Ein Mythos aufgeklärt: Das passiert wirklich mit dem Gelben Sack
Von Gina Gadis
Es ist laut, es stinkt und rund um mich herum rasen bunt beladene Laufbänder an mir vorbei. Ich fühle mich wie in einem Wimmelbild – herzlich Willkommen in einer der modernsten Müll-Sortieranlagen der Welt.
Hier sollte ich nun endlich Antworten finden auf die Fragen: Was passiert eigentlich mit dem Müll aus dem gelben Sack, beziehungsweise aus der gelben Tonne? Was genau und wie viel kann tatsächlich recycelt werden? Und was sollte ich bei der Mülltrennung beachten?
Dank des Angebots meiner Universität hatte ich die Möglichkeit im Rahmen einer Exkursion Einblick in eine sogenannte "Leichtverpackungs-Sortieranlage" zu erhalten. Hierher bringt die Müllabfuhr den gelben Sack beziehungsweise die gelbe Tonne und den Inhalt der Wertstofftonne aus einem Umkreis von 300 Kilometern. Das entspricht dem Haushalt von 4,5 Millionen Menschen und rund 40 Lastwagen-Ladungen täglich.
Gleich zu Beginn wird uns erzählt, dass hier circa 50 Prozent des angelieferten Mülls sortenrein separiert werden, um anschließend zum Recycling geschafft zu werden. Bitte was? Nur 50 Prozent?
Das soll doch die beste Sortieranlage sein, die es gibt! Doch Schuld daran ist nicht die Anlage, sondern die vielen Fehlwürfe und Mischverpackungen. Die meisten Bürger wissen nicht was genau in den gelben Sack gehört und so landen Textilien, Essensreste und Taschentücher zusammen mit den Plastikverpackungen in einer Tonne.
Bestehen die Verpackungen dann auch noch aus mehreren verschiedenen Materialien und werden sie vorher vom Konsumenten nicht ordentlich auseinander genommen, werden sie ebenfalls aussortiert und landen in der Verbrennung – also der energetischen Verwertung.
Mülltrennung: Ein hochtechnisiertes Verfahren
Die gigantische Anlage besteht aus zwei Gebäuden. Im ersten kommt der ganze Müll an (jährlich rund 240.000 Tonnen) und hier stinkt es demnach gewaltig.
Ein Bagger schmeißt den ganzen Müll dann in einen riesigen Trichter, wo die Säcke aufgerissen werden und auf einem Laufband landen. Befinden sich fälschlicherweise Batterien oder Handys im Müll, kann es an dieser Stelle durch Reibung zum Brand kommen. Deswegen steht die eigentliche (sehr teure) Sortieranlage in einem anderen Gebäude.
In sogenannten Siebtrommeln, die aussehen wie riesige Waschmaschinen, wird der Müll dann nach Größe sortiert. Danach fährt eine Art Staubsauger, in der Fachsprache "Windsichter" genannt, über das Material und saugt leichtere Materialien wie zum Beispiel Folien aus dem Stoffstrom.
Jetzt kommt der spannendste Teil: Mithilfe eines Infrarot-Scanners kann innerhalb von Millisekunden das Material auf dem Laufband erkannt werden. Die Information wird weitergeleitet und anschließend wird das Material je nach Art mit genau fokussierten Windstößen beschoßen, um es auf die entsprechenden Laufbänder zu befördern.
Natürlich gibt es mehrere solcher Infrarot-Stationen hintereinander, um die verschiedenen Materialarten voneinander zu trennen. Metalle werden mit Hilfe von Magneten aus dem Stoffstrom sortiert. Insgesamt gibt es über 30 Trenn- und Sortierschritte. Von Hand wird nur noch zum Schluss kontrolliert. Dabei werden zum Beispiel Silikontuben entnommen, da diese das recyclefähige Material verschmutzen würden.
Obwohl also die Plastikflasche an sich recycelbar wäre, sollte die Silikontube daher lieber in den Restmüll geworfen werden.
Nach diesen 2,5 Kilometern Fließband und der fast vollkommen automatisierten Sortierung ist das Material zu 98 Prozent sortenrein sortiert. Dieses sortenreine Material wird nun gepresst an Recyclingstationen verkauft, wo dann die Reinigung, weitere Aussortierung, das Schreddern, die Farbsortierung, die Schmelze oder die Granularisierung erfolgen.
Wir als Konsument können helfen
Für eine Tonne Polyethylen erhält das Sortierunternehmen zum Beispiel 200 Euro, für jede Tonne Restmüll, also Material, das verbrannt werden muss, muss der Betrieb hingegen 120 Euro zahlen. Es liegt also im Interesse des Betriebs so viel Material wie möglich zum Recycling zu schicken.
Und wir als Konsumenten können dabei helfen: So wird uns erzählt, dass zum Beispiel schwarzes Plastik vom Infrarot-Scanner nicht erkannt wird, da es die gleiche Farbe hat wie das Laufband und demnach in der Verbrennung landet. Chipstüten haben eine metallisierte Innenbeschichtung, die bei der Schmelze verklumpt und dafür sorgt, dass das Material nicht recycelt werden kann.
Auch vollfarbiges PET, wie Flüssigwaschmittel-Flaschen, die zum Beispiel komplett lila, weiß oder blau sind, sollte man vermeiden, da die Farbe beim Einschmelzen verbrennt und das Material verunreinigt.
Am meisten können wir allerdings helfen, indem wir die Materialien so gut wie möglich voneinander trennen, also von jeder Verpackung den Deckel ordentlich abtrennen (denn die sind für gewöhnlich aus einem anderen Material, als die Schale oder der Becher), Papiermanschetten vom Joghurtbecher entfernen, Folienfenster abtrennen oder herauslösen, nichts ineinander stapeln oder Schraubdeckel (zum Beispiel von Tuben) immer ablösen. Denn all das kann die Anlage nicht sortieren – und Produkte aus mehreren Materialien landen in den meisten Fällen in der Verbrennung.
Erfreulicherweise wird das Umweltbewusstsein immer größer, und Hersteller fangen an Verpackungen verwertungsfreundlicher zu gestalten. Recyceltes Plastik kann nicht wieder für Lebensmittelverpackungen verwendet werden, sondern nur "gedowncycelt" werden zu Reinigungsmittel-Flaschen, Shampoo-Flaschen, Müllsäcken, Plastikpaletten oder Blumentöpfen. So verwendet zum Beispiel die Firma Frosch nur noch zu 100 Prozent recyceltes PET für seine Spülmittel-Flaschen – und das kommt bei den Konsumenten gut an.
Mit etwas mehr Mühe beim Trennen von Müll und ein wenig mehr Aufmerksamkeit beim Einkaufen können wir einen guten Beitrag zu unserer Recycling-Quote leisten, Ressourcen schonen und so eine bessere Kreislaufwirtschaft schaffen.
Über die Kolumnistin
Gina Gadis (25) wurde in Dresden geboren und studierte in Freiberg Wirtschaftsingenieurwesen. Zwischen ihrem Bachelor und dem Master ging sie auf Reisen.
Knapp zwei Jahre bereiste Gina die Welt, zehn Monate davon war sie in Asien unterwegs. Hier kam es zu der Initialzündung. Denn vielerorts in Asien sind die Menschen nicht mehr Herr über die Vermüllung ihre Orte.
Gina sammelte schon auf ihrer Reise Müll ein, öffentlichkeitswirksam begeisterte sie auch immer mehr Menschen in ihrer Heimat für das Thema.
Als sie zurück nach Deutschland kam (aktuell Masterstudentin in Darmstadt), verfolgte sie weiter die Müll-Thematik und schreibt nun unter anderem diese Kolumne für TAG24.
Titelfoto: Gina Gadis