180 Jahre, aber so jung war der Brühl noch nie
Von Doreen Grasselt
Chemnitz - Shoppen, Kaffee trinken oder Eis essen in der Pinguin Eisbar: Jeder Chemnitzer verbindet besondere Erinnerungen mit dem Brühl. In diesem Jahr wird die Chemnitzer Flaniermeile 180 Jahre alt - und mit den Jahren immer attraktiver für kreative Chemnitzer, die den Boulevard mit frischen Ideen neu aufmöbeln.
Für „Kleine Könige“ eröffnen heute Andreas (33) und Nicole Radke (34) das erste Kindermode-Geschäft mit Manufaktur in der Unteren Aktienstraße. „Vorher waren wir auf dem Kaßberg und haben unsere Kindersachen online verkauft“, erklärt Andreas.
Der Brühl ist perfekt für uns, weil wir uns vergrößern und dennoch zentrumsnah bleiben wollten.“ Zur Eröffnung dürfen alle Kinder heute ihren eigenen Kissenbezug bemalen und das Kuschelkissen mit nach Hause nehmen.
Guido Günther (29) wird demnächst einen Stickladen am Brühl eröffnen. „Ich sammle alte Nähmaschinen, die ich im Geschäft ausstelle“, erzählt der Fassadengestalter. „Derzeit verschönern wir den Laden von außen mit dem Graffito von einer alten Stickmaschine.“ Nino Micklich (30) verkauft zwar zum Ende des Monats sein Café Brühlaffe. Kleiner Trost: „Es gibt ernsthafte Interessenten, die das Konzept weiterführen wollen.“
Die Stadt werkelt derweil fleißig an der Aufwertung der Flaniermeile. „Es sind bereits 19 Gebäude saniert, 13 im Bau“, erklärt OB Barbara Ludwig (54, SPD).
„Die Umgestaltung wird noch in diesem Jahr abgeschlossen, der Boulevardcharakter gestärkt. Zum Tag der Städtebauförderung gibt’s heute ab 11 Uhr ein Fest ringsum den Brühl. Infos unter www.chemnitz-bruehl.de
Das beste Geschenk
Kommentar von Doreen Grasselt
Vergammelt und zerbröckelt war gestern: Auf dem Brühl geht richtig was voran. Die Stadt investiert Millionen in dessen Neugestaltung. Aber ohne die Chemnitzer wären diese Mittel nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Denn zwischen all den Baustellen eröffnen plötzlich neue Geschäfte. Kreative Unternehmer machen sich mit ihren Ideen selbstständig und verjüngen den 180 Jahre alten Boulevard immer mehr. Der Verein „Freifunk“ hat es jetzt sogar geschafft, die komplette Straße mit kostenlosem WLAN auszustatten.
Eine so beliebte Flaniermeile wie einst wird der Brühl sicher nicht mehr werden. Allein schon deshalb, weil hier künftig Autos durchfahren dürfen. Trotzdem wird der Boulevard zur Innenstadtbelebung erheblich beitragen. Wenn erst die neue Bibliothek in der Alten Aktienspinnerei fertig ist, kommen noch mehr junge Studenten mit frischen Ideen zum Brühl.
Gemeinsam mit den cleveren Köpfchen haucht die Stadt nach und nach dem Boulevard neues Leben ein. Ein besseres Geburtstagsgeschenk könnte es für den altehrwürdigen Brühl gar nicht geben.
Fotos: Sven Gleisberg
Titelfoto: Import