Egon Krenz macht die "Drogen-Mühle" voll
Heidenau - Dieser Auftritt war „krenzwertig“! Ausgerechnet während Europa mit Helmut Kohl (†87) einen seiner Gründerväter zu Grabe trug und dem „Vater der Einheit“ gedacht wurde, sprach der letzte SED-Chef und kurzzeitige DDR-Staatsratsvorsitzende Egon Krenz (80) in Heidenau vor Sozialisten, Nostalgikern und früheren FDJ-lern, schrieb fleißig Autogramme.
Proppenvoll bis auf den letzten Platz! 130 Besucher kamen am Samstag in die Gaststätte „Drogenmühle“ in Heidenau. Alle wollten Egon Krenz sehen. Und hören, was der Nachfolger Erich Honeckers (1912-1994) und frühere Staatsratsvorsitzende der DDR zu sagen hatte.
Thema der Veranstaltung: „Die Niederlage der DDR - Teil des Zusammenbruchs des real existierenden Sozialismus in Europa.“ Eingeladen hatte Krenz die Dresdner Regionalgruppe des Vereins „Rotfuchs“, der Kommunisten und Sozialisten in Deutschland eine Tribüne bietet.
Zweieinhalb Stunden nahm sich Krenz Zeit, plauderte auch aus dem Nähkästchen. Er schilderte, wie er Honecker von einer Reform überzeugen wollte, erklärte, warum er den Umbruchstagen keinen Schießbefehl gab.
„Es war ja nicht der Mob auf der Straße, sondern unsere Genossen“, sagte Krenz. Er habe dafür gesorgt, dass die Waffen geschwiegen haben.
Allerdings: Diese Einsicht kam offenbar zu spät. Wegen Totschlags von DDR-Flüchtlingen wurde Krenz 1997 zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, die trat er 2000 an, wurde 2003 nach knapp vier Jahren vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen.
Am Ende seines Vortrages gab es herzlichen Applaus, viele Besucher stürmten nach vorne an Krenz‘ Tisch. Der umarmte alte Genossen, viele klopften ihm auf die Schulter. Dann schrieb er Autogramme auf historischen Fotos, unterschrieb auch auf einem FDJ-Banner, das im DDR-Museum Pirna einen Platz finden soll.
Danach verabschiedete sich Egon Krenz, wollte noch in Dresden Freunde besuchen.