Deutsche entdecken Lust an FKK, doch etwas hat sich verändert
Sachsen - Die Deutschen haben eine alte Lust wiederentdeckt: FKK (Freikörperkultur) ist wieder im Aufwind. Doch nur nackt in der Sonne herumliegen und sich nahtlos braun brennen zu lassen, reicht dem FKK-Nachwuchs nicht mehr.
Die Nudisten-Freunde fahren in Camps, um hüllenlos Pool- und Schaum-Partys mit viel Erotik genießen zu können.
Immerhin gelten FKK-Freunde seit jeher als toleranter, weltoffener und haben auch häufiger Sex als ihre Nachbarn an den Textilstränden.
Waren das noch Zeiten! Da lag der Kombinatsdirektor Seite an Seite neben dem Fabrikarbeiter am Strand.
Dresscode: Armbanduhr. Sonst nix. Den Begriff Bodyshaming - sich also für seinen Körper zu schämen - gab es noch gar nicht. Und Bikinifigur? Die brauchte nur, wer Bikini trug!
Nackt sein war schick. Doch nach der Wende flachte die Lust an freier Körperkultur ab.
"Es gibt einen sensibleren Umgang mit Nacktheit an Badestränden - auch wegen des allgegenwärtigen Filmens und Fotografierens", hat der Sexualforscher Konrad Weller von der Hochschule Merseburg beobachtet.
Doch während die Mitglieder in organisierten FKK-Vereinen immer älter werden und die Mitgliederzahlen zurückgehen, nimmt die alte Lust am Nackigsein in Mutter Natur neue Fahrt auf.
Laut Bewertungsportal HolidayCheck sind knapp 20 Prozent der Deutschen schon einmal in einen FKK-Urlaub gefahren. "FKK ist wieder im Kommen, doch jetzt gepaart mit Party und Sex", sagt Manuel Binternagel von der Erotik-Community JOYclub.
Inzwischen erobert eine ganz neue FKK-Szene die Strände in ganz Europa. Bei einer Umfrage unter JOYclub-Mitgliedern gaben 85,7 Prozent der männlichen und 76,1 Prozent der weiblichen FKK-Anhänger an, dass sie während eines FKK-Urlaubs schon einmal Sex am Strand hatten.
Kein Wunder, dass die weltweit meistbesuchte FKK-Anlage mittlerweile auch als gigantisches Swinger-Paradies bekannt ist: Das "Village Naturiste" am Cap d’Agde in Südfrankreich verzeichnet allein in der Hauptsaison über 1,5 Millionen nackte Gäste. Wir haben ein Pärchen nach ihren Erfahrungen gefragt, die dort Stammkunden sind.
Beim Nachwuchs gehört die Erotik durchaus dazu
Hier spricht der FKK-Nachwuchs: Elli (26) und Max (26) sind FKK-Fans, geben für eine Woche Urlaub in einem FKK-Resort durchschnittlich 1 000 Euro aus. Das sind ihre Erfahrungen:
"Wir fahren gern ans Cap d’Agde nach Südfrankreich auf den Campingplatz Rene Oltra. Je nach Lust und Laune stehen wir dort mit unserem Wohnwagen oder belegen ein Apartment.
Das Schöne am Wohnwagen ist, dass man leicht neue Leute kennenlernt, da die Plätze recht offen sind und man gar nicht an seinem Nachbarn vorbeikommt, ohne miteinander zu quatschen. Problematisch ist der Wohnwagen oder das Zelt nur dann, wenn es etwas leidenschaftlicher zur Sache gehen soll...
Wir sind jedes Jahr unter den Jüngsten der Gäste. Durchschnittlich dürfte das Alter bei 40 Jahren liegen. Man darf sich mit der Nacktheit älterer Menschen nicht schwertun. Doch bisher haben wir jedes Jahr noch mindestens zwei, drei und mehr Paare in unserem Alter getroffen.
Highlight ist für uns immer die "Mousse-Party" im Open-Air-Club Le Glamour - eine Schaum-Party mit vielen gutgelaunten Menschen, erotisches Getümmel im Schaum, bei dem man nicht genau weiß, was gerade neben einem passiert, gemischt mit toller Musik. Der Eintritt kostet meist unter 35 Euro. Außerdem gibt's eine Poolparty im Le Jardin de Babylone. Da kommt sexy Spring-Break-Feeling auf!
Viele andere Partys finden im privaten Rahmen statt. Sobald man ein wenig Anschluss gefunden hat, wird man dazu eingeladen. Qualitativ ist da alles dabei: von Vollkatastrophe in einem schäbigen Apartment bis Megaparty auf einer Privatjacht.
Und dann gibt's da noch den 'Schweinchenstrand'. Dort ist Sex geduldet, aber nicht erlaubt. Man sollte immer bedenken, dass es sich um ein Nudistenresort und keinen Swingerklub handelt. Wir sind am 'Schweinchenstrand' nicht aktiv. Wir schauen zwar jedes Jahr vorbei, aber Trauben wedelwütiger Männchen sind nicht ganz unser Ding. Zuschauen ja, mitmachen nein.
Innerhalb der FKK-Resorts macht es uns immer wieder Spaß, herumzuradeln. Wann fährt man denn schon mal nackt oder in Dessous Fahrrad...?"
Ihre Blütezeit hatte die Bewegung in der DDR
Im 19. Jahrhundert badete man noch getrennt nackt in Flüssen und Seen. 1898 gründete sich in Essen der erste FKK-Verein zum "Schwedisch baden" - so genannt wegen der unverklemmten Haltung der Schweden zu natürlicher Nacktheit.
Die Waldteichfreunde Moritzburg pachteten 1910 das heute älteste FKK-Gelände Deutschlands. Offiziell wurde 1920 auf der Insel Sylt der erste FKK-Badestrand eröffnet.
In den 1930ern zählten deutsche FKK-Vereine schon 100.000 Mitglieder. Im Dritten Reich wurden die Vereine jedoch aufgelöst oder in staatlich gelenkte Organisationen wie den "Bund für Leibeszucht" integriert.
Nach dem Krieg feierte FKK vor allem in der jungen DDR eine Renaissance. Nur ausgerechnet Kulturminister Johannes R. Becher zog bei der Freikörperkultur nicht mit. Erst 1956 wurde ein Verbot aufgehoben und FKK zur Massenbewegung.
Legendär ist die Umfrage von Hans-Joachim Wolle von "Außenseiter, Spitzenreiter" 1976 am FKK-Strand an der Ostsee. Seine Frage mitten im Hochsommer: Haben Sie schon ein Weihnachtsgeschenk gekauft? Der Moderator war dabei selber nur mit einem Tonband "bekleidet".
Im prüderen Westen war textilfreies Baden dagegen noch bis in die späten 1970er-Jahre verpönt. Erst seit den 1980er-Jahren gab es an vielen Küstenufern auch im EU-Ausland immer mehr ausgewiesene FKK-Bereiche.
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