"Horror-Haus"-Prozess: War Angelika die treibende Kraft?
Paderborn - Der Höxter-Prozess am Landgericht Paderborn geht weiter. Nun soll die Angeklagte Angelika W. (48) aussagen. Im Mittelpunkt sollen Briefe von Wilfried W. (47) stehen.
Der 31. Verhandlungstag soll das Verhältnis der beiden Angeklagten beleuchten. Schon in der letzten Woche waren die Brief von Wilfried im Fokus.
Der Richter Bernd Emminghaus hatte immer wieder aus den Briefen vorgelesen. Darin stand vorwiegend, dass Angelika die treibende Kraft gewesen sei.
Zwei der Opfer, die im Horror-Haus waren, überlebten nicht. Deshalb müssen sich die Angeklagten unter anderem wegen Mordes verantworten.
Nun soll die Angeklagte zu den Vorwürfen in den Briefen Stellung beziehen. Auch am Dienstag ist TAG24 wieder Live vor Ort.
12.13 Uhr: Der 31. Verhandlungstag ist beendet. Die nächste Verhandlung ist erst wieder am 2. Oktober, ausnahmsweise an einem Montag, da der 3. Oktober ein Feiertag ist.
11.47 Uhr: "Es ist erschreckend gewesen zu hören, wie Wilfried W. Opfertypen findet und manipuliert. Bei bestimmter Kritik von Frauen gegenüber Wilfried habe ich als Beamtin mit Angst und Schrecken auf die Reaktion von Wilfried W. gewartet und die Tondokumente weitergehört.
Ich bin nach Hause gefahren und habe die Sachen vergessen. Ich wusste natürlich auch, dass zwei Frauen ums Leben kamen. Ich wusste, dass es nicht aufhörte bei Wilfried, immer wieder machte er den Frauen Vorhaltungen, sie wurden beleidigt.
Die Frauen haben alles getan, um Wilfried nicht zu reizen. Er hat versucht, Partnerinnen zu gewinnen, da war er liebevoll und tolerant, es gab auch Situationen, da war er verärgert, hat Stress und Druck aufgebaut, da stellte er eine ganz andere Person dar, da war er nicht mehr liebevoll.
Teilweise spürte man, ob er verärgert oder gut drauf war. Wilfried W. weist eine emotionale Intelligenz auf, mit der er Frauen beeinflussen und steuern konnte. Ich kenne diese Täterstrategien, noch aus meiner Zeit, als ich im Opferschutz sexueller Gewalt und Prävention tätig war.
Es gab auch Frauen, die den Kontakt abgebrochen haben, wenn sie mehrfach aufgefordert wurden von Wilfried, sich ständig zu melden. Aufgrund dieser emotionalen Intelligenz war für Wilfried immer sehr schnell klar, mit welchen Frauen er guten Kontakt haben konnte.
Teilweise mussten die Frauen ständig die Kilometerstände ihrer Autos mitteilen."
11.33 Uhr: "Er legte keinen großen Wert auf Äußerlichkeiten bei den Frauen, wichtig waren für ihn immer die inneren Werte. Er wollte immer eine schnelle Verlobung und dann Hochzeit, oft schon nach wenigen Telefonkontakten. Die Frauen sollte immer jeden Aufenthaltsort bekannt geben, sagen, was sie tun.
Passierte das nicht, stellte er sofort das gesamte Verhalten der Frauen in Frage. Zu den sexuellen Aspekten der Partnerschaft. Er war der Meinung, dass sexuelle Kontakte immer von den Frauen ausgehen sollte, dass sagte er auch unmissverständlich den Frauen am Telefon.
Er war hochgradig manipulativ, narzisstisch und bestimmend. Er äußerte sich auch rassistisch zu einer Migrantenfamilie im Nachbarhaus.
Die nicht enden wollenden Zurechtweisungen und Vorhaltungen waren für mich nur sehr schwer zu ertragen. Ich konnte es teilweise nicht mehr hören. Es war wohl auch für die Frauen sehr schwierig und anstrengend, Wilfried W. anzuhören.
Wilfried war nie für einen Fehler oder ein Missverständnis verantwortlich. Er wurde ungehalten, wenn eine Frau ihm Vorwürfe machte."
11.22 Uhr: "Für mich ging es darum, zu dokumentieren, dass Wilfried nichts mit den Misshandlungen oder Quälereien zu tun hatte. Alle drei wussten, dass alles aufgezeichnet wird und auch mal verwertet werden kann. Ich habe mich jeden Tag gefragt, warum man diese Gespräche geführt hat.
Ich hatte das Gefühl, dass das so in den Tagesablauf der Angeklagten hineingehörte. Im August 2016 habe ich mal eine Zusammenfassung aller Gesprächsinhalte gemacht. Über mehrere Wochen habe ich 5 Stunden täglich Audiodateien gehört.
Durch die Gespräche von Wilfried mit diversen Frauen bekam man einen guten Einblick, was Wilfried so den ganzen Tag trieb. Er nutzte viele Sprachnachrichten. Er stellte sich immer so da, wie er nicht war. Er gab vor ein Medizinstudium gemacht zu haben und war dann wieder bei einem Wachschutz tätig und ängstigte eine Frau damit, sie auch ständig überwachen zu können.
Es herrschte ein permanenter Informationsfluss seitens Wilfried W. Sinn war es immer, für Wilfried W. eine Partnerin zu finden. Einzige Einnahmequelle, so musste ich feststellen, war für Wilfried der Verkauf von Hühnereiern.
Angelika W. war mit einem Günther liiert, so ist den Tonprotokollen zu entnehmen. Das teilte zumindest Wilfried seinen Gesprächsteilnehmerinnen mit. Das war vermutlich eine Legende, um vorzugaukeln, dass es keine Partnerschaft zwischen Angelika und Wilfried gibt.
11.14 Uhr: Zeugin: "Es waren häufig Gespräche zwischen den beiden Angeklagten Wilfried und Angelika W. , manchmal war auch Anika an den Gesprächen beteiligt. Hier geht es um ein Dreiergespräch. Angelika W. war die dominante in dem Gespräch. Sie hat hauptsächlich Anika W. fertig gemacht, Vorhaltungen gemacht, dass sie den Ansprüchen von Wilfried nicht gerecht wird.
Mir ist inErinnerung, dass sie tagebuchartig belegt hat, wenn Anika gegen Regeln verstoßen hat. Wilfried W. war zurückhaltend in den Gesprächen, wirkte aber so, als wäre er die treibende Kraft, der seine Ruhe haben möchte und deswegen Angelika instruiert hatte.
Ihm war es immer wichtig, dass von ihm keine Gewalt ausging. Ich habe die Stimme von Anika als schwach, niedergeschlagen, willenlos empfunden. Ich habe das als sehr deprimierend empfunden. Auf viele Dinge sagte sie nur ja, ich hatte den Einruck, sie wollte nur, dass es aufhört mit den Vorwürfen."
11.10 Uhr: Die Beamtin gehört der Mordkommission Bielefeld an und ist 44 Jahre alt.
Beamtin und Zeugin: Ich war von Juni bis Oktober 2016 in der Mordkommission und war damit beauftragt, Ton- und Textdateien zu sichten und anzuhören. Ich habe sie in Tabellenform niedergeschrieben. Ich habe einen Zeitraum von 5 Monaten angehört. Es waren etwa 7.400 Sprachnachrichten, die ich gehört habe
11.07 Uhr: Richter Emminghaus liest immer noch aus der Verschriftlichung eines Telefonats zwischen Angelika, Anika und Wilfried vor. Angelika wirft Anika Unfähigkeit, Unsauberkeit und zu wenig Aufmerksamkeit für Wilfried vor.
Hauptrednerin ist Angelika. Nur ab und zu greift Wilfried in das Gespräch ein. Angelika spricht mehr als alle anderen. Jetzt wird die Beamtin aufgerufen, die sich tausende von Tondokumenten angehört hat sowie tausende von SMS gelesen hat.
10:48 Uhr: Aus vielen Telefonaten, so Strafverteidiger Wüller, geht hervor, welche Macht Wilfried über die Frauen ausübte, die er am Telefon hatte. Hinzu kam eine außergewöhnliche Gabe der Manipulation, mit der er Frauen in eine bestimmte Richtung drängte.
10.43 Uhr: Der Strafverteidiger von Angelika W., Peter Wüller, regt an, einige Sprachnachrichten im Gericht anzuhören. Wilfried soll hier in einem unglaublichen Ton, manipulierend und gewaltig, die Frauen "besprochen" haben.
Richter Emminghaus liest aus dem Protokoll der Beamtin vor:
Offensichtlich fand das Gespräch zwischen Anika W. und Angelika W. statt. Angelika wirft Anika Verfehlungen vor. Sie versorge Wilfried nicht richtig.
Die genannten Verfehlungen haben teilweise strafrechtliche Relevanz. Anhand der Stimmlage und - Lautstärke scheint Anika in dem Gespräch beeindruckt und schüchtern. Wilfried hält sich in dem Gespräch zurück. Das ist eine Wertung der Beamtin.
In dem Gespräch geht es auch um das Würgen von Anika.
10.35 Uhr: "Ich war auch nicht eifersüchtig auf die Frauen, mit denen Wilfried Kontakt hatte. Ich habe für Wilfried bei den Frauen immer "die Kohlen aus dem Feuer geholt", wenn er Probleme hatte.
Richter Emminghaus verliest nun ein Protokoll, in dem eine Ermittlungsbeamtin der Mordkommission die Sprachnachrichten und SMS von Wilfried W. beurteilt, die auf seinen Handy gefunden wurden. Insgesamt soll es hiervon rund 13.000 Dateien geben, die angehört und eingeordnet wurden. Die Beamtin soll hier vor Gericht gegen 11 Uhr aussagen.
10.32 Uhr: Angelika: "Wilfried behauptet, ich hätte ihn im Schlaf misshandelt. Das stimmt definitiv nicht. Auch von seinem ersten Urteil wusste ich nichts. Das hatte Wilfried auch behauptet.
Ich wusste, dass er in Haft war, aber warum genau, das wusste ich nicht. (Wilfried wurde 1995 zu knapp drei Jahren Haft wegen Misshandlungen von Frauen verurteilt Red.)
10.25 Uhr: Der Strafverteidiger von Wilfried W., Detlev Binder, hatte noch einen anderen Termin am Landgericht Paderborn. Deswegen musste die Verhandlung zum Doppelmord Höxter-Bosseborn kurzfristig unterbrochen werden.
Binder ist jetzt wieder zurück im Sitzungssaal und die Verhandlung zum Doppelmord wird fortgesetzt.
9.50 Uhr: Die Angeklagte hat zu den Ausführungen von Willi von letzter Woche 32 Seiten geschrieben. Die Verhandlung wird kurz unterbrochen.
9.40 Uhr: "Als Anika wieder in dem Haus war und in der Badewanne saß, wurde sie von mir nicht festgemacht an den Armaturen. Ich bin dann in das Wohnzimmer, habe Fernsehen geguckt, Wilfried hat mich immer viel ausgefragt, was die Frauen so machen, es war dann zwischen uns auch Thema, dass Anika hingefallen ist, draußen", erklärte die 48-Jährige.
Nach dem Sturz habe es auf jeden Fall ein Gespräch zwischen Angelika und Wilfried gegeben. "Wilfried fragte, warum Anika splitterfasernackt nach draußen gegangen ist, was das sollte. Ich werde ihm garantiert irgend etwas geantwortet haben, an den Inhalt meiner Antwort kann ich mich nicht mehr erinnern", fügte sie an.
Wochen später hat er mir geraten, mich vielleicht doch wegen des Todes von Anika der Polizei zu stellen. Er wusste auf jeden Fall, was da genau passiert ist beim Tod von Anika.
9.35 Uhr: Angelika W. nimmt Stellung: Ich habe die Schreiben als Kopie bekommen und gelesen. Zuerst muss ich sagen, ich bin erstaunt, dass Wilfried doch schreiben kann. Ich war eigentlich immer seine Sekretärin. Es ist eine Mischung von Teilwahrheiten, die Wilfried schreibt. Ich kann genau sagen, was Wilfried anders dargestellt hat. Alles ist so gewesen, wie ich es hier vor Gericht geschildert habe.
Ich hatte keinen Grund, Anika (das erste Todesopfer, die Frau wurde eingefroren, dann zerteilt und verbrannt) tätlich anzugehen. Ich bin beim ersten Versuch, die Anika zu zerteilen, nachdem sie tot war, gescheitert. Da bin ich heulend zu Wilfried gelaufen und habe ihm gesagt, dass ich das nicht kann.
Ich möchte noch einmal bestätigen, dass ich hier vor Gericht die reine Wahrheit gesagt habe. Genauso hat es sich alles zugetragen. Als Anika kurz vor dem Tod draußen hingefallen ist mit einem lauten Klatschen, muss er es gehört haben. Wilfried war nicht dabei, aber er muss alles gehört haben.
Er stand so, dass er es hören musste. Wilfried hat mich zwar nicht gefragt, was passiert ist, aber er muss es mitbekommen haben. (Wilfried hatte behauptet, zu diesem Zeitpunkt nicht zuhause gewesen zu sein.)
Ich denke, alles was zwischen Anika und mir gesprochen wurde, muss er verstanden haben. Es war still in der Nacht, ca. 1 Uhr.
Titelfoto: DPA