Geheimbericht: Leipzigs Polizei erklärt den Notstand
Leipzig - Ein prognostizierter Kriminalitätsanstieg von bis zu 5000 Straftaten jährlich - und eine Polizei, die aufgrund von Personalknappheit, hohem Krankenstand und mangelnder Effizienz kaum noch handlungsfähig ist.
Ein interner Lagebericht der Polizeidirektion Leipzig zeichnet ein düsteres Bild von der Sicherheitslage in der Messestadt - und deckt dabei auch Schummeleien in der Kriminalstatistik auf.
Das 63 Seiten starke Behördenpapier mit dem Titel „Strategie der PD Leipzig 2018 ff.“ gleicht im ersten Teil einem Offenbarungseid. Die Autoren beschreiben eine Diskrepanz von einem „hochkriminalitätsbelasteten, wachsenden Ballungsraum“ und der Ausstattung der PD Leipzig, die „die geringste Personalstärke in Relation zum tatsächlichen Kriminalitätsaufkommen“ habe.
Aktuell hat die Direktion laut Innenministerium 2477 Vollzugsbeamte und 427 Verwaltungsleute - mithin 206 Beschäftigte weniger als im Soll-Plan ausgewiesen. Zudem sei „die Alterspyramide nicht stimmig“, der Krankenstand mit durchschnittlich zehn Prozent (ca. 250 Beamte täglich) zu hoch und es gebe „eine hohe Anzahl an eingeschränkt polizeidienstfähigen Beamten“.
Die dramatischen Folgen: Die schwindenden Personalressourcen führen bei ständiger Mehrbelastung zur Vernachlässigung des Streifendienstes. Auftragsfreie Streifen sind dem Bericht zufolge mittlerweile der Ausnahmefall, die Beamten arbeiten fast nur noch reaktiv Notrufaufträge ab.
Entstehen jetzt rechtsfreie Räume?
Vernichtend auch der Lagebericht zur Verkehrssicherheitsarbeit, für die Leipzigs Polizei offenbar keine Zeit mehr hat.
So finden kaum noch Verkehrskontrollen statt. Im Bericht heißt es dazu: „Es ist zu unterstellen, dass aufgrund fehlender Präsenz im öffentlichen Raum rechtsanwendungsfreie Räume geduldet bzw. die Entstehung solcher billigend in Kauf genommen werden.“ Zudem gehe das Anzeigen von Mängeln bei der Verkehrsraumgestaltung „gegen Null“.
Düster auch die internen Prognosen der Leipziger Polizei zur Kriminalitätsentwicklung in ihrem Bereich. Im Bericht heißt es dazu: „Unter Berücksichtigung der Veränderungssituation in der kreisfreien Stadt Leipzig ... erscheint eine durchschnittliche jährliche Zunahme von ca. 4000 - 5000 Straftaten über den Zeitraum des derzeitigen und künftigen Bevölkerungszuwachses als realistisch.“
Vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität erwarten die Experten einen heftigen Anstieg.
Apropos Statistik: Dem Lagebericht zufolge ist die vom Innenministerium herausgegebene Polizeiliche Kriminalitätsstatistik (PKS), die für den PD-Bereich Leipzig für das Jahr 2016 insgesamt 117.780 Straftaten aufwies, geschönt.
Wörtlich heißt es im Bericht: „Darüber hinaus befanden sich zu Jahresbeginn 2017 ca. 6400 abgeschlossene Straftaten zur Übernahme in die PKS bei der Datenstation. Diese finden sich weder in der PKS, noch in der Darstellung der offenen Vorgänge. Demnach ist die Kriminalitätsbelastung deutlich höher als mit der PKS darstellbar.“
Das will die Polizei der Kriminalität entgegensetzen
Nur Jammern hilft nicht! Um die Kriminalitätsbekämpfung trotz Personalnotstand effizienter zu machen, hat Leipzigs Polizeidirektion in ihrem Strategiepapier einen Katalog von 39 Maßnahmen erarbeitet, die bis 2019 umgesetzt werden sollen.
Geplant sind unter anderem die Einrichtung einer zentralen Untersuchungsstelle für Drogenkriminalität und eines „Lehrreviers“ in der Leipziger Innenstadt, wo junge Polizisten ein realitätsnahes Praktikum absolvieren sollen. Erwünschter Nebeneffekt ist dabei eine erhöhte Präsenz von Polizisten in der City.
In allen Polizeirevieren sollen zudem spezielle Ermittler für Jugendkriminalität eingesetzt werden. An Kriminalitätsschwerpunkten wird die Reiterstaffel öfter Präsenz zeigen.
Die Revierbeamten sollen von Bürokratie entlastet, ihre Arbeitszeiten an den Brennpunkten „bedarfsgerecht“ gestaltet, die Öffnungszeiten der Reviere bürgerfreundlicher werden. Geplant sind zudem wieder mehr Komplexkontrollen.