Verherrlichung von Grusel-Effekten: So machte die Stasi Jagd auf Gruftis
Leipzig - Zu Pfingsten wird die Messestadt wieder zur Hochburg der "Schwarzen Szene". Was heute zur Normalität gehört, galt zu DDR-Zeiten als "negativ dekadenter" Jugendkult.
"Gruftis" wurden von der Stasi überwacht. Deren Spitzelberichte waren an Trivialität und Lächerlichkeit kaum zu überbieten, wie eine Ausstellung in Leipzigs ehemaliger Stasi-Zentrale zeigt.
Die wohl wichtigste Unterlage für den subkulturellen Einsatz des gemeinen Stasi-Spitzels war handgemalt: In acht Porträtzeichnungen wurde den Genossen der Unterschied zwischen Gruftis, Punkern, Trampern, Skinheads, Teds, Heavy-Metal-Fans, New Romantiks und Poppern visuell erklärt.
Darunter sind Kurzbeschreibungen zu lesen. Unter "Gruftis" ist unter anderem Folgendes vermerkt: "Verherrlichung von Gruseleffekten, Satans- u. Totenkult .... schwarz oder weiß gefärbtes, nach allen Seiten stehendes Haar ... totales politisches und gesellschaftliches Desinteresse".
Und trotz dieser letzten Einschätzung war die "Schwarze Szene", der laut den Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) 1989 rund 600 DDR-Bürger angehörten, dem SED-Staat ein Dorn im Auge.
"Allein aufgrund ihres Aussehens wurde sie von der Stasi in der Sonderkartei 'negativ-dekadente Jugendliche' erfasst", sagt Regina Schild (59), die Chefin der Leipziger Stasi-Unterlagenbehörde (BStU). So wurden aus eher unpolitischen, vorrangig von modischen Interessen geleiteten jungen Menschen erst "Staatsfeinde" gemacht.
Aus den Akten des MfS geht zudem hervor, dass fast alle „Grufti“-Cliquen mit Stasi-IMs durchsetzt waren. "Einerseits wollte das MfS wissen, was die Szene macht und wie sie sich entwickelt, andererseits wurde versucht, Angst und Misstrauen einzubringen", erklärt Stasi-Expertin Schild.
Allerdings waren die Erkenntnisse der Spitzel oft trivial, ihre Berichte geradezu lächerlich. So notierte ein Stasi-IM nach einem Konzert der Gruppe „Frontal“, dass die "Guftis" Totenkopf-Anhänger trugen und "... tanzten wie ein billiger Indianertanz". Am Ende forderte der beflissene IM die Stasi gar zur "Wiederherstellung der sozialistischen Ordnung" auf.
Zum Wave-Gotik-Treffen öffnet die Unterlagenbehörde am Samstag ab 11 Uhr ihre Archive. Die Ausstellung "Gruftis, Punks & Co." in der "Runden Ecke" (Dittrichring 24) dokumentiert anhand von Original-Dokumenten und -Fotos des MfS die Angst des SED-Staats vor Subkulturen und deren Überwachung durch die Stasi. Der Eintritt ist frei.
Titelfoto: Ralf Seegers