Wunsch nach einem vereinten Deutschland noch zu seinen Lebzeiten ging in Erfüllung - mit der Gründung des Deutschen Reichs 1871 unter Otto von Bismarck.

Ein Österreicher komponierte die Melodie

Die Melodie der Hymne stammt von Joseph Haydn (1732 - 1809) - ursprünglich als Lied "Gott erhalte Franz, den Kaiser" 1796 zu Ehren des römisch-deutschen Kaisers Franz II. komponiert.
Die Melodie der Hymne stammt von Joseph Haydn (1732 - 1809) - ursprünglich als Lied "Gott erhalte Franz, den Kaiser" 1796 zu Ehren des römisch-deutschen Kaisers Franz II. komponiert.  © Wikipedia, Ölgemölde von Thomas Hardy von 1791

Fehlte nur noch eine Melodie, um aus den Versen ein Lied zu machen. Dafür suchte er sich das Kaiserquartett von Joseph Haydn aus. Eine Nationalhymne war das Lied der Deutschen damit aber noch lange nicht.

Denn die Sehnsuchtsweisen hatten es anfangs schwer, sich durchzusetzen. Dafür hätte sich nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 mit der Gründung eines deutschen Nationalstaats eigentlich die beste Gelegenheit geboten.

Doch im Bismarck'schen Kaiserreich sang man lieber die Kaiserhymne "Heil dir im Siegerkranz" (Refrain: "Heil, Kaiser, Dir") zur Melodie von "God save the Queen". Eine offizielle Nationalhymne gab es nicht.

Das Deutschlandlied galt den Monarchisten als zu republikanisch.

Seit 1922 ist das "Lied der Deutschen" unsere Nationalhymne

"Wie einst der Dichter, so lieben wir heute 'Deutschland über alles'": Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) bestimmte das "Lied der Deutschen" vor 100 Jahren zur Nationalhymne.
"Wie einst der Dichter, so lieben wir heute 'Deutschland über alles'": Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) bestimmte das "Lied der Deutschen" vor 100 Jahren zur Nationalhymne.  © imago/Arkivi

Das änderte sich erst mit dem Abgang Kaiser Wilhelm II. nach Ende des Ersten Weltkriegs. Doch auch in der Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 fehlte eine Regel für eine Nationalhymne. Es sollte weitere drei Jahre dauern, bis aus dem Deutschlandlied die Nationalhymne wurde. Aus der Sehnsucht vieler nach "Einigkeit und Recht und Freiheit" erhob Reichspräsident Friedrich Ebert - ein Sozialdemokrat - von Fallerslebens "Lied der Deutschen" schließlich zur Nationalhymne.

Als Oberbefehlshaber der Streitkräfte ordnete der Reichspräsident an: "Entsprechend meiner Kundgebung vom 11. August 1922 bestimme ich: Die Reichswehr hat das 'Deutschland-Lied' als Nationalhymne zu führen." Seitdem gilt dieses Datum als Geburtstag der Hymne.

In der NS-Diktatur wurde die erste Strophe zu Propagandazwecken umgedeutet. Plötzlich stand "Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt" nicht mehr für die Sehnsucht nach der inneren Einheit, sondern für den Anspruch auf Weltherrschaft. Die erste Strophe wurde zusammen mit dem Horst-Wessel-Lied ("Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen") als SA-Kampflied gesungen. Die zwei anderen Strophen wurden verboten.

Kein Wunder, dass das Deutschlandlied nach Kriegsende 1945 von den Alliierten als "Ausdruck der aggressiven Expansionspolitik Nazi-Deutschlands" verboten wurde. Auch der erste Bundespräsident Theodor Heuss wollte die Hymne aus dem kollektiven Gedächtnis löschen und gab eine Alternativhymne in Auftrag. Doch die floppte bei ihrer Uraufführung 1950 - verrissen als "Theos kleine Nachtmusik".

Schließlich legten Heuss und Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) fest, dass das Deutschlandlied die Nationalhymne der Bundesrepublik sein solle: "Zu offiziellen Anlässen sei die dritte Strophe zu singen."

Seit der Wiedervereinigung ist sie auch die Hymne für die Ostdeutschen.

Nicht nur zum Fußball: Millionen Menschen verbinden die Nationalhymne mit Deutschland.
Nicht nur zum Fußball: Millionen Menschen verbinden die Nationalhymne mit Deutschland.  © Sebastian Kahnert dpa/lbn

Andere Länder, andere Lieder: Einige Fakten zu Nationalhymnen

• Die Hymne von Liechtenstein ("Oben am jungen Rhein") hat dieselbe Melodie wie die britische "God save the Queen".

• Manche Hymnen kommen ganz ohne Text aus - so wie die spanische "Marcha Real" (Königlicher Marsch) oder die von San Marino.

• Die Griechen haben die längste Hymne der Welt - 24 Strophen! Sie sind nur ein Teil eines Gedichts mit insgesamt 158 Strophen! Gespielt werden aber meist nur die ersten zwei Strophen.

• Nur ganze vier Textzeilen haben dagegen die kürzesten Hymnen der Welt - von Japan und Jordanien.

• Neuseeland leistet sich gleich zwei Hymnen. Als Mitglied des Commonwealth wird natürlich "God save the Queen" gespielt, aber auch "God defend New Zealand" (Gott beschütze Neuseeland) ist eine offizielle Hymne des Inselstaates.

• Die Melodie der Hymne "Maryland, my Maryland" des gleichnamigen US-Bundesstaates lässt uns an Weihnachten denken. Sie klingt wie "Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum".

Titelfoto: Montage: Sebastian Kahnert dpa/lbn, IMAGO/Werner Otto, Wikipedia, Ölgemölde von Thomas Hardy von 1791, imago/Arkivi

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