Klimakatastrophe droht! Professor hat krasse Idee: Kann sie uns retten?

Frankfurt - Der Klimawandel ist die Realität, in der wir alle leben, die Klimakatastrophe eine globale Zukunft, auf die wir laut der Mahnung zahlreicher Wissenschaftler mehr und mehr zusteuern.

Dürre oder massiver Regen und Überflutungen: Der Klimawandel führt zu einer Zunahme von Extremwetter-Ereignissen mit bisweilen katastrophalen Folgen – auch in Deutschland.
Dürre oder massiver Regen und Überflutungen: Der Klimawandel führt zu einer Zunahme von Extremwetter-Ereignissen mit bisweilen katastrophalen Folgen – auch in Deutschland.  © Sebastian Gollnow/dpa

Nicht nur "Fridays for Future"- und "Extinction Rebellion"-Aktivisten, sondern jeder, der sich um das Klima und die Umwelt sorgt, sollte sich daher fragen, wie unsere Gesellschaft verändert werden muss, um der Drohung einer katastrophalen Klimaerwärmung zu begegnen. Der Soziologie-Professor Klaus Dörre (64) macht mit seinem jüngsten Buch einen Vorschlag hierzu, der viele wahrscheinlich überraschen, wenn nicht gar erschrecken dürfte.

Denn der Wirtschaftssoziologe von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena hat eine ziemlich krasse Idee: Er plädiert dafür, den Sozialismus-Begriff mit neuen Inhalten wieder aufzugreifen – sein Buch trägt den Titel: "Die Utopie des Sozialismus. Kompass für eine Nachhaltigkeitsrevolution".

Wie bitte, werden nun viele denken, Sozialismus? War das nicht die Staatsform der untergegangenen Sowjetunion und ihrer Satelliten-Staaten wie der einstigen DDR? Und waren diese nicht allesamt diktatorisch regierte Gesellschaften? Weshalb sollte ausgerechnet der Sozialismus-Begriff in der Klima-Debatte wieder aus der Mottenkiste der Geschichte hervorgeholt werden?

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Klaus Dörre befasst sich letztendlich in seinem ganzen Buch mit dieser Frage. Dabei ist er sich der Problematik des "S-Wortes", wie er es auch nennt, absolut bewusst. Dennoch möchte er den Terminus in die Debatte um die richtige Reaktion auf die Bedrohung durch den Klimawandel einbringen.

Eines seiner Argumente: Sozialismus sei – im Gegensatz etwa zu dem sperrigen Wort "Postwachstumsgesellschaft" – ein ganz klar politischer Begriff.

Aus diesem Grund soll "Sozialismus" der richtige Begriff in dieser Fragestellung sein

Das Buch "Die Utopie des Sozialismus. Kompass für eine Nachhaltigkeitsrevolution" von Klaus Dörre ist im September 2021 bei Matthes & Seitz erschienen.
Das Buch "Die Utopie des Sozialismus. Kompass für eine Nachhaltigkeitsrevolution" von Klaus Dörre ist im September 2021 bei Matthes & Seitz erschienen.  © Matthes & Seitz Berlin

Ebenso plädiert der 64-Jährige dafür, das S-Wort zu nutzen, um die gescheiterten staatsbürokratischen Sozialismen der untergegangenen Ostblockstaaten damit zugleich kritisch zu reflektieren. Dementsprechend macht der Soziologe auch schon zu Beginn seines Buches klar, dass der Öko-Sozialismus, für den er als Ziel der gesellschaftlichen Transformation eintritt, in jedem Fall demokratisch und pluralistisch sein müsse!

Ein weiterer Grund, weshalb der 64-Jährige am Sozialismus-Begriff festhalten möchte, ist der, dass damit in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht werde, dass die kapitalistische Wirtschaftsordnung, in der wir gegenwärtig leben, überwunden werden müsse, um die Gesellschaften für die Herausforderungen des Klimawandels zu transformieren.

Genauso wie etwa die bekannte Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann (58) vertritt auch Klaus Dörre die Ansicht, dass ein auf permanentes Wachstum konzipiertes Wirtschaftssystem wie der Kapitalismus mit einer klimagerechten und ökologisch nachhaltigen Produktionsweise nicht vereinbar sei.

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Mehr noch, der Wirtschaftssoziologe zeigt auf, dass es eben der permanente Wachstumszwang des Kapitalismus war und immer noch ist, der die Menschheit auf den Pfad in Richtung Klimakatastrophe geführt hat, weshalb es auch unmöglich sei, mit dem kapitalistischen Wirtschaftssystem zu einer nachhaltigen und klimagerechten Produktions- und Lebensweise zu kommen.

Der Sozialismus, den der 64-Jährige als "positive Utopie" einer möglichen Lösung vorschlägt, ist also immer auch zugleich ausdrücklich eine post-kapitalistische Gesellschaft, in der nicht mehr grenzenloses Wachstum und größtmöglicher Profit die Ziele politischen und wirtschaftlichen Handelns darstellen, sondern ökologische – und auch soziale! – Nachhaltigkeit.

Vier-Tage-Arbeitswoche und höhere Gehälter für alle?

Klaus Dörre (64) ist Professor für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena.
Klaus Dörre (64) ist Professor für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena.  © Angelika Osthues

Was die konkrete Ausgestaltung dieser demokratisch-ökologisch-sozialistischen Gesellschaftsordnung betrifft, entwirft der Soziologe keinen konkreten Fahrplan. Sehr wohl zeigt er aber einige Wegmarken auf, die er für wichtig erachtet.

Was dabei viele überraschen dürfte: Zwar tritt Klaus Dörre mit aller Deutlichkeit dafür ein, große, transnationale Konzerne wie Banken und Versicherungen, aber auch digitale Giganten wie Facebook oder Google zu vergesellschaften, denn deren Machtfülle und permanente kapitalistische Expansion gelte es eben zu brechen. Die Marktwirtschaft möchte der Professor aus Jena jedoch nicht komplett abschaffen: Kleine und mittlere Betriebe sollten seiner Meinung nach auch in einer öko-sozialistischen Gesellschaft weiterhin nach den Regeln des Marktes operieren, da sie ihm zufolge als Quelle technologischer Innovationen unersetzlich seien.

Diese weiterhin marktwirtschaftlich arbeitenden Betriebe sollten dem 64-Jährigen zufolge jedoch von zivilgesellschaftlichen und staatlichen Strukturen umgeben sein, die sicherstellen, dass ökologische und soziale Standards gelten und durchgesetzt werden.

Tatsächlich nutzt Klaus Dörre den Sozialismus-Begriff auch deshalb, um immer wieder deutlich zu machen, dass für ihn ökologische Transformation und sozialer Fortschritt Hand in Hand gehen müssen.

Die post-kapitalistische Gesellschaft, die er als Utopie entwirft, beinhaltet daher nicht nur eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise, es ginge in dieser neuen Gesellschaftsordnung vermutlich auch vielen Menschen deutlich besser als in der gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaftsformation.

Um ein Beispiel zu nennen: Der Professor zeigt auf, dass in einer nicht mehr kapitalistischen Gesellschaft die Vier-Tage-Arbeitswoche für alle zur Norm werden könnte, während gleichzeitig die Gehälter im unteren und mittleren Bereich deutlich stiegen (letzteres hält er sogar für unbedingt notwendig, da bei einer konsequenten Umstellung auf ökologisch-nachhaltige Produktion die Güterpreise unweigerlich ansteigen würden).

Auch schreibt Klaus Dörre, dass ein zentraler Baustein für das Fundament einer ökologisch-sozialistischen Gesellschaft eine "zureichend finanzierte soziale Infrastruktur" sei, die "Gesundheit, Pflege, Erziehung, Bildung und Mobilität zu öffentlichen, für alle zugänglichen Gütern erklärt".

Nachhaltiger Sozialismus oder Katastrophenkapitalismus?

Ob die sozial und ökologisch nachhaltige Gesellschaft, die der Soziologie-Professor aus Jena in seinem Buch skizziert, jemals Wirklichkeit wird, ist eine Frage, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl niemand beantworten kann. Nicht umsonst spricht der 64-Jährige von einer Utopie, also einer möglichen Zukunft, die weit über das Bestehende hinausreicht.

Klaus Dörre macht aber keinen Hehl daraus, dass er die Verwirklichung seiner Utopie für dringend notwendig hält. Seine Analyse zeige, dass das "kapitalistische Perpetuum mobile" nicht mehr funktioniere, dass permanentes Wirtschaftswachstum nur noch um den Preis einer immer weiter um sich greifenden Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen bis hin zum "Ökozid" erfolge.

"Nachhaltiger Sozialismus oder Katastrophenkapitalismus" wären die Alternativen, vor denen die Menschheit stünde.

Das Buch "Die Utopie des Sozialismus. Kompass für eine Nachhaltigkeitsrevolution" von Klaus Dörre ist in erster Auflage im September 2021 bei Matthes & Seitz erschienen.

Titelfoto: Montage: Sebastian Gollnow/dpa, PR/Angelika Osthues

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