Das ist derzeit der gefährlichste Ort der Welt!

Warschau/Vilnius - "Vergesst Kaliningrad nicht", warnte Kremlsprecher Dmitri Peskow (54) kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Die russische Ostsee-Exklave befindet sich zwischen Polen und Litauen und ist für Moskau strategisch wichtig. Zum einen befindet sich dort ein wichtiger Marinestützpunkt der russischen Flotte mit Zehntausenden Soldaten. Zum anderen hat Russland in der gleichnamigen Hauptstadt atomwaffenfähige Raketensysteme stationiert. Die NATO macht das zunehmend nervös.

Die polnische Seite des sogenannten "Suwalki-Korridors": Ein rund 100 Kilometer langer Abschnitt der polnisch-litauischen Grenze zwischen Kaliningrad und Belarus.
Die polnische Seite des sogenannten "Suwalki-Korridors": Ein rund 100 Kilometer langer Abschnitt der polnisch-litauischen Grenze zwischen Kaliningrad und Belarus.  © JANEK SKARZYNSKI / AFP

Denn Kaliningrad (Russland) - ist durch den sogenannten Suwalki-Korridor (auch Suwalki-Lücke) von Belarus getrennt. Gemeint ist damit der rund 100 Kilometer lange, direkte Grenzverlauf zwischen Litauen und Polen. Diese Grenze bildet wiederum die einzige Landverbindung der baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen mit den übrigen NATO-Partnern.

Dem US-amerikanischen Nachrichtenportal Politico zufolge gilt die Region rund um den Suwalki-Korridor seit Langem als einer der potenziell heißesten Hotspots in Europa - und derzeit als der gefährlichste Ort der Welt.

Denn sollte sich der Krieg in der Ukraine auf andere europäische Länder ausweiten, wäre die Suwalki-Lücke laut Politico wohl eines der ersten Ziele des russischen Präsidenten, Wladimir Putin (69), - sollte er sich jemals für eine weitere Eskalation entscheiden.

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Bewohner des kleinen litauischen Kurortes Druskininkai, der nahe der Grenze zu Polen und Belarus liegt, sagten über einen möglichen Angriff Russland gegenüber dem Portal, sie "leben nicht in Angst" und vertrauen auf die Stärke des litauischen Militärs und der NATO. Allerdings räumen sie ein, dass ein Angriff möglich ist, denn die Region ist der direkte Landweg nach Kaliningrad.

"Wenn es Russland gelingt, die Ukraine zu besiegen, ist es möglich, dass hier der nächste Schlag kommt", sagte Ramūnas Šerpetauskas, Kommandeur einer örtlichen Einheit der litauischen Freiwilligenmiliz. Er betonte auch, dass die Landenge "die Achillesferse der NATO" sei.

"Das ist eine große Schwachstelle"

Hauptstadt Kaliningrad: Blick über die beleuchtete Uferpromenade am Pregel. In der Exklave, die bis nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges deutsches Gebiet war und Königsberg hieß, leben fast eine Million Menschen.
Hauptstadt Kaliningrad: Blick über die beleuchtete Uferpromenade am Pregel. In der Exklave, die bis nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges deutsches Gebiet war und Königsberg hieß, leben fast eine Million Menschen.  © picture alliance / dpa

Politico verwies darauf, dass erste Warnungen vor möglichen Auswirkungen auf den Suwalki-Korridor bereits 2015 aufkamen - nach der Annexion der Krim 2014 durch Russland. Die große Sorge ist, dass Russland in einem Konflikt mit dem Westen gleichzeitig von Osten und Westen in den Korridor eindringen und die baltischen Länder Litauen, Lettland und Estland vom Rest der NATO abschneiden könnte.

"Das ist eine große Schwachstelle", argumentierte der damalige estnische Präsident, Toomas Hendrik Ilves (68), in einem Gespräch mit der früheren deutschen Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen (63). Ein solcher Schritt würde zu einer unmittelbaren Konfrontation zwischen Moskau und den nuklear bewaffneten NATO-Mitgliedern führen und die Welt an den Rand einer weltuntergehenden Konfrontation bringen, warnte Ilves damals.

Sein Weltuntergangsszenario hat nach Russlands Einmarsch in die Ukraine auf erschreckende Weise an Aktualität gewonnen.

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Doch ein Angriff auf NATO-Territorium würde eine schwere Verletzung darstellen. Wie sähe da eine mögliche Reaktion aus?

Ein Angriff würde den NATO-Bündnisfall auslösen

Ein solcher Schritt Russlands würde den NATO-Bündnisfall auslösen. Zumindest in der Theorie. Politico verweist darauf, dass Washington und Brüssel den Konflikt möglicherweise "nicht wegen eines weitgehend unbesiedelten Stückchens Ackerland" eskalieren lassen wollen. Und dies könnte vom Kreml-Diktator ausgenutzt werden. "Es ist genau die Art Grenzfall, den Putin eifrig testen möchte."

So wie er versuche, eine Landbrücke zwischen Russland und der Halbinsel Krim zu bauen, könnte die Einnahme des Suwalki-Korridors die russischen Truppen in Kaliningrad mit denen verbinden, die in seinem De-facto-Protektorat Belarus stationiert sind.

Aktuell gebe es keinen Grund, darauf hinzuweisen, dass ein Angriff unmittelbar bevorsteht. Dennoch scheine der russische Führer Freude daran zu haben, den Westen im Unklaren darüber zu lassen, was sein nächster Schritt sein wird.

Michail Kassjanow (64), von Mai 2000 bis Februar 2004 russischer Ministerpräsident, goss derweil noch mehr Öl ins Feuer, indem er behauptete, dass "die baltischen Staaten die nächsten sein werden", wenn die Ukraine fällt.

Titelfoto: JANEK SKARZYNSKI / AFP

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