Dieser Sachse hat das Haus der Zukunft erfunden
Freiberg - Kann man ein Haus bauen, das seine Bewohner selbst mit Strom, Wärme und E-Mobilität versorgt? Technisch wohl kein Problem. Doch es sei wirtschaftlich überhaupt nicht darstellbar, meinten bisher die Experten.
Damit wollte sich Solarpionier Timo Leukefeld (47) aber nicht abfinden. Seit über drei Jahren lebt er nun mit seiner Familie in einem selbst errichteten "energieautarken Haus". Die TU Freiberg und die Bundesregierung ließen jedes noch so kleine Strömchen messen. Und nun steht fest: Es rechnet sich!
Wer jetzt glaubt, die Freiberger Energiesparpioniere frierend im Kerzenschein anzutreffen, täuscht sich gewaltig. Denn die Familie - Frau, zwei Kinder und ein Au-pair-Mädchen - wohnen in einem modernen Haus mit allem Komfort.
Der Geschirrspülautomat läuft nahezu täglich, Licht oder Computer werden einfach angelassen, selbst wenn keine Person mehr im Raum ist. Aus den Wänden und dem Fußboden strömt bei Bedarf heimelige Wärme. Selbst die warme Dusche läuft viel öfter und länger, seit die Familie das energieautarke Haus bewohnt.
„Lieber intelligent verschwenden als blöde sparen“, lautet da Timo Leukefelds paradoxes Rezept.
Der aus Ehrenfriedersdorf stammende Ingenieur, der zu diesem Lieblingsthema auch als Professor in Glauchau und Freiberg referiert, hat keinerlei Gewissensbisse gegenüber Umwelt und Geldbörse.
Denn Strom und Wärme liefert bei ihm die Sonne, und die stellt keine Rechnung für ihren ohnehin kostenlosen Service.
Knallhart durchgerechnet hat er für das Haus mit 160 Quadratmetern Wohnfläche sehr wohl, als er es mit dem Eigenheimhersteller Helma konzipierte. Schlüsselfertig mit Bodenplatte kostet das Haus 430.000 Euro - das Autarkie-Paket macht 85.000 Euro aus.
Zwanzig Jahre lang zahlt Leukefeld dann 980 Euro monatlicher Kreditraten, wo alles drin ist: Wohnen, Wärme, Strom und E-Mobilität. Eine Anschlussfinanzierung kommt danach.
"Was man am Anfang mehr bezahlt, spart man über die Jahre an Betriebskosten wieder ein", sagt der Sonnenprofessor.
Damit das keine kühne Behauptung bleibt, hat die TU-Freiberg mit Förderung der Bundesregierung 190 Sensoren im Haus platziert, um jedes Grad Celsius und jedes Watt Strom zu messen.
Damit waren die Leukefelds in den letzten drei Jahren vielleicht die gläsernste Familie in Deutschland. "Wenn etwa im Schlafzimmer der CO2-Gehalt sprunghaft stieg, konnten sich die Prüfer einen Reim drauf machen", witzelt der Professor. "Doch für die Forschung muss man auch Opfer bringen."
Und die haben sich gelohnt. Bei der Wärmedeckung erreichte das Haus 72 Prozent - 65 waren prognostiziert. In den Wintermonaten heizt die Familie über den Kamin Brennholz zu, was mit 200 Euro pro Jahr zu Buche schlägt. "Wir haben aber eine Wohlfühltemperatur von 23 Grad im ganzen Haus", betont Leukefeld.
Bei der Solarenergie wurden die angestrebten 100 Prozent knapp verfehlt. So mussten etwa 2014 einmal in der sonnenarmen Jahreszeit 180 Kilowattstunden hinzu gekauft werden, 2016 waren es nur 8 kwh im ganzen Jahr. Die schwierigsten Monate sind in unseren Breiten naturgemäß Dezember und Januar. Andererseits gab das Haus aber auch 5000 kwh an überschüssigen Solarstrom an das Netz ab, wofür es eine Vergütung gab.
Ab März spätestens hamstert das Haus die Sonnenenergie. Dann lässt Leukefeld auch schon den Pool mit vorgewärmtem Wasser volllaufen. Auch das Elektro-Auto wird kostenlos vom eigenen Haus vollgetankt - an die 10.000 Kilometer fahren die Leukefelds im Jahr damit.
Insgesamt spart die Familie rund 3500 Euro pro Jahr, die sie nicht an Energieversorger oder die Tankstelle zahlen. Wenn die Sonne weiter scheint, soll das auch immer so bleiben. Und der Professor kann behaupten: "Wir wohnen im ersten bezahlbaren energieautarken Einfamilienhaus Europas!"
Diese Dinge machen den Unterschied
Titelfoto: Kristin Schmidt