Horror-Haus-Prozess: Gequältes Opfer sagt aus
Paderborn - Auch am Dienstag geht es weiter im Folterprozess von Höxter-Bosseborn. Am 20. Verhandlungstag werden am Landgericht Paderborn wieder einige Zeugen erwartet.
Auch nach den letzten Zeugenvernehmungen vor Gericht steht weiter Aussage gegen Aussage. Die beiden Angeklagten, Wilfried (47) und Angelika W. (48), schoben sich schon vorher im Verlauf des Prozesses die Schuld in die Schuhe.
Am 19. Verhandlungstag malte ein Mitinsasse ein unschönes Bild vom männlichen Part des Höxter-Duos. Er erzählte, er würde den Psychoblick vom Angeklagten nie vergessen.
Zum aktuellen Prozesstag wird die Aussage von Zeugin Christel P. erwartet. Die Frau wohnte über mehrere Wochen in Höxter-Bosseborn bei den beiden Angeklagten und wurde misshandelt und gequält.
Sie kam mit dem Leben davon. Angelika und Wilfried W. setzten sie schwer verletzt in Braunschweig in einen Zug, der sie wieder nach Hause in den Raum Magdeburg brachte.
Zwei der Opfer, die im Horror-Haus waren, überlebten nicht. Deshalb müssen sich die Angeklagten unter anderem wegen Mordes verantworten.
TAG24 berichtet ab Prozessbeginn wieder mit einem Live-Ticker.
14.34 Uhr: "Bei meiner Vernehmung durch die Polizei gab es nie Zweifel der Beamten, dass ich nicht die Wahrheit sage. Ich kann mich aber nicht mehr genau an die Vernehmungssituation erinnern. Ob ich zu Beginn der Vernehmung nur Angelika beschuldigt habe, weiß ich nicht mehr. Die Beamten haben mich gefragt, was mir angetan wurde und wie es mir geht."
Detlev Binder bemerkt, dass bei den Schilderung der Zeugin immer zuerst bei Gewalttätigkeiten Angelika genannt wird und dann erst Wilfried.. In der heutigen Vernehmung sei die Rangfolge anders.
Die Verhandlung wird jetzt geschlossen.
14.23 Uhr: "Ich kann mich nicht mehr ganz genau erinnern, wann zeitlich der ganze Horror in Bosseborn losging. Wenn Wilfried für mich Partei ergriff, wurde Angelika zickig und knallte die Türen.
Wilfrieds Verteidiger Detlev Binder ergreift das Wort: "Heute in ihrer Vernehmung haben sie gesagt, dass Angelika Ihnen nur einmal Pfefferspray ins Gesicht gesprüht hat. In den polizeilichen Vernehmungen haben Sie ausgesagt, dass sie mehrmals mit Pfefferspray attackier wurden von Angelika.
Christel antwortet: "Daran kann ich mich nicht erinnern. ich habe heute Vormittag gesagt, dass ich nur einmal mit Pfefferspray verletzt wurde. Und danach durfte ich mir auch nicht die Augen ausspülen. Die Schläge hat immer Wilfried gegen mich ausgeführt. Wenn sich die beiden stritten, war ich immer die Leidtragende.
Angelika kam von oben runter, ich war unten im Haus, und dann hat sie mich ohne Grund mit Pfefferspray besprüht. Ich habe nicht gefragt, was das soll. Ich war in der Küche, Wilfried war vermutlich in der Wohnstube. Das ging alles so schnell. Ich habe auch nicht um Hilfe gerufen."
14.19 Uhr: "Die Polizei hat mich damals, nach der Festnahme von Wilfried und Angelika, befragt. Beim ersten Anruf eines Polizisten habe ich nur gesagt, dass ich auch in Bosseborn war und ich ein Opfer von Höxter bin. Ich habe beim ersten Anruf nicht gesagt, dass Angelika ein richtiges Aas sei. Ich habe später ausgesagt, als die Beamten bei mir zu Hause in Dessau waren.
Bevor ich Wilfried kennenlernte, war ich zwei Jahre lang Single. Ich hatte keinen anderen Mann. Im März 2012 war die Beziehung mit Wilfried beendet. Im Mai 2012 habe ich einen neuen Partner kennengelernt. Die erste Zeit haben wir uns nur geschrieben. Das war 2012, eingezogen bin ich erst nach einem halben Jahr zu ihm.
Ich habe das auch aus Angst vor Wilfried und Angelika gemacht. So war ich nicht alleine. Außerdem hatte ich auch einen Job in Dessau gefunden. Bis heute weiß er nicht, was mir passiert ist. Ich bin seit vorigem Jahr, nachdem ich das ganze Geschehen aus den Medien erfahren habe, ich psychologischer Behandlung. Ich habe nicht mehr die selbe Handynummer wie damals.
Nachdem ich Bosseborn verlassen hatte, habe ich nie mehr eine SMS an Wilfried geschrieben. Ich habe auch keine SMS geschrieben, in der ich Wilfried mitteilte, dass wir gemeinsam in Magdeburg Zeitungen austragen können und er auch Bulli fahren kann." (Red.: Detlev Binder, Strafverteidiger von Wilfried W. fragte nach diesem Sachverhalt)
13.57 Uhr: "Wilfried hat Angelika in eine mit eiskaltem Wasser gefüllte Badewanne geworfen. Ich habe das nicht selbst gesehen. Aber Angelika kam zu mir völlig durchnässt und hat mir von dem Vorfall erzählt. Wir waren mal zu dritt zum Einkaufen. Wir hielten uns auf dem Parkplatz auf. Wir hatten einen Einkaufszettel, den Angelika immer schrieb.
Für mich gab es keinen Grund, dass Wilfried hier plötzlich Angelika anbrüllte. Sie lag plötzlich auf dem Boden und wurde von Wilfried an den Haaren über den Parkplatz gezogen. Ich glaube, sie haben sich über ein Telefon oder über das Internet gestritten. Wilfried hat sie wohl einen Meter oder auch zwei über den Boden geschleift.
Als ich später zurück in Magdeburg war, bekam ich einen Anruf von Wilfried. Wir haben auch nur einmal gesprochen. Er versicherte mir, dass Angelika von Bosseborn ausgezogen ist und ich zurückkommen könne. Er erzählte, dass er Angelika rausgeschmissen hat.
Ich war in Wilfried verliebt, als ich Ende Dezember zum ersten Mal nach Bosseborn kam. Das hörte auf mit dem ersten Schlag ins Gesicht. Danach war Schluß mit den Gefühlen. Wilfried war in der ersten Zeit ein ganz lieber netter junger Mann, höflich.
Er hat viel gefragt nach Tieren, meine Eltern hatten selber eine Landwirtschaft, ich konnte ihm viel erzählen. Später, nach der Backpfeife, gab es den 'zweiten' Wilfried. Er war ein Monster. Dass man eine Frau schlägt, das geht garnicht.
Mal war er ganz normal, dann machte es bei ihm "klick" und er war anders. Es gab zwischendurch mal wieder Phasen, wo ich dachte, er hat sich gefangen."
13.47 Uhr: "Ich habe die Berichterstattung über den Prozess teilweise verfolgt. Ich weiß nicht, was Angelika W. vor dem Gericht ausgesagt hat. Es gab keine Situation, in der mir ein Wasserkocher mit heißem Wasser vor das Gesicht gehalten wurde und ich Verletzungen davontrug.
Ich musste des öfteren Wilfrieds Füße lecken. Das war eine Demütigung. Wilfried hat mir mal Karategriffe gezeigt. Ich kann mich nur noch schwach daran erinnern. Er fasste mich dabei an und zeigte mir, wie man den Arm auf den Rücken dreht.
Wilfried hat mit der Hand auf die offene Wunde von Angelikas Arm gedrückt. Angelika hat dabei geschrien und ging zu Boden. Wilfried hat sie dann an den Haaren gezogen. Darauf habe ich Wilfried gesagt, er soll damit aufhören. Das hat er dann auch getan.
Ich habe die Verletzungen gesehen bei Angelika. Auf dem Schulterblatt war alles offen, ich konnte das rohe Fleisch sehen. Zur Schaufelattacke von Wilfried im Stall: Es gab die Aufgabe für mich, dass ich Wilfried beim Stallausmisten helfe. Ich bin dann in den Stall rein, habe einen Besen in der Hand gehabt.
Wilfried hatte die Schaufel in der Hand. Ich habe mich dann umgedreht. Und in diesem Augenblick schlug Wilfried mir dann das Schaufelblatt vor die Stirn.Es gab keine Begründung für diesen Angriff. Er kam vollkommen plötzlich. Ich war überrascht, dass Wilfried dabei grinste."
13.39 Uhr: Die Befragung der Zeugin wird noch einen weiteren Verhandlungstag benötigen, sagt gerade der Vors. Richter, Bernd Emminghaus.
13.36 Uhr: Nach der Mittagspause wird die Zeugin Christel P., die auf dem Gehöft in Bosseborn misshandelt wurde, weiter vernommen. Bislang hat sie die Fragen vom Vors. Richter, Bernd Emminghaus, beantwortet.
Jetzt stellen die Strafverteidiger Peter Wüller und Detlev Binder weitere Fragen an die Zeugin. Der 52-jährigen Frau merkt man deutlich an, wie unangenehm ihr die Situation vor Gericht ist. Vermutlich ist es ihr peinlich, vor der Öffentlichkeit preiszugeben, warum sie ihr Leiden so lange erduldet hat, warum sie nicht geflohen ist und warum sie sich nicht gleich nach dem Verlassen des Gehöftes an die Polizei gewandt hat.
12.47 Uhr: "Nachts lag ich in Bosseborn immer auf dem Fußboden, ohne Decke. Das hatte Angelika so vorgeschrieben. Sie begründete das damit, dass Wilfried erkältet sei und er sich vielleicht auf der Couch anstecken könnte. Auf die Frage, ob ich eine Decke haben könne, bekam ich eine kleine.
Die wurde mir später aber wieder von Angelika weggenommen. Im Schweinestall wurde ich zum größten Teil von Angelika angekettet. Wilfried war immer mit dabei. Er hat mich aber auch angekettet. Er hat mir immer gesagt, er hält sich raus, was Angelika macht.
Ich habe versucht, gegenüber Angelika mich mit Worten zu wehren. Das hat aber nicht geholfen. Ich bin noch heute in ärztlicher Behandlung wegen meiner Schlafstörungen, Alpträume. In meinen Träumen erlebe ich immer wieder die Situation mit der Schaufel.
Jetzt gibt es erst einmal eine Mittagspause.
12.39 Uhr: "Am Tage konnte ich in Bosseborn auf die Toilette gehen. Nachts war alles zugeschlossen. Warum das so war, weiß ich nicht. Ich bekam nur zur Antwort, "damit ich nicht rumschnüffel" Ich bin dann notgedrungen auf das Katzenklo gegangen. Es gab noch eine Katze im Haus, mit der ich mir das Katzenklo dann teilen musste.
Den beiden war das egal. Sie fanden das lustig und sagen, ich müsse sowieso alles saubermachen. Ich konnte nicht fliehen, die Tür war zwar abgeschlossen, der Schlüssel hing irgendwo an der Wand. Aber Angelika war ja immer da. Wo der Schlüssel nachts war, weiß ich nicht.
Die sexuellen Kontakte mit Wilfried habe ich immer als schön empfunden. Es gab nie unangenehme Situationen. Dass Angelika nicht die Schwester von Wilfried ist, habe ich irgendwann mal einem Gespräch der beiden entnommen. Wilfried hat mir dann gestanden, dass Angelika seine Ex-Frau ist.
Es kann sein, dass sich die jetzt Angeklagten gegen mich verbündet haben, um so auch ihre eigenen Probleme zu bewältigen. Angelika und Wilfried waren mir körperlich überlegen.
12.30 Uhr: Die Zeugin Christel P. stellt sich nun Fragen der Staatsanwaltschaft, den Strafverteidigern und einem Nebenklagevertreter. Auf die Fragen der Prozessbeteiligten verzichten wir. Wichtiger sind die Aussagen der Zeugin, die natürlich in den Sachverhalten etwas hin- und herspringen.
"Als ich damals zu den Nachbarn rübergegangen bin und auf Hilfe gehofft habe, war Angelika aber bei mir. Kurze Zeit später kam Wilfried dazu. Wilfried war außer sich und ging dem Nachbarn gleich an die Gurgel.
Ich habe aus den Medien erst erfahren, dass Wilfried und Angelika festgenommen wurden. Ich bin damals zusammengebrochen vor dem Fernseher, zwei Tage später stand dann die Mordkommission vor der Tür. Mir fehlte einfach die Kraft und ich hatte Angst, selbst die Initiative zu ergreifen.
Während meiner Zeit in Bosseborn hatte ich keine Möglichkeit, mit meiner Tochter Kontakt zu halten. Meine Tochter hat, das hab ich später erfahren, öfter angerufen, mich aber nicht erreichen können. Wilfried hatte ja mein Telefon. Die SMS, die sie mir schrieb, wurden von Wilfried nicht beantwortet. Neben meinem Handy wurden mir zeitgleich auch alle anderen Sachen wie Geldkarte und Schlüssel weggenommen.
Zur Schüppenattacke von Wilfried: Nachts habe ich immer wieder Alpträume deswegen. Ich sehe ihn immer noch vor mir stehen, lachend, grinsend, mit den Worten: 'Oh, ich war das nicht'. Er hat definitiv damals gelacht, das werde ich nie vergessen.
Als ich damals meine Wunden im Waschraum des Kellers versorgte, kam auch Angelika hinzu. Sie hat aber nicht gefragt, was passiert ist. Sie hat mir aber auch nicht geholfen. Es gab übrigens während meiner Zeit auch keine Gewalttätigkeiten von Angelika gegenüber Wilfried.
Zu den Streitigkeiten zwischen Wilfried und Angelika: Danach hat Angelika immer versucht, Geld von ihrer Mutter zu versorgen.
12.27 Uhr: "Wilfried hat Angelika immer wieder auf die Wunden des verbrühten Arms gefasst. Angelika hat dann laut geschrien. Zum Zettel, auf dem stand, dass ich mich selbst verletzt habe: Den Zettel unterschrieben Wilfried, Angelika und ich.
Auf dem Bahnhof habe ich dann einen jungen Mann gebeten, doch den Zettel zu unterschreiben. Wenn ich alles Revue passieren lassen, kann ich nur feststellen: Beide sind gleich schuldig an den Misshandlungen, die ich erlitten habe. Für mich waren es beide gemeinschaftlich, die quälten. Angelika hat seelisch gequält, Wilfried körperlich. Gewalttätig war Angelika nicht, nur einmal mit dem Pfefferspray.
12.22 Uhr: "Ich hatte nachts mein Handy auf lautlos gestellt. Aber ich sah am beleuchteten Handy, dass Wilfried wieder anrief. Einmal sagte mir Wilfried, er habe jetzt Angelika aus dem Haus in Bosseborn geworfen und ich könne wieder zurückkommen. Das wollte ich aber nicht, weil er mich geschlagen hat.
Das Geschehen ist jetzt ein paar Jahre her. Ich habe keine körperlichen Verletzungen mehr, die man sehen könnte. Nur, wenn es kalt ist, sieht man die Narbe des Schaufelschlags noch ansatzweise. Ich habe aber große seelische Verletzungen davongetragen.
Nachdem ich Bosseborn verlassen hatte, habe ich darüber nachgedacht, ob ich das Ganze anzeigen soll. Doch ich hatte Angst vor den beiden. Ich wusste nicht genau, ob sie noch einen Schlüssel von meiner Wohnung in Magdeburg haben. Ich war nur froh, wieder zu Hause zu sein.
Ich kann noch berichten, dass Wilfried Angelika mal in die Badewanne geworfen hat, komplett angezogen. Auf einem Parkplatz hat Wilfried Angelika auch mal über den gesamten Parkplatz gezogen, an den Haaren, bis sie auf der Erde lag. Er haute ihr dann auf den eh schon verletzten, verbrühten Arm.
Auf dem Laptop von Wilfried habe ich auch mal Angelika mit kurzgeschorenen Haaren gesehen. Da waren noch mehr Fotos von Frauen drauf, die keine Haare mehr hatten. Es waren auch Frauen mit Verletzungen zu sehen. Wilfried sagte mir dann immer, die Verletzungen hätte Angelika den Frauen zugefügt.
12.03 Uhr: "Ich tat immer einen Beitrag zu den Lebenshaltungskosten dazu. Irgendwann hat mir Angelika meine Geldkarte abgenommen. Den Pin-Code kannte sie auch, und dann hat sie mein Konto abgeräumt. Auf jeden Fall hat die Schläge immer Wilfried ausgeführt.
Wenn Angelika und Wilfried sich untereinander stritten, war ich immer die Leidtragende. Dann bekam ich Prügel oder wurde angekettet. Im Ziegenstall habe ich mal saubergemacht und gefegt. Da hatte Wilfried eine Schaufel in der Hand. Ich drehte mich um zu Wilfried, und da hatte ich die Schaufel schon in meinem Gesicht.
Wilfried mistete mit der Schüppe aus. Es war eine langstielige Schaufel. Ich wurde im Stirnbereich getroffen. Ich lag auf dem Fußboden, war benommen. Nach einer Weile kam ich wieder hoch und habe geblutet. Wilfried hat gegrinst und nur gesagt 'Oh, das war ich nicht!'.
Angelika war aber garnicht dabei. Ich bin dann in den Waschraum meine Wunde saubergemacht. Mit meinen Handschuhen, die ich wegen der Kälte an hatte, habe ich versucht, die Blutung zu stillen. Ich bin dann in die Küche hochgegangen.
Hier haben mir die beiden einen vorgefertigten Zettel gegeben. Den sollte ich unterschreiben. Auf dem stand, dass ich in Bosseborn nicht gequält worden bin. Ich habe immer noch an der Stirn geblutet. Zu dem Vorfall im Keller mit der Schaufel wurde überhaupt nichts gesagt.
Ich habe oben nur noch gesagt, ich will nach Hause, ich will nicht länger hier bleiben. Den Zettel, dass ich mir alle Verletzungen selber zugefügt habe, habe ich dann unterschrieben. Als ich den unterschrieben habe, haben sie mich ins Auto gesetzt und sind mit mir zum Bahnhof nach Braunschweig gefahren.
Hier am Bahnhof haben sie einen Zeugen gesucht, der den von mir unterschriebenen Zettel gegenzeichnet. Er sollte nur bestätigen, dass ich den Zettel aus freien Stücken unterschrieben habe. Ich habe meine Sachen zusammengepackt. Meine Reisetasche mit vielen Sachen existierte nicht mehr.
Dann ging es ab zum Bahnhof. am Bahnhof haben sie erst Taxifahrer gefragt, ob sie den Zettel gegenzeichnen. Der Zeuge wurde schließlich im Bahnhof gefunden. Wilfried hatte mir eine Fahrkarte gekauft. Als der Zeuge die Unterschrift geleistet hatte, händigte mir Wilfried die Fahrkarte aus. Ich weiß garnicht mehr genau, welcher Bahnhof es war. Es kann auch der Bielefelder Bahnhof gewesen sein.
Ich saß dann im Zug nach Magdeburg. Als ich zu Hause war, gab es immer wieder Anrufe von beiden jetzt Angeklagten. Ich sollte wieder zurückkommen. Aber ich habe darauf nicht reagiert. Ich hatte nur noch Angst zu Haue, dass sie kommen, und mich wieder holen.
Ich habe einen Schrank vor die Eingangstür gestellt. Davor habe ich meine Matratze gelegt und habe dann dort nachts geschlafen. Ich bin nur noch selten ans Telefon gegangen und habe mir irgendwann eine neue Telefonnummer besorgt.
Von Angelika gab es die Drohung, dass ich nichts sagen soll, keinem was erzählen soll. Sonst würden sie mich umbringen. Die Angst war sehr groß. Mit Wilfried habe ich noch einmal telefonischen Kontakt mit Wilfried gehabt."
11.46 Uhr: Einmal habe ich mir die Füße unten mit eiskaltem Wasser gewaschen und kam dann nach oben ins Wohnzimmer. Dann ging es oben weiter. Angelika attackierte mich mit Pfefferspray. Und einmal hat mir Angelika die Haare geschnitten. Sie hat nach Lust und Laune in den Haaren herumgeschnitten. Wilfried hat dabei zugeguckt.
Nach diesen ganzen Vorfällen gab es nur noch sporadisch sexuelle Kontakte zwischen Wilfried und mir. Er war dabei aber nie gewalttätig. Einmal haben sie auch Nachbarn beschwert. Angelika und Wilfried kamen auf die Idee, ich sollte die Nachbarn ärgern.
Ich habe dann bei den Nachbarn geklingelt. Die waren neugierig und haben immer aus dem Fenster geguckt. Ich habe bei dem Kontakt gehofft, dass die Nachbarn die Polizei rufen. Aber Angelika und Wilfried waren dabei, und so konnte ich sie nicht bitten, dass die Nachbarn die Polizei anrufen.
'Ruft doch die Polzei, wenn es Euch nicht passt, was in eurer Nachbarschaft passiert', habe ich gesagt. Für mich war das ein versteckter Hilferuf. Aber die Nachbar haben die Polizei nicht gerufen. An ein Würgen, wie in der polizeilichen Vernehmung von mir ausgesagt, kann ich mich nicht mehr erinnern.
Ich kann mich nur noch schemenhaft daran erinnern, dass ich mal auf dem Boden lag und teilweise bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt wurde. Ich konnte danach kaum noch schlucken. Wilfried sagte nur, ich solle mich nicht so anstellen. So wie es im Vernehmungsprotokoll der Polizei steht, wird es wohl gewesen sein. Ich kann mich heute nicht mehr an alles erinnern."
11.40 Uhr: "Das war ein Umschwung von jetzt auf gleich. Ganz plötzlich änderten sich Angelika und Wilfried. Auf die Backpfeife habe ich verdattert reagiert. Ich bin in die Ecke gegangen und habe geweint. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich wieder nach Hause nach Magdeburg will. Das kam aber etwas später.
Er sagte dann zu mir, ich könne gehen. Mir war aber alles weggenommen worden. Handy, Schlüssel, Geldbörse, Führerschein, Taschen, ich hatte nichts mehr. Die Äußerung 'Du kannst gehen' stand nur auf dem Papier. Das war überhaupt nicht machbar.
Aus dem Haus konnte ich auch nicht gehen, die Türen waren ständig verschlossen, außerdem war ich nie allein. Ich konnte nicht gehen, auch wenn ich es gewollt hätte. Die Backpfeife war mit der flachen Hand auf die Wange. Angelika war nicht mit dabei. Danach wurde auch Angelika unfreundlicher zu mir.
Sie war aber nicht gewalttätig. Sie hat mich allerdings des öfteren, später, mit Pfefferspray traktiert. Nach der Backpfeife war das Verhältnis für mich beendet. Ich wollte nur noch nach Hause. Aber ich konnte nicht. Es ging dann weiter mit Schlägen. Bekam ich keine Schläge, wurde ich im Schweinestall angekettet.
Die Schläge bekam ich immer mit der flachen Hand. Sie kamen immer unvermittelt. Ich hatte nichts verschuldet. Es war wohl zwei Mal in der Woche, dass ich Prügel bekam. Angelika besprühte mich mit Pfefferspray, auch das kam aus heiterem Himmel.
Das war aber nur ein Mal. Das meiste hat Wilfried gemacht. Ich wurde im Schweinestall angekettet. Angelika und Wilfried hatten sich gezankt, und dann wurde ich angekettet. Angelika hat mit angekettet. Ich kam barfuß in den Schweinestall. Angelika forderte mich auf, in den Schweinestall zu gehen. Ich wurde mit Handschellen am Gatter festgemacht mit beiden Händen. Alleine kam ich da nicht wieder raus.
Ich stand genau zwischen den Schweinen. Die Tiere haben mir aber nichts getan. Ich habe aber auch keine Angst vor Schweinen. Sie haben mich beschnuppert, haben mich aber nicht gebissen. Ich wurde wohl 3 bis 4 Mal im Schweinestall festgemacht, es war nicht immer Angelika, die mich angekettete, es war auch Wilfried. Immer waren aber beide daran beteiligt.
Es war sehr kalt im Schweinestall. Angekettet war ich unterschiedlich, mal für eine halbe Stunde. Dann wurde ich wieder losgemacht von Angelika, sie hatte einen Schlüssel für die Handschellen. Auch Wilfried ließ mich mal wieder frei. Es sollte wohl eine Demütigung für mich sein.
Sie haben nie mit mir darüber gesprochen, warum sie das gemacht haben. Ich stand auf jeden Fall barfuß im Mist. Wenn ich losgemacht wurde, konnte ich ins Bad im Keller gehen. Hier konnte ich mir mit kaltem Wasser die Füße saubermachen."
11.23 Uhr: Nachdem die ersten drei Wochen Ende des Jahres 2011 behandelt wurden, geht es jetzt um die ersten Wochen im Jahr 2012.
"Am 25. Februar haben wir den Geburtstag von Wilfried gefeiert. Ich habe am 17. Februar Geburtstag. Der wurde aber nicht gefeiert. Die gute Stimmung in Bosseborn war zu meinem Geburtstag schon weg. Angelika bestimmte, dass mein Geburtstag nicht gefeiert wird. Das kam aus heiterem Himmel.
Die Dinge drehten sich auch, als ich die erste Backpfeife von Wilfried bekam. Ich weiß nicht mehr genau, wann das war. Das war die erste Gewalttätigkeit in Bosseborn. Den Grund hierfür wusste ich nicht. Ich saß auf der Couch, und dann hat Wilfried zugeschlagen.
Im Vorfeld gab es auch keine Widerworte, so dass sich etwas hätte aufstauen können. Angelika warf mir immer wieder vor, dass ich im Hause rumschnüffele. Das mag ein Grund gewesen sein für die Backpfeife. Angelika stänkerte halt immer rum. Wilfried mische sich dann des öfteren ein und nahm Partei für mich. Das mochte Angelika überhaupt nicht."
11.17 Uhr: Nach einer Unterbrechung wird die Verhandlung gleich fortgesetzt. Inzwischen ist auch der Strafverteidiger von Angelika W., Peter Wüller im Saal eingetroffen.
Im zweiten Teil der Vernehmung soll die Zeugin Christel P. zu den Misshandlungen gehört werden, die sie auf dem kleinen Gehöft in Höxter-Bosseborn erleiden musste.
Ihr wurden die Haare abrasiert, sie soll gefesselt worden sein und einmal soll Wilfried ihr sogar mit einer Schaufel ins Gesicht geschlagen haben. Der Zeugin ist die Vernehmung vor zahlreichem Publikum sichtlich unangenehm.
10.28 Uhr: Die Zeugin schildert noch einmal, wie es auf dem Gehöft in Bosseborn ausgesehen hat. Sie spricht von verschimmelten Wänden im Dachgeschoss.
"Es war eine gewisse Unordnung, es gab viel Müll. Das gefiel mir nicht, aber ich bin trotzdem geblieben, weil ich dachte, dass man aus dem Gehöft was machen kann. Wilfried wollte ja damals das Haus kaufen. Ich habe mit Wilfried aber nicht über meine Ideen gesprochen.
Wir haben zu diesem Zeitpunkt nie über Geld gesprochen. "Ich habe mir auch keine großen Gedanken gemacht, dass kein Öl im Haus war. Aber unten im Wohnzimmer gab es ja einen Ofen. Beim Einkaufen gab es keine Probleme mit dem Bezahlen.
Mich haben Wilfried und Angelika gefragt, ob ich Geld dazu geben könne. Ich habe dann mit meiner Mutter Kontakt aufgenommen, ob sie mir Geld überweisen könne. Sie hat dann auch etwas dazugegeben.
Angelika und Wilfried haben sich auch gestritten. Das habe ich zwei, drei Mal mitbekommen. Den Grund des Streits zwischen den beiden weiß ich nicht mehr. Die beiden haben sich dann angebrüllt. Körperlich habe ich nichts mitbekommen. Sie waren wütend."
10.10 Uhr: Der Vorsitzende Richter Bernd Emminghaus hat die Vernehmung der Zeugin Christel P. in zwei Teile eingeteilt. Der erste Teil, in dem es mehr um das Leben und Kennenlernen von Christel P. ging, ist beendet.
Der zweite Teil der Vernehmung beginnt erst, wenn der Strafverteidiger von Angelika W., Peter Wüller, der Sitzung beiwohnen kann. Der Rechtsanwalt hatte noch einen unaufschiebbaren Gerichtstermin und soll gegen 11 Uhr am Landgericht in Paderborn eintreffen.
Für ihn ist es natürlich von großem Interesse, zu erfahren, wie Christel P. in Bosseborn traktiert und misshandelt wurde und welche Rolle dabei Wilfried und Angelika spielten. Die ersten drei Wochen im Dezember 2011 gingen relativ harmlos über die Bühne.
Es kam zu keinen Misshandlungen, lediglich "Zickereien" von Angelika, die als Wilfrieds Schwester verkauft wurde, fielen der Zeugin Christel P. auf.
10.07 Uhr: "Kurz vor Weihnachten wurde ich dann zurück nach Magdeburg gebracht. Es war klar, dass ich wieder zurückkomme nach Bosseborn. Einen Tag vor Silvester kam ich zurück nach Bosseborn.
Wir haben den Jahreswechsel mit einem Glas Sekt gefeiert. Alles passierte zu Hause. So wie es in den ersten drei Wochen in Bosseborn war, hätte es wegen mir gerne so weitergehen können.
10.02 Uhr: "Wilfried, Angelika und ich haben eigentlich alles zusammen gemacht. Angelika musste immer mit, sie war immer dabei. Nur beim Füttern der Tiere konnte sie nicht helfen, ihr Arm war ja kaputt. Wenn ich mit Wilfried rumalberte, gefiel das Angelika nicht.
Sie fing dann an zu stänkern, ich hatte das Gefühl, sie war eifersüchtig. Wenn ich mit Wilfried wirklich mal allein sein wollte, ist sie dann doch verschwunden, meistens nach oben ins Haus. Aber es passte ihr nicht. Auf der Couch im Wohnzimmer bin ich mit Wilfried intim geworden.
Angelika war dann oben oder in der Küche. Ich hätte ihre Anwesenheit nicht geduldet. Einmal in der Woche konnte man duschen, dann wurde die Heizung angemacht. Ich kannte das von zu Hause aber anders. Mein erster Besuch dauerte ungefähr drei Wochen.
Wir machten Ausflüge, auch mal in die Stadt Paderborn,meistens am Abend. Am Tage wurde ja geschlafen. Ich habe nie nachgefragt, warum wir nicht am Tage gefahren sind. Am Tage wurde geschlafen, gegen Abend ausgemistet und die Tiere gefüttert, bis gegen 2 Uhr in der Nacht, manchmal auch länger, waren wir immer auf.
Beide bekamen Arbeitslosengeld, ich auch. Richtig gearbeitet wurde nicht. Wir waren auch mal in Bielefeld am Flughafen und Wilfried zeigte mir auch mal ein Haus, in dem er früher gelebt hatte. Es hat mir in den ersten drei Wochen wirklich gut gefallen in Bosseborn, ich konnte mir vorstellen, dort länger zu wohnen.
Kurz vor Weihnachten hatte sich die Mutter von Wilfried angemeldet. Sie sollte nicht erfahren, dass ich in Bosseborn wohne. Wilfried wollte dass nicht. Das Verhältnis in den ersten drei Wochen mit Angelika war nicht schlecht, aber sie zickte oft rum. Wenn ihr was nicht passte, wenn ich mal einen Vorschlag machte, dann war Angelika dass nicht recht."
9.54 Uhr: "Es gab keinen Austausch von Zärtlichkeiten im Laderaum des Wagens auf der Fahrt nach Höxter-Bosseborn. Nach ein paar Stunden kam wir in der Nach auf dem Gehöft an. Der Eindruck war gut. Er zeigte mir alles, den Hof, die Ställe. Dann haben wir gegessen.
Für mich war es etwas ganz anderes. Es war so, wie ich es mir vorgestellt habe. Eben "Bauer sucht Frau". Ich wurde dann müde, man bot mir die Couch in der Wohnstube an. Hier spielte sich auch alles in der Zeit ab, in der ich in Höxter-Bosseborn war. Ich schlief auf der Couch und wir haben ein wenig gekuschelt.
Nach drei, vier Tagen wurde es dann mehr. Angelika war größtenteils dabei, oder sie war Futter holen. Wenn ich mit Wilfried unten auf der Couch schlief, hat Angelika oben auf einer Matratze geschlafen. Es war ziemlich kalt, aber es war ja auch Anfang Dezember 2011.
Oben war es sehr kalt im Haus. Ich hörte, dass nicht genügend Öl da war und das deswegen nur sporadisch im Haus geheizt wurde. In der ersten Zeit wurde ich nicht sexuell von Wilfried bedrängt. Es war alles einverständlich.
Das Füttern der Tiere war Sache von Wilfried. Angelika konnte nicht helfen. Sie hatte auf der Schulter und am Arm alles verbrannt. Das war richtig massiv.
Ich habe sie gefragt, sie zeigte mi die Verletzungen ganz genauer, sie sagte, sie hätte sich verbrüht. Ich habe ihr das nicht geglaubt, aber nachgefragt habe ich auch nicht. Sie war gereizt, vermutlich hatte sie Schmerzen."
9.43 Uhr: "Wann das genau war, weiß ich nicht mehr. Wilfried hat mich dann angerufen, dass er mich abholt. Ich hatte damals kein Auto. Ich habe mir dann von meiner Arbeit eine Auszeit genommen. Abends kam er dann mit dem Auto.
Die Fahrt dauert so 4 - 5 Stunden. Er ist dann am Abend auch wieder nach Höxter zurückgefahren. Es war ein kleiner weißer Kastenwagen, vorne zwei Sitze, hinten eine Ladefläche. Wilfried kam nicht allein, Angelika kam mit und fuhr das Auto. Ich ging davon aus, dass Angelika die Schwester ist von Wilfried.
Hinten auf der Ladefläche war eine Kiste, und da sollte ich mich drauf setzen. Ich habe mir deswegen keine Sorgen gemacht. Ich weiß nicht mehr, wer mich angewiesen hat, mich hinten auf die Kiste zu setzen. Für mich war das so eine Art Hundefängerauto.
Man hätte mit dem Wagen auch Hunde transportieren können. Die vorderen Sitzbänke waren nach hinten mit einer Glasscheibe abgetrennt. Dann sind wir losgefahren. Auf der Fahrt von Magdeburg nach Höxter haben wir uns unterhalten.
Sie haben unterwegs getankt. Dann kam Wilfried zu mir nach hinten auf die Ladefläche. Den Grund weiß ich nicht mehr. Er setzte sich neben mich auf die Kiste. Wir haben zusammen geredet."
9.34 Uhr: Christel P. ist heute 52 Jahre alt. Sie ist Betonwerkerin. Sie kommt aus Dessau. Vor einem Jahr wurde sie schon einmal von Kriminalbeamten vernommen.
"Damals lebte ich in Magdeburg, heute wohne ich in Dessau. Ich bin verzogen, weil ich eine neue Arbeitsstelle gefunden habe und mein neuer Partner kommt auch aus Dessau. Mit dem neuen Partner bin ich seit 2012 zusammen. Ich bin geschieden worden Anfang 2000.
Danach habe ich alleine gelebt. Dauerhafte Beziehungen gab es danach nicht. Ich habe damals eine Annonce gelesen in der Zeitung: "Bauer sucht Frau". Es stand noch drin: 'Suche Frau für das Leben, ich bin lieb nett, zärtlich'. Das hat mich angesprochen.
Die erste Zeit haben wir telefoniert und uns SMS geschrieben. Der erste Eindruck war gut. Die Stimme und das, was er erzählte über seinen Bauernhof und seine Schwester Angelika, hat mir gut gefallen. Wir haben uns da noch keine Bilder geschickt."
9.30 Uhr: Die Verhandlung ist eröffnet. Die Zeugin Christel P. hat den Sitzungssaal betreten. Sie wohnte auf dem Gehöft in Höxter-Bosseborn für mehrere Wochen von Ende 2011 bis Anfang 2012 und wurde massivst gequält. Heute soll sie vernommen werden.
Titelfoto: DPA