Star-Dirigent Thielemann über "Negerküsse", PEGIDA und AfD...

Hamburg/Dresden - Star-Dirigent Christian Thielemann wird bald die Festspiele von Bayreuth eröffnen. Jetzt spricht er im aktuellen stern-Interview über "Deutschtümelei, seine Haltung zur AfD sowie über den Wunsch, weiterhin das Wort 'Negerkuss' benutzen zu dürfen".

Opernsängerin Waltraud Meier und Dirigent Christian Thielemann hier bei der Verleihung des Kulturpreises der Boulevardzeitung BZ im Juli 2018.
Opernsängerin Waltraud Meier und Dirigent Christian Thielemann hier bei der Verleihung des Kulturpreises der Boulevardzeitung BZ im Juli 2018.  © DPA

Christian Thielemann (59) möchte sich nicht in die rechte Ecke stellen lassen. Vor ein paar Jahren forderte er, den PEGIDA-Demonstranten in Dresden besser zuzuhören (hier im TAG24-Interview zu lesen). Er forderte aber auch eine "Bannmeile um das historische Zentrum in Dresden". Damit "ließe sich der Image-Schaden für die Stadt wahrscheinlich mindern. Sollen die woanders demonstrieren." Das war 2015.

Im Herbst 2014 sagte er: "Ich habe keine dieser Demonstrationen persönlich miterlebt und werde mich auch ganz sicher nicht in ihre Nähe begeben. Mir ist unwohl bei großen Menschenaufläufen. Ich scheue daher Situationen, die unkontrollierbar zu werden drohen." (TAG24 berichtete)

Im aktuellen >> stern, der am Donnerstag (Ausgabe vom 19. Juli 2018) erscheint, bekräftigt er seine Haltung: "Der Meinung bin ich nach wie vor. Dass man Unzufriedenen generell mehr zuhört", sagte er dem Magazin. Ein PEGIDA-Versteher sei er aber keineswegs.

Er findet lediglich, es sei seine Aufgabe, auch denen Gehör zu schenken, die "eine Meinung vertreten, die mir total gegen die Strich geht".

Dirigent Christian Thielemann ist Musikdirektor der Bayreuther Festspiele und dirigiert in diesem Jahr die Oper "Lohengrin".
Dirigent Christian Thielemann ist Musikdirektor der Bayreuther Festspiele und dirigiert in diesem Jahr die Oper "Lohengrin".  © DPA

Thielemann zählt zu den herausragenden Dirigenten der Gegenwart, hat aber im Laufe seiner Karriere schon mehrere Skandale verursacht, etwa als er Ende der 1980er Werke des Komponisten Hans Pfitzner aufführte, eines unbelehrbaren Nationalsozialisten. Das Etikett "deutschtümelnd" will er sich dafür nicht anheften lassen: "Das ist so ein Quatsch", sagt er dem stern.

Auch den Vorwurf, er habe dadurch den Zeitgeist nach rechts verschoben, will er nicht gelten lassen: "Ist denn C-Dur nach den zwölf Jahren Hitler etwa anders zu hören als zuvor?"

Angesichts von 92 AfD-Abgeordneten im Deutschen Bundestag sowie der Radikalisierung der Gesellschaft zeigt sich Thielemann entsetzt, wie er sagt:

"Was ist falsch gelaufen, dass es passiert ist? Wie kann es sein, dass die Leute so aufeinander einstechen?" Immerhin sei er froh, dass die Jahre der Stagnation, in der "die politische Korrektheit die Leute gelähmt" habe, vorbei sei. Die etablierten Parteien seien durch die AfD gezwungen, "Position zu beziehen". Er selbst würde gern weiterhin das Wort "Negerkuss" benutzen dürfen. "Sie glauben doch nicht, dass durch solche Umbenennungen die tatsächlichen Probleme gelöst wären."

Seit 2012 ist Thielemann Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden mit einem Vertrag bis Sommer 2024. Er lebt in Potsdam. Seit 2013 ist er künstlerischer Leiter der Salzburger Osterfestspiele. Er wird die Bayreuther Festspiele am 25.7. mit einer Aufführung von "Lohengrin" eröffnen.